Sonne, Leichtigkeit, Urlaub – vielen Menschen tut der Sommer gut. Aber nicht allen. Einigen schlägt die warme Jahreszeit auf die Psyche.
Das kann bis hin zu einer depressiven Verstimmung reichen, bei der sich ein grauer Schleier über den Sommer legt. Und auch das beste Stracciatella-Eis der Welt bereitet dann keine Freude mehr.
Im Vergleich zur Winterdepression ist die Sommerdepression deutlich weniger bekannt. Auch wenn sie seltener vorkommt: Sie ist ebenso eine Form der saisonal abhängigen Depression – und damit mehr als ein Blues. Andreas Hagemann, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie erklärt, was dahintersteckt und welche Anzeichen man ernstnehmen sollte.
Herr Hagemann, warum kann es im Sommer zu depressiven Verstimmungen kommen?
Im Winter ist es vor allem das fehlende Sonnenlicht und die erhöhte Produktion des sogenannten Schlafhormons Melatonin, was zu einer depressiven Verstimmung führen kann. Das ist natürlich im Sommer anders.
Die Wissenschaft vermutet, dass die Melatonin-Produktion des Körpers im Sommer durch das viele Sonnenlicht gedrosselt wird – und biochemische Prozesse im Körper durcheinandergewirbelt werden.
Abgesehen davon ist Stress ein Faktor, der die Entstehung einer Depression begünstigt. Und wenn man im Sommer die Erwartung hat «Ich muss das genießen und alle um mich herum sind fröhlich und happy» – und die dann nicht erfüllt wird, bedeutet das großen Stress und Druck.
Woran erkennt man eine sogenannte Sommerdepression?
Während bei der Winterdepression eine gedrückte Stimmung, Antriebsschwäche und ein verstärktes Hungergefühl im Vordergrund stehen, ist das bei der Variante im Sommer etwas anders. Sie äußert sich etwa durch innere Unruhe und ein vermindertes Hungergefühl, aber auch durch Schlafstörungen. Aufmerksam werden sollte man auch, wenn man es zum zweiten, dritten, vierten Mal erlebt, dass man im Sommer diese Symptome hat. Natürlich ist nicht jedes Stimmungstief eine Depression. Aber wenn man für 14 Tage in so einem Loch steckt, sollte man darüber nachdenken, sich professionelle Hilfe zu holen.
Der erste Ansprechpartner ist idealerweise der Hausarzt oder die Hausärztin. Er oder sie kann dann weiter verweisen.
Und was können Betroffene selbst tun, damit es ihnen besser geht – auch parallel zu einer professionellen Behandlung?
Alles, was Stress reduziert und hilft, herunterzufahren. Das können ganz unterschiedliche Dinge sein: zum Beispiel Sport oder Entspannungsverfahren wie progressive Muskelrelaxation, Yoga oder Meditation. Man sollte allerdings nicht direkt Wunder erwarten. Wenn man einmal Yoga macht, ist man wahrscheinlich nicht direkt total ausgeglichen und entspannt. Gut ist, wenn eine Routine aus verschiedenen Bausteinen einkehrt, auf die man zurückgreifen kann. Auch dann, wenn sich in Zukunft eine Erkrankung anbahnt.
Zur Person: Andreas Hagemann ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Ärztlicher Direktor der Privatklinik Eschweiler in der Nähe von Aachen.
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