Als 17-Jährige war Carola Bruch-Erfurth mit einem Austauschprogramm «vier wunderbare Wochen» lang an einer Schule im US-Bundesstaat Pennsylvania. «Das war ein gigantisches Erlebnis. Ich zehre heute noch davon», sagt die Gymnasiallehrerin für Deutsch und Englisch an der Integrierten Gesamtschule Kurt Schumacher im rheinland-pfälzischen Ingelheim.
Seit rund fünf Jahren ermöglicht Bruch-Erfurth dieses Erlebnis nun auch ihren Schülern – mit Hilfe des deutsch-amerikanischen Schüleraustauschprogramms GAPP (German American Partnership Program), das in diesem Jahr sein 50. Jubiläum feiert. Mehr als 400.000 Schüler beider Länder haben seit 1972 an dem vom Goethe-Institut und dem Pädagogischen Austauschdienst verwalteten und von den Außenministerien beider Länder sowie mehreren Stiftungen unterstützten Programm teilgenommen.
Programm richtet sich an Schüler zwischen 14 und 18 Jahren
Die Idee sei einst am Goethe-Institut in der Ostküstenmetropole Boston entstanden, sagt Molly Rowland, Geschäftsführerin von GAPP, das heute am Goethe-Institut in New York angesiedelt ist. Hauptsächlich richtet es sich an Schüler in Deutschland und den USA zwischen 14 und 18 Jahren, die etwa zwei bis vier Wochen in Gastfamilien und an Schulen in dem jeweils anderen Land verbringen und dann Gegen-Besuch von dort bekommen. Organisiert werden die Austausche von den jeweiligen Lehrkräften.
Ziel sei es, den Jugendlichen – darunter auch vielen, für die so etwas finanziell oder zeitlich sonst nicht möglich sei – den Alltag des jeweils anderen Landes näherzubringen, sagt Rowland. Dadurch unterscheide sich das Programm auch von anderen, vor allem kommerziellen Austauschprogrammen. «Was uns einzigartig macht ist wirklich, dass wir vielen Schülerinnen und Schülern diese Gelegenheit geben, die sie vielleicht sonst nicht hätten.»
Mehr als 800 Partnerschulen seien inzwischen auf beiden Seiten des Atlantiks registriert – verteilt über ganz Deutschland und die ganze USA. In den vergangenen zwei Jahren konnten wegen der Corona-Pandemie so gut wie keine Besuche stattfinden, das Programm wurde teilweise ins Internet verlegt. 2022 aber haben nun schon mehrere Besuche stattgefunden und zahlreiche weitere sind angesetzt.
Englischkenntnisse und Sozialverhalten entscheidend
Lehrerin Bruch-Erfurth aus Ingelheim war beispielsweise gerade mit ihrer Kollegin Katharina Wolf, neun Schülerinnen und vier Schülern der Jahrgangsstufen zehn, elf und zwölf, die sich bewerben mussten und dann unter anderem auf Basis von Englischkenntnissen und Sozialverhalten ausgesucht wurden, knapp vier Wochen lang in den US-Bundesstaaten Georgia und Tennessee unterwegs. Um die Kosten von rund 1000 Euro pro Schüler noch weiter zu reduzieren, sammelten die Teilnehmer im Vorfeld Spenden – etwa mit dem Verkauf von Waffeln und Keksen sowie Sammelbüchsen in Geschäften und im Schwimmbad.
Nach drei Tagen in Atlanta verbrachten die Jugendlichen drei Wochen lang in Gastfamilien in der Stadt Gallatin und besuchten gemeinsam mit ihren Austausch-Partnern die Station Camp High School. «Wir wurden ganz herzlich und mit Plakaten und Luftballons am Airport empfangen», sagt Bruch-Erfurth. «Wirklich richtig schön.» Die Jugendlichen seien «überwältigt» gewesen. «Von allem, nicht nur von der Größe des Landes, sondern auch von der Herzlichkeit, mit der wir empfangen wurden.»
Das Ganze sei aber kein Urlaub für die Teilnehmer gewesen, betont die 42-jährige Lehrerin. Unter anderem hätten die Jugendlichen in der Schule Referate beispielsweise über das deutsche Parteien- oder Gesundheitssystem halten müssen. Auf einem eigens angelegten Blog im Internet berichten die 13 Jugendlichen von ihren Erlebnissen – von Kirchenbesuchen, Marshmallows und Hot Dogs, Football und Baseball, «unglaublich einfachen» Mathe-Aufgaben und dem Abschlussball «Prom».
Heimweh nicht ausgeschlossen
Zwischendurch hätten einige von ihnen natürlich auch immer mal wieder getröstet werden müssen, sagt Bruch-Erfurth. «Vier Wochen sind lang und da kommt auch schon mal Heimweh auf. Das ist normal.» Auch ein «Kulturschock» bleibe nicht aus, beispielsweise wenn die Ansichten der Schüler und der Gastfamilien in einigen Hinsichten sehr weit auseinander lägen. «Tennessee ist ein republikanischer Staat und einige Familien haben eine andere politische Sichtweise als unsere Schülerinnen und Schüler.» Da sei dann drüber gesprochen worden. «Und das ist auch wichtig, um sich eine eigene Meinung zu bilden.»
Ihr Fazit beschrieben die Jugendlichen im Internet einstimmig als positiv: «Unvergesslich, einmalig, beeindruckend, inspirierend», schrieb eine Schülerin und ein Schüler fasste zusammen: «Unglaublich, freundlich, einzigartig, einmalig.»
In den USA biete das Programm auch die Möglichkeit, die Nachfrage nach Deutsch-Unterricht zu erhöhen, sagt Koordinatorin Rowland, die früher selbst im Bundesstaat North Carolina Deutsch unterrichtet hat. Hinter Spanisch und Französisch steht Deutsch derzeit etwa an dritter Stelle im Fremdsprachen-Unterricht an den Schulen des Landes. «Die Bedeutung eines solchen Austauschprogramms ist da nicht zu unterschätzen.»
Schüler kommen reifer zurück nach Hause
Als Lehrerin war Rowland 2015 selbst mit einer Kollegin und mehr als 20 Jugendlichen aus North Carolina vier Wochen lang an zwei Partnerschulen in Schorndorf bei Stuttgart und in Frankfurt. Die Entwicklung der Teilnehmer mache sie bis heute stolz, sagt Rowland. «Man sieht es einfach am Ende. Sie müssen sich in eine neue Familie in einem anderen Land integrieren. Sie schauen sich viele neue Sachen an. Man sieht einfach, dass sie etwas reifer zurück nach Hause kommen.» Die Kontakte zu den Gastfamilien und das Interesse an dem jeweils anderen Land blieben danach oft jahrelang bestehen.
In Ingelheim wird nun gespannt auf den Gegenbesuch aus Tennessee im Juni gewartet. Unter anderem eine Schifffahrt auf dem Rhein und ein Picknick an der Burg Rheinfels sind schon geplant. Die bleibenden «internationalen Freundschaften» seien für sie das Wichtigste, was ihre Schüler aus dem Programm mitnehmen könnten, sagt Lehrerin Bruch-Erfurth. «Dass man seinen Horizont erweitert und sieht, dass es so viel mehr gibt als nur Deutschland, die Europäische Union – oder umgekehrt. Dass man sich arrangiert mit verschiedenen Dingen und einfach auch Offenheit dem Anderen gegenüber mitbringt. Ich denke, das ist das Allerwichtigste, was wir gerade in der Welt brauchen.» Damit – wie ihr amerikanischer Kollege es formuliert – «die Freundschaft zwischen Amerika und Deutschland weiterbesteht und wir voneinander profitieren können».
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