Sie gehen mit digitalen Technologien natürlich und spielerisch um, schließlich sind sie damit aufgewachsen. Kommen neue Tools auf den Markt, haben sie die Nase vorn. Logisch, dass die 14- bis 20-Jährigen auch von KI-basierten Tools wie ChatGPT magisch angezogen werden.
Doch diesmal sind die Digital Natives auch verunsichert. Das hat Jugendforscherin Beate Großegger beobachtet. Wie die wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Jugendkulturforschung in Wien darauf kommt, erklärt sie im Interview.
Frage: Laut einer Studie der Vodafone-Stiftung nutzen 74 Prozent der Generation Z Chatbots, insbesondere ChatGPT. Warum ist das für sie so ein cooles Ding?
Beate Großegger: Im schulischen und universitären Zusammenhang können Jugendliche kaum der Versuchung widerstehen, sich die Ausbildung leichter zu machen und sich mit KI-Tools Zeit, Energie und «Hirnschmalz» zu sparen. Wie wir in unserer Forschung sehen, ist ChatGPT bei den Jugendlichen inzwischen auch ein beliebtes Recherchetool. Während Ältere noch ganz klassisch googeln, um sich zu einem Thema einen Überblick zu verschaffen, und sich Informationen selbst zusammenstellen, suchen Jugendliche via Chatbot gleich nach einer Zusammenfassung und einem schnellen Ergebnis.
Frage: Ist das nicht sogar smart?
Großegger: Damit ändert sich das Qualitätsbewusstsein. Im Sprachunterricht zeigt sich inzwischen das Phänomen, dass es dank der KI-Nutzung und fertigen Textbausteinen nun keine sehr schlechten Texte mehr gibt, aber auch keine Super-Texte. Es setzt sich stattdessen Mittelmaß durch.
Pädagogische Kräfte und Ausbilder machen sich bereits Gedanken, was es bedeutet, wenn eine ganze Generation die To-dos an ChatGPT delegiert und das «Lernen lernen» verlernt.
Hat man bisher Eltern oder Ältere mit Fachwissen um Rat gefragt oder sich auf der Suche nach einer Lösung mit gleichaltrigen Leuten ausgetauscht, fragt man künftig die KI. Ich befürchte, am Ende wird sich keiner mehr zutrauen, Problemlösungen zu erarbeiten. Und das beeinflusst die Erfahrung der Selbstwirksamkeit. Am Ende steht eine Generation, die das Gefühl verliert, etwas mit persönlicher Anstrengung bewirken zu können.
Mir ist klar, dass man die KI in der Bildung und Ausbildung nicht mehr wegradieren kann. Weil sich Lernende nun helfen lassen, ist für mich auch die klassische Abschlussarbeit passé. Ich empfehle, dass Schulen handlungsorientierten Projektunterricht stärken sollten und das Augenmerk auf Präsentationen mit einem konkreten Thema legen. Wenn man sich selbst ein Thema kreativ erarbeiten muss, stärkt das die Selbstwirksamkeitserfahrung.
Frage: Was passiert, wenn eine Generation nicht mehr in der Lage ist, sich etwas allein zu erarbeiten?
Großegger: Es eröffnet die Gefahr, dass sowohl die Fähigkeit zu konzeptionellem Denken als auch zu kreativem Denken verloren geht. Wer sich das Leben erleichtert, weil er alles delegiert, wird bei plötzlichen Problemen überfordert sein.
Schon jetzt bemerkt man, dass die Generation ChatGPT verunsichert ist. Sie nutzt zwar die zeitsparende KI, blickt aber nicht mehr durch, wie sie funktioniert. Man läuft Gefahr, Sklave der Technologie zu sein. Deshalb wünschen sich gerade Jugendliche proaktiv von der Politik eine vorausschauende Digitalisierungsstrategie. Das ist schon mal etwas ganz Neues.
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