Kinder ab 12 Jahren sollen sich in Deutschland vom 7. Juni an generell gegen Corona impfen lassen können. Das beschlossen Bund und Länder nun auf einem Impfgipfel in Berlin. Voraussetzung ist, dass die EU-Arzneimittelbehörde EMA den bisher ab 16 Jahren freigegebenen Impfstoff von Biontech/Pfizer auch für diese Altergruppe zulässt.
Die EMA will darüber an diesem Freitag (28. Mai) beraten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte das Ziel, «dass bis zum Ende des Sommers jeder Bürgerin und jedem Bürger ein Impfangebot gemacht wird». Das solle auch die 12- bis 16-Jährigen einschließen.
In ihrem Beschluss legen Bund und Länder fest, dass sich Kinder und Jugendliche ab 12 nach einer Zulassung «ab dem Ende der Priorisierung, also in der Regel ab dem 7. Juni, in vergleichbarer Weise wie bei anderen Impfwilligen, die keiner Priorisierung unterliegen, um einen Impftermin insbesondere bei den niedergelassenen Ärzten bemühen» können. Merkel sagte zu, Kinder mit Vorerkrankungen würden vorrangig geimpft würden – wenn die Ständige Impfkommission (Stiko) dies in ihrer erwarteten Empfehlung rät. Das gelte dann ähnlich wie für Erwachsene.
Rolle der Ständigen Impfkommission
Die Stiko will binnen anderthalb Wochen ihre Bewertung abschließen, wie Stiko-Mitglied Martin Terhardt im RBB sagte. Eine Variante könne eine Impfempfehlung nur für chronisch Kranke sein. Einer generellen Empfehlung für eine Impfung steht ein Mangel an Daten über mögliche Risiken von Infektionen und Impfungen entgegen.
Merkel erläuterte: «Die Impfung von Kindern ist ein sehr sensibler Akt.» Die Stiko werde fragen, wie groß der Nutzen und wie groß der Eingriff sei. Die Stiko werde sich nur davon leiten lassen: «Was bedeutet das für das einzelne Kind?»
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte: «Es ist am Ende eine wohlabgewogene Entscheidung von Kindern, Eltern, Ärztinnen und Ärzten.» Als Kriterien nannte er: «Was sind Vorerkrankungen, was ist die persönliche Situation, die familiäre Situation, welchen Nutzen gibt es, welche Risiken gibt es auch einer Covid-19-Infektion, die natürlich auch über die Altersgruppen unterschiedlich sind?»
Impfangebot
Merkel sagte, auch nach dem 7. Juni werde nicht allen ein Angebot gemacht werden können. «Wir haben dafür keine zusätzlichen Impfstoffe», sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), der der Ministerpräsidentenkonferenz vorsitzt. Für die Kinder ab 12 können laut dem Bund-Länder-Beschluss in den Ländern auch Angebote in Impfzentren gemacht oder spezifische Programme aufgelegt werden. Die Gesundheitsminister der Länder hatten bereits beschlossen, dass bis Ende August allen Kindern ab zwölf Jahren ein Impfangebot gemacht werden soll.
In einem Bericht an die Länder hatte das Bundesgesundheitsministerium die Rechnung aufgemacht, angesichts von 5,3 Millionen Menschen zwischen 12 und 18 und einer angenommenen Impfbereitschaft von 60 Prozent gebe es Bedarf von jeweils 3,18 Millionen Dosen für die Erst- und die Zweitimpfung.
Impfen und Schule
Merkel betonte: «Ein sicherer Schulbetrieb wird auch in Zukunft völlig unabhängig von der Frage sein, ob ein Kind geimpft ist oder ob ein Kind nicht geimpft ist.» Für Kita- und Grundschulkinder gelte dies mangels zugelassenen Impfstoffs ohnehin. «Es soll auch kein indirekter Zwang entstehen.»
Dies gelte auch für den Urlaub. «Sowohl im europäischen Ausland als auch in Deutschland kann man auch, wenn man keine Impfung hat, Urlaub machen, weil die Testungen dann als Voraussetzungen für die Urlaubsangebote natürlich vollkommen ausreichen werden», sagte Merkel.
Die rechtlichen Bedingungen
Wer haftet, wenn es nach dem Impfen Komplikationen gibt? Laut Alexander Ehlers, Arzt und Fachanwalt für Medizinrecht, wäre eine Impfung von Kindern ab 12 Jahren also ohne rechtliche Einschränkungen möglich, sobald die Zulassung der EMA erfolgt ist – auch ohne Stiko-Empfehlung. Wenn Ärztinnen und Ärzte sich aber auf sie berufen wollten und dann möglicherweise trotz erfolgter Zulassung ohne Stiko-Empfehlung keinen Impfstoff an Kinder verteilen wollten, liege das in ihrem persönlichen Entscheidungsraum.
Sei die EMA-Zulassung erfolgt, liege die Haftung für alle mit dem Impfstoff und seiner Herstellung zusammenhängenden Komplikationen nach einer Impfung beim Hersteller, erklärte Ehlers. Die impfenden Ärzte seien aber immer für die individuelle Prüfung der Verabreichung und Aufklärung über Eignung, Risiken und Nutzen der Impfung verantwortlich.
Grundsätzlich, so Ehlers, könnten Ärztinnen und Ärzte auch ohne EMA-Zulassung des Impfstoffs für Kinder und Jugendliche diese impfen und zwar «im Rahmen der Therapiefreiheit». Die Zulassung selbst sei die Vertriebsgenehmigung für den Hersteller. Allerdings seien Ärztinnen und Ärzte dann im rechtlichen Rahmen bei Komplikationen allein verantwortlich. Das gelte auch für die Impfung von Kindern unter 12 Jahren. «Dann würde die Ärzte das volle Risiko treffen. Das würden sie nicht tun, denke ich, da fehlen die Daten», sagte Ehlers weiter.
Dennoch könne die Stiko-Empfehlung bei der Haftungsfrage auf Länderebene eine wichtige Rolle spielen. Bei einer offiziell von einem Land empfohlenen Impfung greife bei möglichen Impfschäden teils die sogenannte Staatshaftung mit entsprechenden Entschädigungsansprüchen ans Land, erklärte Ehlers. Diese Landesempfehlung erfolge in der Regel auf Basis der Stiko-Empfehlung. Im Fall von Impfschäden greift dann laut Gesetz das soziale Entschädigungsrecht – Geschädigte könnten auf Geld vom Staat hoffen.
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