«Und wann ist es bei euch so weit?» Irgendwann kommt sie immer – die Frage nach Kindern. Dass Fortpflanzung zu einem erfüllten Leben zwangsläufig dazugehört, schwingt mit. Besonders Frauen werden oft als unvollständig wahrgenommen, wenn sie keine Mütter sind. Und auch keine Mütter sein wollen.
«Zu einer gesellschaftlich als Normalität anerkannten Vorstellung gehört immer noch, dass Frauen einen Partner finden und eine Familie gründen. Frauen, die das nicht tun, wird von weiten Teilen der Gesellschaft unterstellt, dass sie keinen erfolgreichen Lebensentwurf hinbekommen», sagt Claudia Rahnfeld. Die Professorin für Sozialwissenschaften an der Dualen Hochschule Gera-Eisenach hat gemeinsam mit ihrer Kollegin Annkatrin Heuschkel untersucht, warum Frauen kinderlos bleiben wollen.
Denn Studien zu diesem Thema gibt es bislang kaum. «Kinderlosigkeit wird immer mit ungewollter Kinderlosigkeit in Verbindung gebracht. Es wird erst einmal unterstellt, dass jede Frau, jeder Mann Kinder möchte», sagt Rahnfeld. Von den Forscherinnen befragt wurden 1100 Frauen im Alter zwischen 18 und 45 Jahren und die Ergebnisse widersprechen einer ganzen Reihe der gängigen Vorurteile. Dass Frauen sich der Karriere wegen gegen Kinder entscheiden. Oder weil es mit den Beziehungen einfach nicht klappt.
Aber die Studie hat gezeigt, «dass die Frauen mehrheitlich in glücklichen Partnerschaften leben und sich bewusst gegen Kinder entscheiden, weil sie den Kinderwunsch schlichtweg nicht haben. Sie sind sich bewusst, was Kinder bedeuten, wie viel Zeit und Energie sie benötigen. Und sie möchten ihre freie Zeit anders gestalten», zählt Rahnfeld auf. Die Karriereplanung oder die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Familien mit Kindern spielten dagegen eine untergeordnete Rolle.
Viele Frauen entscheiden sich schon sehr früh gegen Kinder
Überrascht hat Rahnfeld auch, dass Frauen die Entscheidung, kinderlos zu leben, oft schon sehr jung treffen: Jede Zweite entschloss sich dazu bereits vor ihrem 21. Lebensjahr. «Das Vorurteil, dass dabei eigene schwierige Familienverhältnisse eine Rolle spielen, konnten wir widerlegen. Die Mehrheit der Frauen, die wir befragt haben, bewertet die eigene Kindheit als glücklich», sagt die Sozialwissenschaftlerin. Der Entschluss, dennoch keine eigenen Kinder zu bekommen, sei in der Regel «eine zutiefst aktive Entscheidung, die wenig mit äußeren Gegebenheiten zu tun hat».
Doch das Idealbild der Vater-Mutter-Kind-Familie ist gesellschaftlich tief verankert. Keinen Kinderwunsch zu verspüren, kann deshalb erst einmal ziemlich irritieren. «Man traut dem eigenen Gefühl oft nicht», sagt Sina Scheithauer. Sie coacht Frauen und Paare, die im Entscheidungsprozess für oder gegen Kinder stecken, und dass sie das tut, hat viel mit eigenen Erfahrungen zu tun.
Babys im Umfeld sorgten für Störgefühl und merkwürdigen Gedanken
«Bis Mitte 20 war für mich gesetzt, dass ich Kinder bekomme», sagt Scheithauer. Aber je mehr Babys im Freundeskreis zur Welt kamen, umso mehr verspürte sie «ein Störgefühl, eine Dissonanz aus dem, was ich im Außen gesehen und im Inneren gefühlt habe». Immer klarer sei ihr geworden, «dass ich das nicht will, während ich zugleich den merkwürdigen Gedanken hatte, dass man sich doch nicht gegen Kinder entscheiden darf». Sie habe sich «selbst sehr im Weg gestanden», bis sie sich klar war in ihrer Entscheidung für ein kinderfreies Leben.
Innere Glaubenssätze, Erwartungen in der Familie: Es ist nicht ganz einfach, unbeeinflusst herauszufinden, ob man mit oder ohne Kinder leben möchte. «Man sollte sich erst mal eine Phase des Ankommens in der eigenen Entscheidung einräumen», sagt Sina Scheithauer.
Sie rät: «Man muss nicht, nur weil man sich entschieden hat, kinderfrei zu leben, darüber sofort mit jedem sprechen.» Gerade innerhalb der Familie, möglicherweise mit Eltern, die gern Großeltern würden, sei dieses Gespräch ohnehin «eine Riesenherausforderung». «Umso sicherer man selbst mit der Entscheidung wird, umso weniger hat man das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen», sagt die Coachin.
Ein Freundeskreis mit ähnlichem Lebensmodell ist wichtig
In der Partnerschaft allerdings «würde ich das Thema so früh wie möglich ansprechen», empfiehlt Scheithauer. Kind oder kein Kind – einen Kompromiss gibt es in dieser Frage nicht, aber möglicherweise «Möglichkeiten sich anzunähern, um eine vielleicht ansonsten ja intakte Partnerschaft zu bewahren». Glücklicher machen Kinder eine Partnerschaft offenbar nicht: Studien sehen in der Zufriedenheit keinen nennenswerten Unterschied zwischen Paaren mit Kindern und Kinderlosen.
Was sich allerdings zumindest einige Jahre lang deutlich unterscheidet, sind der Alltag und Themen, die ihn dominieren. «Das bedeutet nicht, dass man seinen Freundeskreis mit Kindern aufgeben muss», sagt Sina Scheithauer: «Aber es ist wichtig, dass ein Teil des Umfelds aus Menschen mit einem ähnlichen Lebensmodell besteht.»
Ob gewollt oder ungewollt: Kinderlosenquote hat sich verdoppelt
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die sogenannte «endgültige Kinderlosenquote» bei Frauen fast verdoppelt, seit etwa zehn Jahren liegt sie recht stabil bei rund 20 Prozent. Ermittelt wird dieser Wert bei Frauen zwischen 45 und 49 Jahren, also dann, wenn die Menopause einsetzt und Frauen nicht mehr schwanger werden können. Abgefragt wird sie im Rahmen des Mikrozensus. Ob die Frauen gewollt oder ungewollt keine Kinder haben, wird nicht ermittelt, ebenso wenig die Kinderlosigkeit bei Männern.
Die Generation der Millennials, geboren zwischen Anfang der 80er und Mitte der 90er Jahre, «könnte die erste Generation mit einer größeren Gruppe von Frauen sein, die sich bewusst und offen gegen Kinder entscheiden», sagt Sina Scheithauer. Ressentiments allerdings erleben sie immer noch.
Manche der von Claudia Rahnfeld befragten Frauen berichteten auch von beruflichen Nachteilen: Man sprach ihnen die Kompetenz ab, bei Themen, die mit Kindern und Familie zu tun haben, mitreden zu können. «Es wäre», ist die Wissenschaftlerin überzeugt, «gesellschaftlich viel gesünder, wenn ein kinderloses Leben nicht als Misslingen bewertet würde, sondern als gleichberechtigtes Lebensmodell. Das würde vielleicht verhindern, dass Frauen, obwohl sie es nicht wollen, doch Kinder bekommen – und es später bereuen.»
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