Die Bundesfamilienministerin blickt ernst in die Kameras, während sie die jüngsten Daten zur Gewalt in Partnerschaften präsentiert: «Fast jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch ihren derzeitigen oder vorherigen Partner. Das ist die Realität», sagt Lisa Paus.
Und dabei macht sie von vornherein klar: Der leicht rückläufige Trend, den die Statistik für das Jahr 2021 ergeben hat, könnte nur ein vorübergehendes Tief sein. Hier ein Überblick über die neuen Daten die das Bundeskriminalamt (BKA) am Donnerstag vorgestellt hat.
Opferzahl geht 2021 leicht zurück
Wie aus der BKA-Statistik hervorgeht, registrierten die Behörden für das Jahr 2021 insgesamt 143.604 Opfer von Gewalt, die von Partnern oder Ex-Partnern ausging. Im Vergleich zum ersten Corona-Jahr 2020 ist die Zahl damit um drei Prozent zurückgegangen. Der Gesamttrend der letzten Jahre ist allerdings ein anderer: Zwischen 2017 und 2021 stieg die Zahl der Betroffenen um 3,4 Prozent.
Insgesamt beziehen sich die BKA-Daten auf Fälle, bei denen die Ermittlungen 2021 abgeschlossen wurden. Die Tat selbst kann dabei schon früher begangen worden sein – auch wenn der Großteil den Angaben zufolge tatsächlich 2021 begangen wurde (mehr als 139.000).
Die Statistik lässt generell aber offen, ob Täter bestraft wurden, welche Strafen sie erfahren haben und ob Ermittlungen eventuell eingestellt wurden. Dazu erhoffe man sich künftig Erkenntnisse, betont BKA-Präsident Holger Münch.
Was Gewalt genau bedeutet
Der Begriff Partnerschaftsgewalt umfasst sowohl psychische als auch physische Gewalt. In 59,6 Prozent der Fälle handelte es sich 2021 um vorsätzliche einfache Körperverletzung – beispielsweise Ohrfeigen oder Anspucken.
Dahinter sind Fälle von Bedrohung, Stalking und Nötigung erfasst (24,2) und an dritter Stelle die gefährliche Körperverletzung (12,2 Prozent). Deutlich seltener kommt es zu vollendetem Mord oder Totschlag: 2021 registrierten die Behörden 121 solcher Fälle. 109 Opfer waren weiblich, 12 männlich.
Frauen deutlich stärker betroffen
«Wenn Männer Frauen töten, weil sie Frauen sind, dann ist es angemessen und auch notwendig, von «Femizid» zu sprechen», sagt Innenministerin Faeser. Der Statistik zufolge waren 80,3 Prozent der Betroffenen weiblich.
Auch bei den Verursachern der Gewalt gibt es eine klare Geschlechtertendenz: Sie geht überwiegend von Männern aus (78,8 Prozent), die meisten davon deutsche Staatsangehörige (65,6 Prozent). Der Anteil weiblicher Tatverdächtiger ist in den vergangenen Jahren jedoch leicht gestiegen – auf nunmehr 21,2 Prozent (2020: 20,6 Prozent).
Hellfeld versus Dunkelfeld
Die offiziellen Daten geben nur das sogenannte Hellfeld wider, also die Zahl angezeigter Fälle. Laut Polizei dürfte die Dunkelziffer deutlich größer sein. Schätzungen zufolge gehen zwei Drittel der weiblichen Opfer nicht zur Polizei. Das BKA geht außerdem davon aus, dass die Corona-Pandemie negative Effekte auf das Anzeigeverhalten gehabt haben könnte – auch wenn die Polizeistatistik selbst nicht auf signifikante Anstiege durch Maßnahmen wie Lockdowns hinweist.
Um etwas mehr Licht ins Dunkelfeld zu bringen, läuft derzeit unter Beteiligung der Ministerien und des BKA eine repräsentative Befragung zu Gewalterfahrungen, die nicht der Polizei gemeldet wurden. Innenministerin Faeser appelliert an alle Betroffenen, sich an die Polizei oder entsprechende Beratungsstellen zu wenden.
Mehr Taten im Internet
Leicht angestiegen ist die Zahl der Taten, die im Internet begangen wurden: So lag etwa der Anteil der Bedrohungen von Partnern oder Ex-Partnern im Netz bei 6,6 Prozent – 2020 waren es noch 4,8 Prozent.
Die Polizei führt dies auch auf die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität zurück. Das 2021 in Kraft getretene Gesetz sieht unter anderem vor, dass Drohungen und Beleidigungen im Netz von den Anbietern sozialer Netzwerke dem BKA gemeldet werden müssen.
Hilfsangebote
Die beiden Bundesministerinnen versprechen, das Hilfsnetz für betroffene Frauen und Männer bundesweit ausbauen zu wollen. Derzeit gebe es 350 Frauenhäuser in Deutschland, sagt Paus. Das sei aber viel zu wenig. Rund um die Uhr ist für betroffene Frauen in ganz Deutschland das Hilfetelefon «Gewalt gegen Frauen» erreichbar. Die Leiterin Petra Söchting berichtet, dass die Zahl der Anrufe im ersten Corona-Jahr 2020 um 15 Prozent gestiegen sei. Seitdem sei dieses höhere Niveau konstant geblieben.
Für betroffene Männer – immerhin knapp 20 Prozent – ist das Beratungsangebot im Vergleich noch ausbaufähig. Laut Ministerin Paus gibt es zwar ein Hilfetelefon für Männer, das sei aber nicht rund um die Uhr erreichbar. Auch das solle sich perspektivisch ändern.
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