22. November 2024

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So werden Eltern zum Rechtschreibcoach

Drei- bis viermal pro Woche kurze Rechtschreibübungen mit den Kindern vor dem Abendbrot helfen, gegen Schreibauffälligkeiten anzugehen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Mascha Brichta/dpa-tmn)

Eine Zeit lang galt «Schreiben lernen nach Gehör» für Schülerinnen und Schüler als moderne Lernmethode. Das Kauderwelsch mit großen und kleinen Druckbuchstaben, gespickt mit reichlich Fehlern, sorgte bei manchen Eltern allerdings schon mal für Schnappatmung.

Zu Recht? Ein Orthografietrainer gibt eine Antwort: Hans-Georg Müller ist Lehrer und Sprachdidaktik-Dozent. Er hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: «Jedes Kind kann richtig schreiben lernen», erschienen im Duden Verlag. Im Interview sagt er, wie das geht mit dem Schreiben lernen und wie Eltern ihr Kind unterstützen.

Frage: Gibt es überhaupt Vorteile beim «Schreiben nach Gehör»?

Hans-Georg Müller: Gegenüber der Fibel-Methode steht erstmal die Freude am Schreiben im Vordergrund – ohne orthografisches Korsett. Das kann für Kinder sehr wichtig sein, denn ohne Motivation geht gar nichts. Leider trainieren sich die Kinder so auch etliche Fehler an, die dann intuitiv als Strategien gefestigt werden. Die Methode hat sich deshalb auch nicht durchgesetzt. Andere zeigen bessere Rechtschreiberfolge.

Frage: Sie behaupten, jedes Kind kann richtig schreiben lernen. Aber was ist mit jenen, bei denen sich das richtige Schreibgefühl einfach nicht einstellen will?

Müller: Der Mensch lernt das, auf was er seine Aufmerksamkeit legt. Das ist wie beim Basketballspielen. Wenn ich nicht den Umgang mit dem Ball trainiere, wird er auch nicht im Korb landen. Also heißt es, die Aufmerksamkeit zu trainieren.

Wenn ein Kind drei, vier, fünf Mal die Klassenarbeit total rot übersät zurückbekommt, hat es eine große emotionale Hypothek zu schleppen. Wer spricht schon gern über Fehler? Das mache ich nur mit jemandem, dem ich vertraue. Also müssen Eltern mit ihrem Schützling ins Gespräch kommen und für Motivation sorgen.

Zunächst werden Trainingsregeln festgelegt. Etwa so: Wir üben ab jetzt drei- bis viermal pro Woche immer 15 Minuten vor dem Abendbrot. Mal mit einem Arbeitsblatt, dann mit einem Laufdiktat. Dabei sollten Eltern auch mit schwierigen Situationen rechnen, wo der Neunjährige vielleicht den Stift in die Ecke wirft, bockig und frustriert reagiert. Dann heißt es erstmal: Ausatmen. Denn solche Reaktionen sind bei lernfrustrierten Kindern nicht selten. Es sollte unbedingt vermieden werden, dass das Kind Schreiben als Strafe erlebt. Denn wer will schon lernen, sich selbst zu bestrafen?

Frage: Gibt es ein paar Tricks, wie Eltern bessere Erfolge als Rechtschreibcoach erzielen?

Müller: Lassen Sie das Kind am Übungsplan mitarbeiten! Fragen Sie etwa: «Welche Methode wollen wir morgen üben – ein Diktat zu Doppelkonsonanten oder wann man Verben groß schreibt?» Wenn sich das Kind die Methode selbst aussucht, steht es ganz anders dahinter. Das hilft bei der Motivation.

Und vermeiden Sie Ratespiele! Statt «Überlege doch mal, was haben wir gestern gesagt?», ist es besser, direkte Hilfestellungen zu geben, wie zum Beispiel mit einer Regel: «Probier doch mal: Ist das ein kurzes A oder ein langes A? Bei einem kurzen folgt ein doppeltes S.»

Überhaupt lautet die Devise: Vormachen statt ausfragen! Übt man gerade Groß- und Kleinschreibung oder das doppelte F, gibt man zwei Beispiele vor und dann ist das Kind dran.

Bewährt hat sich auch ein Fehlerheft analog etwa einem Vokabelheftchen. Denn Fehler sind nicht zufällig – sie passieren systematisch. So kann man das System besser erkennen. In das Heft würde ich alle Rechtschreibfehler aus Klassenarbeiten oder Übungsstunden eintragen, am besten unterteilt nach Kategorien wie Buchstaben, Getrennt- und Zusammenschreibung, Groß- und Kleinschreibung, Komma- und Zeichensetzung. Aber es ist unbedingt zu vermeiden, das Heft als Sammlung der Niederlagen anzusehen.

Interview: Claudia Wittke-Gaida, dpa