23. November 2024

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Adria: Renaissance an der Lagune von Grado

An der Mündung des Isonzo grasen Camargue-Pferde. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Alexandra Frank/dpa-tmn)

Auf dem Weg zur Schule lernen wir Vokabeln. «Barene», sagt unser Bootsführer Mirko und zeigt auf die flachen Landsteifen, die aus dem Wasser ragen. «Casoni», sagt er, als wir an schilfbedeckten Fischerhütten vorbeiziehen.

«Und das da», ruft er über das Tuckern des Motors hinweg und nimmt Kurs auf eine Insel, «heißt im Rest Italiens isola. Aber wir sagen dazu mota.»

Davon gibt es hier im äußersten Nordosten Italiens, zwischen Triest und Venedig, reichlich. Rund 100 Eilande säumen und durchbrechen das Wasser der Lagune von Grado, ein Mosaik aus Wasserflächen und Sandbänken, Sümpfen und Kanälen, Land und Meer.

Auf dem Stundenplan: Sonnen und schlemmen

Irgendwo in der Mitte liegt Anfora, eine ganz besondere «mota», denn hier steht die Schule der Inselwelt, die wir an diesem Tag aufsuchen wollen. Schulbänke und Tafeln wurden vor einigen Jahren durch Betten und Bäder ersetzt, die ehemaligen Klassenräume dienen als Gästezimmer und auf unserem Stundenplan steht nur: Sonne genießen und gut essen.

Schlemmen ist hier kein Problem, denn neben ein paar Hütten und der Schulherberge gibt es auf der Insel, die man in rund zehn Minuten zu Fuß umrundet hat, die alteingesessene Trattoria «Ai Ciodi»: ein paar Tische unter Bäumen, ein paar dösende Katzen.

Während die Kinder bäuchlings auf dem Hafensteg liegen, um Krebse an den hölzernen Pfeilern und Fische im glasklaren Wasser zu beobachten, unterhalten mein Mann und ich uns mit Cornelia, einer rundlichen Frau mit breitem Lächeln, die riesige Teller mit Fisch, gegrilltem Gemüse und frischer Pasta auf die rot-weiß karierten Tischdecken stellt.

Früher mal österreichische Riviera

«Unsere Insel hat eine lange Geschichte», sagt sie. Zur römischen Kaiserzeit diente Anfora als Zwischenstopp und Lager der nahen Stadt Aquileia. Das brachte ihr den Namen «Insel der Amphoren» ein.

Später hielt sich Kaiserin Maria Theresia häufig in der Region auf und ließ die Inselschule errichten, um den Kindern der Fischer zu mehr Bildung zu verhelfen. «Die ganze Region hier wurde als österreichische Riviera vermarktet», sagt sie.

Vom trubeligem «Riviera»-Charme merkt man heutzutage auf Anfora nichts. Abends, wenn die letzten Tagesgäste abgelegt haben, hat man die «mota» für sich allein.

Eine Renaissance bei deutschen Urlaubern?

Ganz anders geht es in Grado zu, dem lebhaften Zentrum der Lagune, in das wir nach einer Nacht auf Anfora zurückkehren. Auch Grado ist eine Insel, aber durch eine Dammstraße und eine Brücke mit dem Festland verbunden. Zwei frühchristliche Basiliken erheben sich in der Altstadt, Fußbodenmosaike erinnern an die Römer, mittelalterliche Gassen und eine Strandpromenade laden zum Schlendern ein.

«Der Ort war schon Ende des 19. Jahrhunderts ein beliebtes Urlaubsziel», sagt Thomas Soyer, Hotelbesitzer und Chef des Tourismusverbands Grado. Während österreichische Urlauber aufgrund der geografischen Nähe stets an die Lagune gekommen sind, erlebt die norditalienische Küstenregion in seinen Augen bei Deutschen zurzeit eine Art Renaissance.

«Aufgrund von Corona, aber manchmal auch aus wachsendem Klimabewusstsein verzichten viele bewusst auf Flugreisen», glaubt er. Stattdessen besinnen sie sich an die Orte, die sie vielleicht noch aus ihrer Kindheit kennen.

Städte und Natur in Reichweite

Von Häfen und goldgelben Stränden gerahmt lockt Grado vor allem Familien an. Am Ufer wehen die blaue und die grüne Fahne, die für gute Wasserqualität und kinderfreundliche Strände stehen. «Aber Grado ist mehr als Meer», sagt Soyer. «Die wenigsten Urlauber wollen heutzutage 14 Tage lang nur am Strand liegen.»

Die idyllische Stadt Udine und das mondäne Triest an der Grenze zu Slowenien liegen nur einen Katzensprung entfernt. Oder man fährt mit dem Rad in die Naturschutzgebiete Valle Cavanata und Foce dell’Isonzo ganz im Osten der Lagune, wo wir den Biologen Matteo de Luca treffen.

«Früher hat man Naturschutz immer abgekoppelt vom Tourismus betrachtet», sagt er. «Heute ist beides miteinander verzahnt.» Wie in Grado befindet sich vor dem Nationalparkzentrum in Valle Cavanata ein Stand mit Leihfahrrädern, hölzerne Stege führen zu Aussichtstürmen. Fluss-Seeschwalben rascheln im Schilf, Graugänse ziehen durch die Luft und im Wasser suchen Flamingos nach kleinen Fischen.

Und wer dem Fahrradweg weiter zur Flussmündung des Isonzo folgt, wird mit dem Anblick weißer Camargue-Pferde belohnt, die auf der Halbinsel Isola della Cona grasen. «Cavallo», raunt de Luca unseren Töchtern zu und zeigt auf die Tiere. Wieder eine neue Vokabel.

Lagune von Grado

  • Anreise: Der nächste Flughafen liegt in Triest, der nächste Bahnhof «Cervignagno-Aquileia-Grado» in Cervignano del Friuli – von Bahnhof und Airport fahren Busse nach Grado.
  • Reisezeit: Für einen Badeurlaub mit angenehmen Temperaturen und kaum bis wenig Niederschlag am besten Ende Mai bis September reisen. Frühling und Herbst bieten sich für Wander- oder Radreisen an.
  • Informationen:Consorzio Grado Turismo, Viale Dante Alighieri 72, 34073 Grado (Tel.: 0039 0431 80383; E-Mail: info@gradoturismo.org)
Von Alexandra Frank, dpa