23. November 2024

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Binaurale Beats: Können bestimmte Töne «high» machen?

Bestimmte digital erzeugte Töne, sogenannte binaurale Beats, versprechen die Stimmung zu verbessern. Die Wirkung ist jedoch umstritten. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jens Büttner/dpa)

Wer in einen Rauschzustand verfallen will, kann psychoaktive Substanzen rauchen oder schlucken. Doch möglicherweise geht es auch ganz anders. Bestimmte digital erzeugte Töne, sogenannte binaurale Beats, versprechen ähnliche kognitive oder emotionale Zustände hervorzurufen wie bestimmte Drogen.

Forscher haben erhoben, wie viele Menschen solche Töne – deren Wirkung umstritten ist – konsumieren. Eine kürzlich im Fachblatt «Drug and Alcohol Review» erschienene Studie stützt sich auf Antworten von mehr als 30.000 Menschen in 22 Ländern. Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei 27 Jahren. Von den Befragten hatte etwa jeder 20. in den vergangenen 12 Monaten binauralen Beats gelauscht.

Töne mit psychedelischer Wirkung

Der Großteil dieser Hörer (72 Prozent) tat das, um sich zu entspannen oder einzuschlafen. Etwa 35 Prozent gaben an, ihre Stimmung verändern zu wollen. Immerhin 12 Prozent hören die Beats nach eigener Aussage, um eine psychedelische Wirkung zu erzielen. Das heißt, dass Hörer und Hörerinnen die Töne als Ersatz oder Ergänzung zum Gebrauch psychoaktiver Drogen nutzen. Also Drogen, die das Nervensystem beeinflussen und Wahrnehmung, Stimmung, Kognition oder Verhalten verändern.

Ein binauraler Beat ist eine Klangillusion. Sie wird vom Gehirn erzeugt, wenn beide Ohren gleichzeitig zwei Töne hören, die sich in ihrer Frequenz leicht unterscheiden. Das Gehirn versucht dann, beide Töne miteinander in Einklang zu bringen. Dabei entsteht ein dritter Ton – der binaurale Beat. «Es wird angenommen, dass diese dritte Frequenz eine Reihe von Effekten hervorruft», erklärt Co-Autorin Naomi Smith von der Federation University Australia. Hinsichtlich des Genres lassen sich die binauralen Beats schwierig zuordnen. Einige Tracks klingen wie ein monotones Summen mit sich hervorhebenden helleren Tönen.

Stress abbauen und Konzentration fördern

Smith geht davon aus, dass die Beats therapeutisches Potenzial haben könnten. «Sie können Schmerzen lindern, Stress abbauen und die Konzentration verbessern», meint sie. Dies deute auf eine potenzielle Wirkung zur Verbesserung der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens von Menschen hin. Es müsse dazu jedoch noch mehr geforscht werden, so die Soziologin.

Christoph Reuter, Universitätsprofessor für Systematische Musikwissenschaft an der Universität Wien, ist ganz anderer Meinung. Er sagt, dass binaurale Beats «so gut wie keinen Effekt auf das menschliche Gehirn» haben. Sie würden weder psychedelische Effekte hervorrufen, noch seien sie für therapeutische Zwecke einsetzbar.

Effekte bisher nich nachgewiesen

«Der Mythos, dass binaurale Beats irgendetwas im Gehirn bewirken würden, stammt von Robert Allen Monroe», erklärt Reuter. Monroe gründete 1971 ein Institut mit dem Ziel, unter anderem beschleunigtes Lernen, luzide Träume und Nahtod-Erlebnisse zu erforschen. Hierfür ließ er sich 1975 die Anwendung eines amplitudenmodulierten Rauschens zur Erzeugung von schlafähnlichen Zuständen patentieren. Binaurale Beats waren noch nicht im Patent enthalten. Ein paar Jahre später ließ er sich die Verwendung von in Rauschen eingebetteten binauralen Beats patentieren, um gezielt bestimmte mentale Zustände zu erzeugen. «In der Forschung konnten die versprochenen Effekte bislang so gut wie nicht nachgewiesen werden», so Reuter.

Die Wissenschaftlerin Vera Abeln vom Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft der Deutschen Sportschule Köln ist differenzierter Ansicht: Zwar lasse sich die Wirkung der Beats auf das Gehirn wissenschaftlich nicht generell nachweisen. Aber: «Für Angstzustände, depressive Veränderungen und Schlaf- und Konzentrationsstörungen scheinen sie in Teilen gute Effekte zu erzielen.» Die Wirkung scheine aber individuell unterschiedlich zu sein. Ein Versuch, binaurale Beats im Therapiebereich zu verwenden, sei durchaus sinnvoll – schließlich stellten sie kein invasives Verfahren dar und hätten vermutlich weniger Nebenwirkungen als Pharmazeutika.

Von Luise Evers, dpa