Über Monate hat die Ständige Impfkommission (Stiko) gezögert – nun empfiehlt sie ab sofort auch gesunden Kindern zwischen fünf und elf Jahren eine Corona-Impfung.
Bislang war die Immunisierung nur für Kinder mit bestimmten Vorerkrankungen oder mit Menschen mit hohem Corona-Risiko im Umfeld angeraten. Bei der Aktualisierung handelt es sich um eine finale Empfehlung des Gremiums. Wichtige Fragen und Antworten im Überblick.
Was ist neu nach der Stiko-Entscheidung?
Allen gesunden Kindern empfiehlt die Stiko nun zunächst nur eine Impfstoffdosis eines mRNA-Impfstoffes – «vorzugsweise» mit dem Vakzin Comirnaty von Biontech in reduzierter Dosis. Laut Zulassung sei die Verwendung von Spikevax (Moderna) für Sechs- bis Elfjährige ebenfalls möglich. Für Kinder mit Vorerkrankungen rät das Gremium weiterhin zur Grundimmunisierung mit zwei Impfstoffdosen und zur Auffrischimpfung.
Gesunde Kinder sollen eine Grundimmunisierung mit zwei Impfdosen bekommen, wenn sie im Umfeld Menschen mit hohem Risiko für einen schweren Verlauf haben. Gesunde Kinder, die bereits eine zweimalige Impfung haben, sollen zunächst nicht noch mal geimpft werden.
Warum gab es bei Kindern lange keine generelle Empfehlung?
Das begründete die Stiko bislang damit, dass trotz zeitweise sehr hoher Infektionszahlen für Fünf- bis Elfjährige ohne Vorerkrankungen nur ein geringes Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung, Hospitalisierung und Intensivbehandlung bestehe. Zudem verwiesen die Experten wiederholt auf die noch zu geringe Datenlage zum Risiko seltener Impf-Nebenwirkungen.
Ihre jetzige Aktualisierung erfolge «nach sorgfältiger Abwägung aller verfügbaren wissenschaftlichen Daten», schreibt die Stiko. Pädiater und Stiko-Mitglied Martin Terhardt verwies in einem Briefing des Science Media Centers (SMC) im Vorfeld der Veröffentlichung auf die Dynamik der Pandemie – und auch der getroffenen Entscheidungen. Zudem habe sich zuletzt vor allem die Erkenntnis zur Sicherheit der Vakzine klar verbessert: So seien die bei Jugendlichen und Erwachsenen beobachteten Herzmuskelentzündungen in Folge einer Impfung bei jüngeren Menschen «verschwindend gering», betonte Terhardt. In Deutschland gebe es in der Altersgruppe keinen bewiesenen Fall.
Warum nur eine Dosis für gesunde Kinder?
Die Stiko-Experten argumentieren, dass die meisten Kinder in der Altersgruppe der Fünf- bis Elfjährigen schon Kontakt zum Virus durch eine Infektion gehabt hätten und so einen gewissen Immunschutz. Durch die einmalige Impfung könne man diesen Kindern «eine bessere Immunität, die sogenannte hybride Basisimmunität» vermitteln, erklärte Terhardt. Diese biete guten Schutz für die weiteren Verläufe und könne eventuell durch eine weitere Impfung später ergänzt werden.
Die Impfempfehlung werde vorsorglich ausgesprochen, weil ein erneuter Anstieg von Corona-Infektionen im Herbst und Winter zu erwarten sei, schreibt die Stiko. Die Experten stellen auch in Aussicht, dass die Frage, ob eine Vervollständigung der Grundimmunisierung oder eine Booster-Impfung bei Kindern notwendig werde, im Spätsommer – oder aber bei Wiederanstieg der Infektionszahlen – erneut bewertet würde.
Gilt die allgemeine Impfempfehlung auch für genesene Kinder?
Ja. Ist der Zeitpunkt einer durchgemachten Sars-CoV-2-Infektion bekannt, solle die Impfung frühestens drei Monate danach verabreicht werden, empfiehlt das Gremium. Dass viele Infektionen unbemerkt durchgemacht würden, sei aber kein Grund zur Sorge, so die Experten im SMC-Briefing: Bei einem geringeren Abstand als drei Monate seit Infektion gehen sie nicht von einer Gefährdung aus. Allenfalls könne der Immunschutz nach der Impfung weniger stark ausfallen als sonst.
Wo kann ich mein Kind impfen lassen?
Jörg Dötsch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), sagte im Gespräch mit der dpa, er denke, dass ein Großteil der Kinderimpfungen über die Kinder- und Jugendärzte erfolgen könne. Auch in den Impfzentren arbeiteten viele Fachkräfte, die auf jüngere Menschen spezialisiert seien. «Die Kapazitäten sind gut. Das heißt, grundsätzlich dürfte es, wenn sich Kinder und Eltern für die Impfung entscheiden, ausreichend Möglichkeiten geben.»
Wie viele Kinder in der Altersgruppe sind schon geimpft?
Das Impfangebot konnte bislang auf freiwilliger Basis nach ärztlicher Beratung schon von allen Kindern zwischen fünf und elf wahrgenommen werden. Laut aktuellem Impfquoten-Monitoring des RKI sind etwa 22 Prozent in der Altersgruppe mindestens einmal gegen Corona geimpft.
Wie fallen die Reaktionen auf die neue Empfehlung aus?
Die wissenschaftlichen Fachgesellschaften der Kinder- und Jugendmedizin und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte reagierten mit Zustimmung für die aktualisierte Empfehlung. Man unterstütze sie, da sie die weitere Pandemie-Entwicklung berücksichtige, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung.
DGKJ-Präsident Dötsch sprach von einer «guten und klug überlegten Entscheidung der Stiko in Richtung Individualschutz der Kinder». Schwere Krankheitsverläufe mit Krankenhauseinweisung bei Covid-19 seien zwar bei jüngeren Kinder sehr selten – wenn das Risiko aber nun durch die eine allgemeine Impfung noch minimiert werden könne, sei dies zu begrüßen.
Als Maßnahme vorranging zur Erhöhung der allgemeinen Impfquote will Dötsch die Kinderimpfung nicht verstanden wissen. «Der Individualschutz steht natürlich im Vordergrund. Wenn sich viele Menschen individuell schützen, schützt das aber auch die Gruppe als Ganzes, auch die Gruppe der Kinder, das ist klar.»
Was ist mit noch jüngeren Kindern?
Während für Jugendliche ab 12 Jahren schon länger eine generelle Stiko-Impfempfehlung gilt, gibt es für Kinder unter fünf bislang noch keinen zugelassenen Impfstoff. Allerdings tut sich hier etwas: Jüngste Studiendaten zeigten bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fünf Jahren nach drei Dosen Biontech-Vakzin starke Immunantworten und eine hohe Schutzwirkung, wie Biontech/Pfizer zu Wochenbeginn mitteilten.
«Wir bereiten derzeit die entsprechenden Unterlagen vor und gehen davon aus, dass wir den Einreichungsprozess für die Notfallzulassung in den USA noch in dieser Woche abschließen können», sagte Biontech-Chef Ugur Sahin laut der Mitteilung. Einreichungen bei der EU-Arzneimittelbehörde EMA und anderen Behörden weltweit sollten demnach in den kommenden Wochen folgen.
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