Kinder kann das unglücklich machen: Ohne Mitbestimmung haben Eltern eine Entscheidung getroffen. In der Folge verändert sich das Leben für die ganze Familie.
Grund dafür kann ein Umzug sein, weil die Wohnung im anderen Stadtviertel größer und günstiger ist, aber leider zu weit entfernt von der bisherigen Grundschule. Ein lukratives Jobangebot in einer anderen Stadt oder die Entsendung für einige Jahre an einen Firmenstandort im Ausland. Oder Eltern müssen erkennen, dass ihre Beziehung als Paar nicht mehr funktioniert und sie sich trennen sollten – mit allen damit verbundenen Konsequenzen für die gemeinsamen Kinder.
Die meisten Eltern wägen lange ab. Was ist wichtiger – das eigene Glück oder das der Kinder? «Die allermeisten Eltern wollen doch im Prinzip immer das Beste für ihr Kind», sagt Psychologe Claus Koch, der unter anderem erforscht, wie Bindungen zwischen Eltern und Kindern entstehen und was sie beeinflusst. Sein Kind traurig zu machen, passt nicht in dieses Konzept. Und ist doch manchmal nicht zu umgehen.
Eltern wollen sich nicht unbeliebt machen
Eltern falle es zunehmend schwerer, in solche Situationen zu gehen, beobachtet Mathias Voelchert. Er ist Gründer und Leiter von Familylab, einem Beratungszentrum für Familien. «Sie haben eine furchtbare Angst davor, sich bei ihren Kindern unbeliebt zu machen.» Doch sie sollten als eine Art Sparringspartner zu einer Entscheidung stehen, findet Voelchert. Das sei vergleichbar mit «einem Trainingspartner, der möglichst viel Widerstand leistet und möglichst wenig Schaden anrichtet.»
Das heißt auch: die Reaktionen der Kinder gelassen aushalten, selbst wenn Tränen fließen und Türen knallen. Das gelingt am besten, wenn die Eltern mit sich und ihrer Entscheidung im Reinen sind. «Es ist wichtig, dass sie ihren Kindern ihre Gründe plausibel, wohlwollend und optimistisch darlegen», sagt Claus Koch.
Das bedeute nicht, dass den Kindern keinerlei Mitsprache eingeräumt werden dürfe. Denn es gibt immer Spielräume in der Ausgestaltung, wenn beispielsweise die Entscheidung für den Umzug in eine andere Stadt gefallen ist. «Man kann sie in die Entscheidung über die Wohnung in der neuen Stadt einbeziehen», sagt Mathias Voelchert. Oder regelmäßige Wochenendausflüge in die alte Heimat vereinbaren.
Ortswechsel fällt kleinen Kindern leichter
Besonders viel verändert sich am gewohnten Umfeld, wenn es mit der Familie für einige Jahre ins Ausland gehen soll, möglicherweise in einen ganz anderen Kulturkreis. Die Psychotherapeutin Stefanie Guth betreut online vor allem Kinder und Jugendliche, die sich schwer tun mit dem Wechsel in ein anderes Land. «Je jünger die Kinder sind, desto leichter fällt ihnen der Ortswechsel, weil sie noch sehr eng an die Eltern gebunden sind», sagt sie.
Jugendliche dagegen steckten «mitten im Ablöseprozess». Während eines Auslandsaufenthalts rücke man als Familie aber oft enger zusammen, weil man gemeinsam fremd sei und neue Freundschaften erst mühsam aufgebaut werden müssten. «Die Jugendlichen fragen sich oft, was ihnen noch bleibt, wenn sie sich von der Familie lösen», sagt die Psychologin.
Manche Kinder brauchen Unterstützung, um mit der Veränderung klarzukommen. Die Anzeichen variieren: Einige werden stiller, andere suchen übertrieben die Aufmerksamkeit oder reagieren bei nichtigen Anlässen aggressiv. Koch rät für das Gespräch zu Ich-Botschaften: «Ich habe das Gefühl, dass du gerade sehr traurig bist. Kann ich dir dabei helfen, dich wieder besser zu fühlen?» Eine prompte Antwort sollte man nicht erwarten: «Oft dauert es ein paar Tage, bis die Kinder sich dann doch öffnen.»
Schuldgefühle helfen nicht
Viele Eltern plagen sich mit Schuldgefühlen, weil es ihren Kindern nicht gut geht. Das hilft denen aber nicht – wichtiger wäre es, die eigenen Gefühle zu reflektieren, betont Stefanie Guth: «Manchmal übertragen Eltern ihre Sorgen auf die Kinder.» Vätern gelinge oft der sachlichere Blick, deshalb könne es helfen, sich zunächst als Paar auszutauschen, um dann den Kindern gegenüber einig aufzutreten. Die Eltern bei wichtigen Entscheidungen uneins zu erleben, verunsichere Kinder nur zusätzlich.
Das allerdings ist kaum umsetzbar, wenn über eine Trennung entschieden werden muss. «Sie bedeutet für Kinder einen viel schwereren Einschnitt als beispielsweise ein Umzug», sagt Claus Koch: «Der Wunsch, dass die Eltern zusammenbleiben, ist ungemein stark.» Weil man den nicht erfüllen könne, sei umso wichtiger, «die Elternebene von der Paarebene zu trennen und als Eltern für die Kinder präsent zu bleiben.»
Um ihr Ohnmachtsgefühl zu überwinden, kann den Kindern ein gewisses Maß an Gestaltungsfreiraum helfen. Etwa, wenn es um die Frage geht, wie viel Zeit sie künftig bei Vater und Mutter verbringen. Manche Kinder bewältigen auch solche schwierigen Veränderungen scheinbar mühelos – und überraschen ihre Eltern dann Jahre später mit Vorwürfen. «Auch junge Erwachsene machen noch wichtige Entwicklungsphasen durch, in denen in bestimmten Situationen Ohnmachtsgefühle wieder aufbrechen können», so Koch.
Familienberater Voelchert rät, Äußerungen ernst zu nehmen, aber nicht als persönlichen Angriff zu verstehen – und stattdessen lieber zu sagen: «Das tut mir sehr leid. Gibt es etwas, was ich nun für dich tun kann?» Sich immer wieder auseinanderzusetzen mit unterschiedlichen Gefühlen und Bedürfnissen, gehöre zum Familienleben dazu: «Mit Kindern zusammenzuleben, ist eine Wachstumsveranstaltung, keine Harmonieveranstaltung.»
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