Nicht jeder oder jede sieht sich selbst gern im Spiegel oder auf Fotos lächeln. «Wären meine Zähne doch bloß nicht so schief» oder «Bestimmt gucken alle auf meine Zahnlücke» sind Gedanken, die vielleicht durch den Kopf schießen.
Aber das muss nicht so bleiben. Schließlich gibt es auch für Erwachsene Schienen, die bestimmte Zahnfehlstellungen korrigieren können. Aligner (von engl. «align» für «ausrichten») heißen sie. Diese Schienen sitzen auf dem Gebiss auf. Weil sie transparent sind, fallen sie optisch oft gar nicht auf. Und sie behindern auch nicht beim Sprechen oder Lachen. Beim Essen und Zähneputzen entfernt man sie. In Summe sollte man Aligner für etwa 22 Stunden am Tag tragen.
Auf den ersten Blick scheint es praktisch, dass man solche Aligner auf eigene Faust im Internet ordern kann. Aber ist das eine gute Idee?
Oft fehlt ärztliche Begleitung
Es gibt eine Reihe von gewerblichen Anbietern, die Zahnfehlstellungen mit Alignern korrigieren. Viele von ihnen versuchen, über soziale Medien Kunden und Kundinnen zu finden. Dabei versprechen sie zum Beispiel, die Behandlung bei ihnen sei preisgünstiger als bei einem Zahnarzt oder einer Fachärztin für Kieferorthopädie. Eine leichte Fehlstellung etwa soll schon für weniger als 2000 Euro korrigiert werden können.
Und so läuft die Behandlung ab: Oft steht am Anfang ein Termin in einer Partner-Praxis, bei dem ein Kieferorthopäde oder eine Zahnärztin einen Abdruck des Kiefers nimmt. Einige Anbieter fordern Patientinnen und Patienten aber auch dazu auf, selbst Abdrücke zu machen und einschicken.
Auf dieser Basis erstellen die Anbieter die Aligner. Es ist gleich ein ganzer Schwung, denn nach sieben bis 14 Tagen muss man in aller Regel die Schiene wechseln. Ein Computer berechnet dafür am Anfang, wie sich das Gebiss unter der Therapie weiter verschiebt.
Die Kontrolle der Bisslage und des Behandlungsverlaufes erfolgt nicht selten über Handyfotos, die die Patienten selbst erstellen. «Es gibt leider Unternehmen, die Alignerbestellungen ohne oder mit minimaler ärztlicher Begleitung anbieten», sagt Prof. Peter Proff. Er ist Direktor der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Regensburg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie.
Auch der Hamburger Zahnarzt Konstantin von Laffert kritisiert die Vorgehensweise vieler gewerblicher Anbieter. «Eine entscheidende Aufgabe wie etwa die Abdrucknahme des Gebisses kann man nicht einem Laien beziehungsweise dem Patienten selbst überlassen.»
Kontrolle über Fotos reicht nicht aus
Aber selbst wenn nicht der Patient den Abdruck nimmt, sondern ein Profi: Die Kontrolle von Behandlungen über Fotos «ist absolut unzureichend», sagt von Laffert, der Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer ist. Kontrollen hätten in Präsenz bei einer Zahnärztin oder einem Kieferorthopäden zu erfolgen. «Auch telemedizinische Möglichkeiten sind kein Ersatz für die nötigen Untersuchungen vor Ort durch eine Ärztin oder einen Arzt», findet er.
Die Folge: Tritt im Zuge der Behandlung über einen Aligner-Hersteller ein Problem auf, stehen Patientinnen und Patienten meist alleine da.
Das kritisieren auch die Verbraucherzentralen, die gewerbliche Zahnschienen-Anbieter im Jahr 2021 einem Marktcheck unterzogen haben. «Das Geschäftsmodell kann für Sie problematisch werden, wenn die Behandlung nicht verläuft wie erhofft», heißt es von den Verbraucherschützern. Sie haben außerdem festgestellt, dass kein Anbieter ausreichend über mögliche Risiken und Alternativen aufklärt.
Übersehene Parodontitis kann fatal enden
Zahnarzt Konstantin von Laffert zeigt an einem Beispiel, welche Folgen ein Aligner aus dem Internet haben kann. Angenommen, eine Frau möchte mit einem Aligner eine winzige Lücke in ihrer Zahnfront am Oberkiefer schließen – und bestellt einen Aligner.
Weil aber manche Anbieter die Zähne zuvor nicht vom Facharzt untersuchen und ein Röntgenbild erstellen lassen, wird womöglich übersehen, dass die zu bewegenden Zähne durch eine Parodontitis gelockert sein könnten. «Die Patientin riskiert somit schwere Schäden bis hin zum Zahnverlust», so von Laffert.
Zudem besteht das Risiko einer Fehlbehandlung des Kiefergelenks. Die Folgen davon können Nacken- und Kopfschmerzen, Migräne und Mundöffnungsstörungen sein. «Am Ende bleiben die Patienten zudem auf den Kosten für eine Zweit- oder Nachbehandlung sitzen», sagt Peter Proff.
Ärztinnen und Ärzte müssen über Grenzen aufklären
Dabei können Aligner durchaus effektiv eine leichte Fehlstellung von Zähnen korrigieren – wenn das unter Kontrolle von Profis passiert.
Kieferorthopäden oder Zahnärztinnen mit kieferorthopädischen Fachkenntnissen kennen nicht nur die Möglichkeiten, Grenzen und Risiken von Alignern. Sie müssen Patientinnen und Patienten auch im persönlichen Gespräch darüber aufklären. «Zudem können Ärzte auch bei Problemen und unvorhergesehenen Befunden während einer Behandlung kompetent reagieren», so Peter Proff.
Es gibt auch Alternativen
Ihm zufolge hängt die Behandlungsdauer mit Alignern von der jeweiligen Problematik ab, es können bis zu zwei Jahre werden. Die Schienen müssen Patienten in aller Regel privat bezahlen. Wie teuer es genau wird, ist individuell, man muss sich auf Kosten von mehreren Tausend Euro einstellen.
Zu Alignern gibt es auch Alternativen. Verbreitet sind etwa festsitzende Zahnspangen in Form von Brackets. Hierbei handelt es sich um Plättchen, die direkt von innen oder außen auf den Zahnschmelz geklebt werden. In diesen Brackets befindet sich ein Bogen, der die Zähne in die gewünschte Stellung bringt.
Ob Aligner, Brackets oder doch eine andere Lösung: Wie sich Zähne am besten in Form bringen lassen, diese Entscheidung treffen Facharzt und Patient am besten gemeinsam – und zwar nach einer ausführlichen Diagnostik und Aufklärung.
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