Von Aschermittwoch (14. Februar) bis Ostern keine Schokolade, kein Social Media: Denken Sie beim Wort «Fastenzeit» auch in erster Linie an Verzicht? Wir verbieten uns selbst Dinge, die doch eigentlich Spaß machen. Wofür? Das Leben ist doch anstrengend genug.
Bastian Willenborg hat auf diese Frage gleich mehrere Antworten. «Wir nehmen uns beim Fasten natürlich schon etwas weg», räumt der Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie ein. «Aber wir schaffen dadurch Bewusstsein für alltägliche Gewohnheiten. Und wir können herausfinden, welche davon wir ganz automatisiert machen.»
Verzichten wir eine Weile auf den Griff in die Süßigkeiten-Schublade oder darauf, in der Kneipe ein Bier zu bestellen, können wir uns selbst beobachten: Was macht der Verzicht mit uns, wie sehr vermissen wir etwas?
So können wir überprüfen, was uns tatsächlich Genuss und Freude bringt. Und was vielleicht nur eine schlechte, auf Dauer ungesunde Gewohnheit ist, von der wir uns trennen können.
Trifft Letzteres zu, kann die Fastenzeit der Startpunkt sein, Dinge langfristig umzukrempeln. Also zum Beispiel in der Bar mit Freundinnen und Freunden künftig nicht reflexartig das Glas Wein zu bestellen, sondern vorab bewusst zu entscheiden: Will ich heute überhaupt Alkohol trinken – oder tut mir eher eine Apfelschorle gut?
Wir gewinnen ein gutes Gefühl – und noch viel mehr
Es geht aber nicht nur um das Danach: Schon während wir unseren Fasten-Vorsatz durchhalten, werden wir mit einem richtig guten Gefühl belohnt: Selbstwirksamkeit – so nennt sich das gute Gefühl, unser Leben selbst in der Hand zu haben. «Wir merken also: Nicht mein Verhalten hat Kontrolle über mich, sondern ich habe Kontrolle über mein Verhalten», sagt Bastian Willenborg. Das steigert unser Selbstwertgefühl und damit auch unsere psychische Stabilität.
Und auch wenn wir verzichten, gewinnen wir etwas: Das kann Zeit für Aufgaben sein, die wir schon immer mal erledigen wollten – und die plötzlich da ist, weil wir weniger am Smartphone scrollen. Oder wir machen die Erfahrung: Wenn wir am Samstag ganz ohne Prozente feiern gehen, haben wir mehr vom Sonntag.
Wie geht man das Fasten-Projekt am besten an?
Fasten ist nicht gleich fasten. Es gibt Menschen, die aus einer religiösen Tradition heraus fasten. So wie es auch beim muslimischen Fastenmonat Ramadan der Fall ist, der in diesem Jahr am 10. März beginnt.
Es gibt Menschen, die eine Ernährungsumstellung anpacken wollen – und zum Beispiel in der Fastenzeit vegetarisch essen oder Intervallfasten ausprobieren. Fasten kann aber auch abseits der Ernährung passieren: kein Instagram, keine Snooze-Funktion des Weckers, keine Klamottenkäufe etwa.
Den Grundgedanken des Fastens können wir auf unser Leben anpassen. Unter einer Bedingung: «Es sollte ein realistisches Ziel sein», sagt Bastian Willenborg, der an den Oberberg Kliniken Bonn und Essen tätig ist.
Und ein bisschen Leichtigkeit sollte immer bleiben. Wenn wir nicht nur uns selbst den Crêpe mit Schokocreme verkneifen, sondern die Leckerei voller Zucker und Palmfett auch unserem Umfeld ausreden wollen, «dann fängt das Fasten an, persönliche Beziehungen zu belasten», so Willenborg.
Und auch wenn im Leben gerade viel los ist und der Gedanke an die Fastenzeit einfach nur Stress auslöst, ist das Grund genug, damit auszusetzen. Wer Willenborg zufolge ebenfalls lieber aufs Fasten verzichten sollte – zumindest auf Formen, die Verzicht auf Essen bedeuten: Menschen mit einer Essstörung.
Wenn die Fastenzeit endet: Wie geht es weiter?
Und wie geht es weiter, wenn die Fastenzeit vorbei ist? Bastian Willenborg rät, sich vorher zu überlegen, womit genau man wieder einsteigen möchte. Was viele nach der Fastenzeit erleben: Sie können bestimmte Produkte wieder zelebrieren und genießen.
Und so lohnt es sich, sich mit dem Ende der Fastenzeit etwas Besonderes zu gönnen. «Wer auf Fleisch verzichtet hat, kann sich vornehmen, sich ein gutes Stück Fleisch in Bio-Qualität zu kaufen. Oder wer auf Alkohol verzichtet hat, lässt sich in der Weinhandlung beraten und kauft sich eine tolle Flasche Rotwein», schlägt Willenborg vor.
Vielleicht regt sich aber auch die Sorge, die Kontrolle zu verlieren, wenn man sich auf einmal wieder alles erlaubt, sich etwa schon mit einem Eimer Popcorn und drei Tafeln Schokolade auf dem Sofa liegen sieht? Bastian Willenborg kann da beruhigen.
Die Fastenzeit dauert schließlich etwa sechseinhalb Wochen. Das ist ein Zeitfenster, in dem sich neue Gewohnheiten durchaus etablieren können – und alte damit verdrängen. Gut möglich, dass man in dieser Zeit ein besseres Gefühl für den eigenen Körper und dessen Signale bekommen hat – und der gar nicht mehr so viel Schokolade und Gummibärchen verlangt wie früher. «Ich kenne Menschen, die Intervallfasten probiert haben und durch diese bewusstere Ernährung auf einmal viel mehr Lust auf gesündere Dinge, Gemüse oder Salat, hatten.»
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