Es ist, als wenn einem der Boden unter die Füße weggezogen worden wäre: Plötzlich ist man in einem tiefen mentalen Loch. Auslöser kann ein unerwarteter Jobverlust, eine Trennung, ein Unfall, eine schwere Enttäuschung oder auch eine Krankheitsdiagnose sein. Der seelische Schmerz, der sich nach einem solchen Tiefschlag einstellt, kann einem jegliche Kraft rauben. Energielos. Mutlos. Unendlich traurig. Verzweifelt. Quasi wie ohnmächtig. So fühlen sich viele, die in einer mentalen Krise stecken. Doch wie kommt man da wieder heraus?
1. Mit anderen reden und seinen Schmerz teilen
Nicht, indem man sich in sich selbst und sein Krisenerleben zurückzieht. «Das größte Problem bei der Sache ist, dass Betroffene sich häufig unendlich für ihre Krisensituation schämen», sagt Fiona Waltraud Berle, Life-Coach für Persönlichkeitsentwicklung in München und Stuttgart. Viele fühlen sich zumindest mitschuldig und werfen sich vor, nicht gut genug, unachtsam oder zu sorglos gewesen zu sein. In der Folge ziehen sie sich mehr und mehr zurück. «Das ist grundfalsch», so Berle.
Statt um Schuld gehe es darum, Verantwortung zu übernehmen – nämlich dafür, dass es einem (wieder) gut geht. Und auch die Scham gelte es, hinter sich zu lassen. «Reden Sie mit anderen Leuten», rät Berle. Das erleichtere ungemein. Oft mache man dabei zudem die Erfahrung, dass andere Ähnliches erlebt haben und Tipps geben können. Manchmal helfe es sogar, mit irgendjemand über irgendwas zu sprechen. Diese Ablenkung vom Grundproblem könne dazu führen, dass man mit einem Mal klarer seine Lebenssituation überblickt und sich eine Perspektive auftut.
2. Weinen und die Wut herauslassen
Dabei ist der Schmerz Teil der aktuellen Situation, weder kann noch sollte er ignoriert werden. Um wegzugehen oder erst einmal weniger zu werden, muss er raus, auch nonverbal. Auch das kann einen entlasten: «Wichtig ist, die Gefühle, die man aufgrund des Tiefschlags hat, nicht zu verdrängen, sondern sie herauszulassen», sagt Berle. Also einfach mal Weinen und Wut – zum Beispiel durch Schreien – freien Lauf lassen. Dies aber nicht zur Routine werden lassen. Irgendwann muss man sich sagen: Jetzt habe ich genug Tränen vergossen, genug Wut gezeigt – jetzt blicke ich nach vorne.
3. Sich bewusst jeden Tag etwas Gutes tun
Gerade in einer Krisensituation ist es von Vorteil, täglich bestimmte Routinen zu haben, die das eigene Wohlergehen fördern. Zum Beispiel jeden Tag mindestens 30 Minuten an die frische Luft gehen. Oder walken. Oder schwimmen. «Sport treiben ist gut, aber auch eine vitaminreiche Ernährung», sagt die Münchner Mental-Trainerin Bettina M. Reuss. Viel trinken ist ebenfalls wichtig, am besten Wasser oder ungesüßten Tee – möglichst auf Alkohol und Kaffee verzichten.
Auch Achtsamkeitsübungen können dazu beitragen, sich selbst besser wahrzunehmen. Zum Beispiel sich einfach mal fünf Minuten auf den Stuhl setzen und nichts tun, sondern nur bewusst zu atmen. Ebenfalls hilfreich: «Für etwa eine halbe Stunde nicht online sein und zum Beispiel das Handy ausschalten», rät Reuss. Das kann einen vor einem Zuviel an Informationen schützen.
4. Jeden Sonntag Ziele setzen für die neue Woche
Wer sich Ziele setzt, orientiert sich nach vorn. «Ziele erzeugen eine positive Zukunftserwartung», erklärt Berle. Man hofft darauf, dass sich etwas zum Guten wendet, wenn man dieses oder jenes unternimmt. Und zwar am besten konkret und in einem überschaubaren, klaren Zeitrahmen. Ziele können etwa sein «nächste Woche suche ich mir einen Therapeuten» oder «nächste Woche gucke ich mich nach einem neuen Arbeitgeber um».
Wichtig ist auch, für sich selbst eine Art Willen zur Macht zu formulieren und zu haben. Nämlich zur Macht über mich selbst. Etwa: Ich treffe eine Entscheidung. Oder: Ich nehme mir vor, aus der Krise herauszukommen und zu meinem früheren Lebensrhythmus zurückzukommen. «Somit lässt man das Opfer-Dasein hinter sich», sagt Berle.
5. Sich an die eigenen Heldentaten erinnern
Für alle, die sich nach einem Tiefschlag selbst Mut zusprechen möchten, kann es hilfreich sein, sich an die eigenen Erfolgserlebnisse aus der Vergangenheit zu erinnern. Berle nennt ein Beispiel: Jemand hat das für bestimmte Studienfächer so wichtige Latinum nicht bestanden, ist durchgefallen und hat schließlich aber mit ganz viel Willen und Disziplin die Prüfung doch noch geschafft. Wer sich an solche und andere «Heldentaten» erinnert, stellt mitunter auch mit Blick auf die aktuelle Krisensituation fest: Es könnte klappen, dass ich einen Ausweg finde.
Erfolge, die man in der Vergangenheit erzielt hat, kann man auf einen Zettel schreiben, sie gegebenenfalls noch mit Fotos versehen und an die Wand heften. «Ein solcher Walk of Fame nimmt positiven Einfluss auf die eigene Psyche und signalisiert einem: Ich kann was, ich bin was», erklärt Berle. So hat man Symbole für die eigenen Stärken.
Auch nützlich: Sich an alle Menschen im Leben erinnern, die hilfreich waren, auch die, die einen mit Worten aufgebaut haben. Etwa die Chefin, die nach einem verunglückten Kundentermin sagte, beim nächsten Mal wäre ich schon weniger nervös und würde es super schaffen, ich sei ja schließlich nicht dumm.
6. Sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen
Wer feststellt, dass er oder sie aus dem mentalen Loch nicht herausfindet, sollte sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. «Mitunter sind Betroffene derart mental ohnmächtig, dass sie nur mit einem Coach oder einer Therapeutin den Knoten im Kopf lösen können», sagt Reuss. Gemeinsam erarbeitet man dann eine Strategie mit dem Ziel: mit frischer Energie, einem gesunden Selbstbewusstsein und viel Zuversicht wieder ankommen und sogar durchstarten im Leben.
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