«Das Glück kann nicht, wie ein mathematischer Lehrsatz bewiesen werden», schrieb der Dichter Heinrich von Kleist 1799 an seine Schwester. «Es muss empfunden werden, wenn es da sein soll.»
Doch: Was hilft uns dabei, Glück zu empfinden? Und was ist das überhaupt? Die richtigen Lottozahlen haben, also Zufallsglück, ist es nicht. Sondern «so etwas wie Wohlbefinden, also die innere Erfahrung menschlichen Glücklichseins». Das sagt Dorothee Salchow. Die Hamburgerin ist Trainerin und Coach für Positive Psychologie und gehört der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie an. Sie weiß, was zum Glück verhilft. Und Beweise gibt es auch dafür.
1. Aktiv positive Emotionen ins Leben holen
Dorothee Salchow: «Nach allem, was wir aus der Forschung wissen, sind es zum einen positive Emotionen, die stark auf unser Wohlbefinden einzahlen. Das klingt erst mal kontraintuitiv: wenn es uns nicht gut geht, dann nach positiven Emotionen zu suchen. Grundsätzlich ist es wichtig, dass alle Emotionen oder Gefühle da sein dürfen.
Und gleichzeitig, wenn wir mehr Wohlbefinden erfahren wollen, dann lohnt es sich zu schauen: Was hat mich heute interessiert, wo habe ich mich amüsiert oder gefreut? Wo habe ich Liebe gespürt oder Hoffnung? Wo war ich vielleicht stolz auf mich oder jemand anders?
Ich empfehle immer dafür das Vokabular der 10 positiven Emotionen nach Barbara Fredrickson zu nehmen: Vergnügen, Inspiration, Dankbarkeit, Liebe, Ehrfurcht, Interesse, Stolz, Freude, Gelassenheit und Hoffnung.
Wir wissen, dass – kurz gesagt – das Erleben positiver Emotionen kurzfristig dazu führt, dass wir in der Lage sind, mehr Reize wahrzunehmen und diese zu verarbeiten. Es bilden sich mehr neuronale Verknüpfungen. Dies unterstützt unsere geistige Flexibilität und Kreativität und wir können besser Probleme lösen.
Dadurch bauen wir kurzfristig neue Ressourcen auf, auf die wir zugreifen können, und das führt langfristig dazu, dass wir unseren Alltag besser bewältigen können und mehr positive Emotionen erleben.»
2. Eigene Stärken kennen und nutzen
Salchow: «Ein weiterer Tipp für mehr Glückserleben ist es, sich mit den eigenen Stärken zu beschäftigen: Worin bin ich richtig gut? Und dort eher danach zu gucken, wie gehe ich die Dinge an, statt was kann ich gut? Also statt «Ich kann gut Excel» etwa «Ich habe eine große Beharrlichkeit». Oder «Ich gehe die Dinge mit meinem Sinn fürs Schöne an». Oder «Meine Umsicht hat mir schon in vielen Momenten geholfen».
Wenn wir unsere Stärken kennen und sie einsetzen, dann führt das langfristig dazu, dass wir uns besser fühlen. Weitere gut erforschte Charakterstärken sind zum Beispiel: Neugierde, Urteilsvermögen, Fairness, Weisheit, soziale Intelligenz oder auch Bescheidenheit.»
3. Sinn erleben
Salchow: «Es ist immer sinnvoll zu wissen: Inwiefern habe ich das Gefühl, einen Beitrag leisten zu können, also wo erlebe ich mein Sein und Wirken als sinnvoll? Studien haben gezeigt, dass Menschen mit einem hohen Sinnerleben glücklicher sind. Mein Tipp: im Familienleben, bei der Arbeit oder im Ehrenamt zu schauen, wo ich etwas zu einem größeren Ganzen beitragen kann.»
4. Ziele setzen und erreichen
Salchow: «Das Stecken und Erreichen von Zielen macht uns auch glücklich. Das bedeutet nicht, dass wir gleich ein Examen bestehen müssen oder einen Marathon laufen. Manchmal gibt es Situationen in unserem Leben, da ist es schon ein Ziel und eine Zielerreichung, wenn ich es einmal am Tag vor die Tür schaffe.
Wichtig für unser Glücksempfinden ist es, dass wir dieses Ziel wahrnehmen und auch dessen Erreichung – quasi dieses Innehalten: Schau mal, das habe ich geschafft!»
5. Gute Beziehungen zu anderen Menschen
Salchow: «Der absolute Faktor Nr. 1 für mehr Glück im Leben sind gute, unterstützende soziale Beziehungen. Dazu gibt es unter anderem die großangelegte Harvard-Grant-Studie, die seit 1936 läuft. Sie hat gezeigt, dass es dabei nicht darum geht, besonders viele davon zu haben. Es reichen die ein oder zwei in unserem Leben, die wir als unterstützend wahrnehmen.
Und das Gute daran: Es macht mich glücklicher, wenn ich etwas für jemand anderen tue, jemand anderen unterstütze, etwas zum Glück eines oder einer anderen beitrage, als wenn ich versuche, mich selbst glücklich zu machen. Ich habe es quasi in der Hand, die Beziehung unterstützend zu gestalten und zahle dabei gleichzeitig auf mein eigenes Glücks-Konto ein. Wenn das nicht zwei Fliegen mit einer Klappe sind.»
Und was steht dem Glück im Weg?
Eine Antwort auf diese Frage hat Robert Waldinger, der die Grant-Studie maßgeblich mitverantwortet und darauf basierend ein Buch geschrieben hat («The Good Life … und wie es gelingen kann: Erkenntnisse aus der weltweit längsten Studie über ein erfülltes Leben»).
Er teilt Glück in zwei Kategorien. Da ist das hedonistische Wohlgefühl, das bedeutet «Ich habe jetzt in diesem Moment eine gute Zeit». Und da ist das eudaimonische Wohlgefühl, «das Empfinden des eigenen Lebens als sinnvoll und grundsätzlich gut».
Während beim hedonistischen Wohlgefühl klar ist, dass wir Freude haben, ist es beim eudaimonischen Wohlgefühl nicht unbedingt so. Wer etwa seinem Kind zum x-ten Mal die gleiche Gute-Nacht-Geschichte vorliest, hat oft keinen Spaß dabei. «Aber ist es das sinnvollste, was man in dem Moment gerade tun kann? Ja.»
Glücklich sein geht nicht auf dem kurzen Weg
Oft gibt es einen Unterschied zwischen dem, was uns kurzfristig Spaß oder Freude bereitet und dem, was für uns wert- und sinnvoll ist. Jeder Mensch braucht beides, so Waldinger. Probleme mit dem Glück bekommen wir, wenn wir nur dem hedonistischen Glück hinterherjagen statt dem alltäglicheren, aber letztendlich bedeutenderen Glück.
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