Von Scheidungen über Streitigkeiten zwischen Eltern und Kindern bis zur Klärung von Erbschaften: Seit Beginn der Corona-Pandemie sind die Anfragen von Familien nach professioneller Streitschlichtung durch eine Mediation nach Einschätzung von Experten stark gestiegen.
Die Sprecherin der Frankfurter Regionalgruppe des Vereins der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation (BAFM), Petra Krauß, schätzt, dass sich die Zahlen verdoppelt haben. Genaue Daten konnte sie nicht nennen. BAFM-Geschäftsführerin Swetlana von Bismarck rechnet nach eigenen Worten damit, dass die Nachfragen wegen sinkender Inzidenzwerte bald weiter anziehen, da wieder mehr Mediationen in Präsenz stattfinden können.
Neue Konflikte in der Corona-Krise
«Gerade vor dem Hintergrund der Corona-Krise zeigt sich, dass eskalierende Familienkonflikte ein gesellschaftlich dringliches Thema sind», erklärt Krauß. Die Wahrscheinlichkeit von Auseinandersetzungen nehme durch die Ausnahmesituation in einer Pandemie zu. «Neu ist etwa, dass getrennte Paare sich nicht einigen können, ob ihre Kinder in Zeiten von Corona die Kita besuchen sollen oder nicht.» In einer Mediation könne darüber auf neutralem Boden diskutiert und ein gemeinsamer Nenner gefunden werden.
Vorteil des Verfahrens sei, dass Lösungen in den Sitzungen gemeinsam erarbeitet würden. «Die Medianden äußern ihre Wünsche, Zukunftsideen und Vorstellungen, wie es etwa nach einer Scheidung weitergehen soll», sagt Sabine Langhirt, Mediatorin und Vorstandsmitglied der BAFM-Regionalgruppe Frankfurt. «In Mediationen können neue Familienkonstellationen erarbeitet werden und so beispielsweise zwischen Eltern vermittelt werden. Dann können getrennte Paare meist trotz einer Scheidung weiterhin etwa Familienfeste zusammen besuchen.» Wichtig sei, dass stets beide Partner mit den getroffenen Absprachen einverstanden sind und diese von beiden als gerecht empfunden werden.
Komplizierter würden die Sitzungen oft, wenn viele finanzielle Aspekte von Ehepaaren geklärt werden müssten. «Gibt es viele Vermögensgegenstände oder komplexe Einkommenssituationen, können sich Mediationen durchaus in die Länge ziehen», erklärt Langhirt.
Finanzen, Emotionen und Rachegelüste
Dies traf etwa im Fall eines Paares zu, das sich nach 32 Ehejahren trennte. «Da wir vier gemeinsame Kinder haben, ein Haus, das uns zu gleichen Teilen gehört, sowie Vermögen angespart hatten, war uns eine gütliche Einigung sehr wichtig», erklärt eine Mediandin von Langhirt, die anonym bleiben möchte. In intensiven Gesprächen in einem wertschätzenden Rahmen habe man mit der Mediatorin eine für beide Seiten befriedigende Lösung erarbeiten können. «Es sollte im Interesse aller Paare mit Trennungswunsch liegen, für ein später gelingendes Leben eine gute Einigung zu finden», erklärt sie. Ein nachhaltiger Groll auf den Ex-Partner mache unfrei und unglücklich.
Starke Emotionen, Rachegelüste oder großes Misstrauen zwischen den Medianden belasteten oft die Gespräche in den Sitzungen. «In solchen Fällen erstrecken sich die Mediationen häufig über einen Zeitraum von acht bis zwölf Monate», erklärt Krauß. Eine neunzigminütige Sitzung koste zwischen 80 und 200 Euro, sei insgesamt allerdings meist günstiger als ein Gerichtsverfahren mit mehreren Anwälten.
Im Fall eines Ehepaares, das sich nach 20 Jahren Beziehung ohne Kinder trennte, reichten drei Sitzungen mit Langhirt aus. «Uns gefiel, dass die Parteien sich in gegenseitigem Einvernehmen und in Gesprächen die Lösung ihres Konfliktes selbst erarbeiten», erläutert der Mediand, der ebenfalls seinen Namen nicht nennen möchte. Emotionen, Gedanken und Finanzen habe man so sortieren können, dass er und seine Frau zwar nicht mehr verheiratet, aber noch befreundet seien.
«Internationalen Tag der Mediation» am 18. Juni
Auch der Richterbund Hessen sieht Mediationen als ein sinnvolles Mittel neben der gerichtlichen Rechtsprechung. Das teilt Christine Schröder, Sprecherin des hessischen Landesverbandes, mit. «Insbesondere bei Streitigkeiten auf dem Gebiet des Familienrechts eignet sich Mediation zur Konfliktlösung besonders gut.» Bei Konflikten unter Verwandten könne das Verfahren sinnvoll eingesetzt und so gerichtliche Auseinandersetzungen vermieden werden.
Da das Hilfsangebot vielen Betroffenen allerdings nicht bekannt ist, veranstalten der BAFM und andere deutschsprachige Mediationsverbände den «Internationalen Tag der Mediation». Am 18. Juni können Interessierten an kostenlosen Online-Workshops, Diskussionen und Sprechstunden teilnehmen und mit Mediatoren und Mediatorinnen in Kontakt treten. Das Angebot richtet sich an Menschen in Konflikten, an Berater, an Professionelle, die von Konflikten hören und helfen wollen und auch an Mediatoren selbst.
Was ist eine Familienmediation?
Im deutschen Recht steht der Begriff «Mediation» für die Suche nach einer außergerichtlichen Konfliktlösung. Die Streitenden erarbeiten unter Leitung eines Mediators eine Lösung, die von allen Beteiligten akzeptiert werden kann.
Der Mediator ist dabei externer, unabhängiger und neutraler Dritter. Mediatoren haben keine Entscheidungskompetenz. Sie machen keine direkten Lösungsvorschläge. «Die Streitenden sollen die Lösung selbst erarbeiten, indem sie Wünsche, Sorgen und Lösungsideen gemeinsam besprechen», sagt Petra Krauß, Sprecherin der Regionalgruppe Frankfurt am Main des Vereins der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation (BAFM).
Familienmediationen richten sich etwa an Paare und Eltern, die sich in einer Trennung oder Scheidung befinden. «Themen können dabei Sorgerechtsstreitigkeiten oder Rentenregelungen sein. Aber auch Erbauseinandersetzungen oder andere Konflikte mit Angehörigen können in Mediationen geklärt werden», erklärt Krauß.
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