21. November 2024

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Unterwegs mit einem E-Gravel-Bike

Das Grade ist das erste E-Gravelbike der amerikanischen Marke GT, die vor allem mit BMX-Rädern bekannt wurde. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Stefan Weißenborn/dpa-tmn)

Gravelbikes boomen, E-Bikes boomen. Da war es nur eine Frage der Zeit, dass das E-Gravelrad kommt. Mehrere Hersteller haben ihre Schotterräder bereits elektrifiziert, von Stevens und Bergamont über Giant und Canyon bis Cannondale, Husqarna oder BMC.

Die meisten der Gravel-Stromer fahren derzeit mit kräftigen Mittelmotoren von Bosch oder Shimano, oder sie setzen auf den ebenfalls zentral platzierten Antrieb von Fazua, dessen Motor und Batterie entnehmbar sind. Kleiner ist die Auswahl der E-Gravelbikes mit unauffälligem Hecknabenmotor – darunter das Grade Amp der amerikanischen Marke GT Bicycles, das seit März auf dem Markt ist.

Der Einsatzzweck: Auch bei GT verkaufen sich Gravelbikes wie geschnitten Brot: «Es ist unsere bestlaufende Kategorie», sagt Marketing-Mitarbeiter Andreas Krajewski. Diese Art Fahrräder ist annähernd schnell wie ein Rennrad und sieht ebenso schnittig aus. Sie taugt aufgrund der breiteren Reifen aber auch für Forst- oder Schotterwege – die ihnen den Namen gaben («gravel», englisch für Schotter).

Das gilt auch für das Grade Amp, das sich damit für eine «spaßige Abendrunde» ebenso eigne wie für den Fahrradpendler, der Abkürzungen durch den Stadtpark nehme, so Krajewski. Geeignet sei das Modell ebenfalls für Fahrradwanderer, die sich im Bikepacking-Stil Flaschen und Taschen am Rahmen befestigen wollten. Die Grenzen zieht Krajewski dort, wo es für die Mountainbikes losgeht: Einen Waldweg könne man mit dem GT gut befahren, doch werde es zu wurzelig, biete das Bike ohne Federgabel zu wenig Komfort: «Es ist kein Rad für Trails.»

Die Technik: Als E-Bike gibt sich das Grade Amp kaum zu erkennen. In der Hinterradnabe verbirgt sich ein Motor. Ebenfalls unauffällig: der beleuchtete Power-Knopf auf dem Oberrohr, über den sich nacheinander auch die drei Unterstützungsstufen per Doppelklick anwählen lassen. Und dass im Unterrohr Batteriezellen verstaut sind, kann man auch nicht ahnen – viel dicker als ein gewöhnliches Alu-Unterrohr ist es nicht.

Ohne Abstriche gibt’s den Tarn-Look nicht. Die Batteriekapazität ist aus Platzgründen auf 250 Wattstunden begrenzt, etwa die Hälfte gegenüber den Konzepten von Bosch oder Shimano. Zudem lässt sich der Akku nicht ohne weiteres entnehmen, der Endkunde muss Strom über eine Steckverbindung am Fahrrad tanken. Dafür aber ist das Rad mit 13 Kilo (Größe M) recht leicht, lässt sich gut schultern und damit, falls nötig, auch zur nächsten Steckdose tragen.

Der Motor vom deutschen Automobil- und E-Bike-Zulieferer Mahle (Ebikemotion X35+) ist nicht nur optisch dezent, auch das maximale Drehmoment ist mit 40 Nm Newtonmeter gegenüber Mittelmotoren etwa halbiert. Dafür aber wird die Kraft direkt auf das Antriebsrad geleitet. Reibungsverluste über die Kette, die somit langsamer verschleißt, gibt es nicht.

Der Fahreindruck: Nichts wackelt, nichts klappert – das Grade Amp ist ein starres Stück Fahrrad, das sich direkt lenkt und trotzdem spurtreu bleibt. Der Motor zieht gut an, wird dann aber dezenter. Die Beschleunigung in Werkseinstellung fühlt sich zumindest auf ebener Strecke kraftvoll und direkt an. Am Berg ist indes schnell klar: Ein bärenstarkes E-MTB ist das Grade nicht. Seine Rennradgene spiegeln sich in der eher gebückten Sitzposition wider.

Dank der breiten Reifen kommt das GT-Bike selbst auf aufgewühlten Waldwegen vergleichsweise wenig ins Schlingern. Ist der Untergrund zu hart, besteht kein Zweifel über dessen Beschaffenheit – der harte Alurahmen gibt die Schläge nahezu ungedämpft an den Fahrer weiter.

Den Komfort verbessert auch die spezielle GT-Rahmengeometrie mit den weiter vorn am Oberrohr ansetzenden Sitzstreben nur dezent. Dabei soll diese Konstruktionsweise – Wiederkennungsmerkmal von GT – dem Sitzrohr deutlich mehr Flexibilität nach hinten geben, so der Hersteller. Besser lässt sich der Fahrkomfort steigern, indem man etwas Luft aus den 42 Millimeter breiten Profilreifen lässt, die dann auch eine bessere Traktion bieten.

Ausstattung, Zubehör, Peripherie: Verbaut sind Teile der Gravelgruppe GRX von Shimano – Schaltwerk, Kurbelarme und Kettenblatt tragen das GRX-Logo ebenso wie Griffe und Sättel der hydraulischen Scheibenbremsen mit 160-Millimeter-Discs vorn und hinten. Die 11-Fach-Kassette (11 bis 42 Zähne) entstammt der für All-Mountain-Bikes entworfenen SLX-Gruppe, die Kette kommt vom taiwanesischen Zulieferer KMC.

Was das E-Gravel zu einem kleinen Multitalent macht, sind die vielen Anbaupunkte. Auf dem Oberrohr lässt sich über zwei Bohrungen eine Rahmentasche befestigen, an Gabel-Ösen Lowrider-Gepäckträger. Selbst an den Sitzstreben können rechts und links Taschen und Halterungen angeschraubt werden – womit dem Bikepacking-Abenteuer nichts mehr im Wege steht.

Man könnte mit vier Flaschenhaltern am Rahmen fahren. Am Sitzrohr lässt sich alternativ ein Zusatzakku von 208 Wattstunden montieren, der über die Ladebuchse verkabelt wird und den Antriebsakku bei Bedarf nachlädt. So wird die Gesamtkapazität auf 458 Wattstunden gesteigert. Der «Range Extender» kostet 499 Euro extra und wiegt rund 1,65 Kilo inklusive Halterung. Für den Alltagsgebrauch lassen sich Schutzbleche ebenso anbringen wie über eine Bohrung am Vorbau eine batteriebetriebene Frontleuchte.

Zum Tarnlook trägt bei, dass dem Grade Amp als E-Bike ein Lenker-Display fehlt. Wer dies möchte, kann ersatzweise ein Smartphone mittels Halterung (nicht im Lieferumfang) am Lenker anbringen und die kostenlose «Ebikemotion»-App nutzen.

Diese verbindet sich via Bluetooth mit der Bordelektronik. Kostenlos angezeigt werden Daten wie Geschwindigkeit, Trittfrequenz oder Ladezustand der Batterie. Kartenmaterial zur Navigation kostet nach einer Testphase von drei Monaten jedoch extra: pro Region, zum Beispiel Europa, 4,49 Euro für ein Jahr, so Mahle. Die Unterstützungsstufen können Endkunden über den Punkt «Motorleistungskarten» verändern. Hier lässt sich etwa die Zusatz-Power des Motors verringern, um mehr Reichweite aus den Akkus zu holen.

Der Preis: Erhältlich ist das Grade Amp in vier Rahmengrößen. Es kostet ab 3199 Euro. Das elektrifizierte Grade gibt es alternativ auch in der Ausführung Grade Bold mit günstigeren Komponenten, das mit 2799 Euro gelistet ist.

Das Fazit: Gewichtseinsparung gegen Reichweite, das ist die Formel des GT Grade Amp, das deshalb recht preisgünstig ist und auch ohne Motorunterstützung recht mühelos gefahren werden kann. Wer keinen kräftigen Mittelmotor benötigt und Vielseitigkeit schätzt, freundet sich mit dem Konzept schnell an.

Von Stefan Weißenborn, dpa