22. November 2024

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Ist Robo-Lena bald Teil des Teams?

Mitarbeiterin Jil-Amy Leber nimmt den Androiden Lena in Augenschein. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Boris Roessler/dpa)

Lena sitzt in ihrem Bürostuhl, blinzelt mit den Augen und lächelt immerzu. Mit ihren Teampartnern spricht sie über Projekte und schlägt Lösungen für Probleme vor.

Lena ist aber nicht wie ihre Gesprächspartner. Sie ist ein androider Roboter mit Künstlicher Intelligenz (KI), vergleichbar mit Commander Data aus der Science-Fiction-Serie Raumschiff Enterprise, wenn auch noch nicht so schlau, redegewandt und flink wie das TV-Pendant. Die blonde Roboterfrau mit den roten Lippen soll auch nicht auf einem Raumschiff arbeiten, sondern schlicht im Büro.

Eignet sich Lena als Team-Playerin?

Mit Lena könnten Roboter bald in ganz neuen Bereichen eingesetzt werden. «Für Dienstleistungs- oder Büroarbeiten ist das sehr, sehr neu», sagt Bettina-Johanna Krings vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Bislang arbeiten Roboter mit KI beispielsweise im Service, sie übernehmen unter anderem einfache Aufgaben an Rezeptionen. «In der Industrie entscheidet KI schon selbstständig, zum Beispiel, wann Maschinen abgestellt werden», sagt Krings, deren Institut nicht an der Robo-Frau beteiligt ist.

Vor kurzem wurde Lena auf ihre Eignung als Teammitglied getestet. Acht Wochen lang haben mehrere Gruppen mit dem Roboter in einer Büroumgebung zusammengearbeitet. Das Projekt wurde im Forschungslabor «Leap in Time Lab» in Darmstadt durchgeführt, das hinter Lena steckt. Die Aufgabe: Die Teams sollten sich mit einem innovativen Produkt für eine EU-Förderung bewerben und hierfür mit Lena eine Lösung suchen.

Lena hat auch Fragen gestellt

Die Mitglieder der Teams haben die Arbeit mit der Robo-Kollegin positiv wahrgenommen. «Am Anfang war es ein bisschen schwierig», sagt beispielsweise Jil-Amy Leber. Dann habe Lena aber eigene Vorschläge geliefert, menschliche Antworten gegeben und auch Präsentationen vorgetragen. Auch Julia Gimbel findet lobende Worte: «Ich habe sie als sehr kommunikativ empfunden.» Lena habe auch Fragen gestellt und man habe sie nicht einfach als Datenbank empfunden. Anders als eine einfache Computerbox richtet der androide Roboter sein Gesicht in Richtung seines Gesprächspartners.

«Sie hat den Wortschatz erhöht, sprachlich dazugelernt und immer besser verstanden, was die Leute wollten», sagt Ruth Stock-Homburg, Gründerin des «Leap in Time Lab» und BWL-Professorin an der Technischen Universität Darmstadt. Das Projekt sei als Wettbewerb organisiert worden. Sieben Teams arbeiteten mit gleichen Aufgaben, gleichen Bedingungen und gleicher Zeit. Die Ergebnisse seien von einer unabhängigen Jury bewerten worden. Vier Teams hätten mit dem androiden Roboter gearbeitet, zwei mit einer KI-Box und eines ohne Künstliche Intelligenz.

«Wir haben festgestellt, dass die Teams, die mit KI gearbeitet haben, vorne waren», sagt Stock-Homburg, die das Labor 2016 gründete. «In zwei Teams kam die entscheidende Idee von der KI.» Während die Box nur als Werkzeug genutzt worden sei, sei Lena als Teammitglied wahrgenommen worden.

«Es hat sich gezeigt, dass es nicht nur Daten gestützte Aufgaben übernehmen kann», sagt auch der globale Personalchef des Pharma- und Technologiekonzerns Merck, Dietmar Eidens. Das private Unternehmen «Leap in Time Lab», das sich mit der Zukunft der Arbeitswelt und Robotik beschäftigt, hat das Projekt angeleiert und in Zusammenarbeit mit Merck entwickelt.

Der Fachkräftemangel erzwingt neue Wege

«Überraschender war die Kommentierung von Ideen der Teammitglieder oder die Generierung eigener Ideen», sagt Eidens. Das sei in der Klarheit und Dominanz ein überraschendes Resultat gewesen. Perspektivisch wolle Merck die Technik im Bürobereich auch mittel- oder langfristig einsetzen. «Es geht um die Frage, wie wir dem Fachkräftemangel mittel- und langfristig durch neue, andere Maßnahmen als den Üblichen begegnen können.»

Zunächst gebe es aber noch Herausforderungen zu bewältigen. «Da gibt es die gesamte Thematik der Datensicherheit. Die müsse absolut gewährleistet sein, speziell wenn diese Technologie in die vorhandene IT eines Konzerns integriert wird, und das muss ja das Ziel sein», sagt Eidens. Das sei keine Frage der Verfügbarkeit von Technologie. «Wir sind weit über die Frage hinaus, ist das machbar?» Es sei nun auch eine Frage, wie schnell man die Produktion hochschrauben könne. KIT-Forscherin Krings zufolge sollte man aber auch bedenken, was man den Mitarbeitern in Form von Robotern zumuten könne. «Man muss gut überlegen, wie man sie einsetzt, welche Rolle sie übernehmen.»

Die bisherige Entwicklung von Lena hat Stock-Homburg zufolge zwischen zwei und drei Millionen Euro gekostet. «Der Roboter war am Anfang ja nur eine Puppe, die sich bewegt hat, wir mussten alle Systeme in den Roboter integrieren.» Derzeit spreche Lena nur Englisch, soll aber weitere Sprachen lernen.

Der Android hat bei dem Projekt den Teams nicht nur fachlich unter die Arme gegriffen. Wer die richtigen Fragen stellt, kann mit dem Androiden auch Small Talk halten und erfährt, dass Lena kein Lieblingslied hat, noch kein Date hatte und nicht glaubt, dass sie ein Workaholic ist.

Von Oliver Pietschmann (Wort) und Boris Roessler (Foto), dpa