Mit scharfem Messer und gezielten Schnitten zerteilt ein Thai an einem Straßenstand eine gewaltige Durian. Zwei Kilo wiegt das stachelige Ungetüm, das der Käufer im Süden von Phuket ausgewählt hat. Zum Vorschein kommt cremefarbenes Fruchtfleisch, das sich um einen kleinen Kern schmiegt.
Eiligst werden die Stücke, die aussehen wie überdimensionale Knoblauchzehen, in Plastikfolie gehüllt. Dann kommt eine feste Plastikschale drum. Diese wiederum wird in einer Tüte verstaut, die der Obsthändler dreifach knotet. Sicher ist sicher.
Dennoch lässt der Käufer vorsichtshalber die Autofenster runter – denn eine Durian zu transportieren birgt immer das Risiko, die Luft von Innenräumen auf geraume Zeit zu verpesten. Durians sind die Stinkbomben unter den Früchten. In vielen Hotels, öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahrstühlen und Flughäfen von Singapur über Indonesien bis Thailand sind sie per Warnschild verboten – gleichgesetzt mit entflammbarem Gefahrgut oder Zigaretten.
Und doch sind unzählige Südostasiaten vernarrt in die Frucht, die am bis zu 30 Meter hohen Durian- oder Zibetbaum wächst. «Süß, ölig, und so köstlich!», schwärmt Watt Thongdee. «Am liebsten mag ich sie gekühlt, dann schmeckt sie wie ein Smoothie oder auch wie Eiscreme», meint der 38-Jährige aus dem Ort Pattaya. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Touristen sind oft so abgeschreckt von dem Odeur, dass schon ein kleiner Bissen Überwindung kostet. In Asien gibt es hingegen sogar Kondome mit der Note Durian.
Stink- oder Kotzfrucht wird Durian auch genannt.
Vor einigen Jahren fanden Forscher der Universität von Singapur heraus, dass einige Gene, die die Produktion flüchtiger, schwefelhaltiger Substanzen steuern, Schuld an dem Gestank sind.
Um die Geruchskeule zu beschreiben, wurden bereits tote Katzen, faule Eier und alter Limburger Käse herangezogen. Auch bekannte Food Writer aus aller Welt haben versucht, das eklige Bukett durch Vergleiche zu illustrieren. «Der Geruch lässt sich am besten als Gemisch von Schweinekot, Terpentin und Zwiebeln beschreiben, garniert mit einer Sportsocke», befand der Gastro- und Reisejournalist Richard Sterling.
«Strange Foods»-Autor Jerry Hopkins meinte, Durian zu verzehren sei wie «Eiscreme in einem Klohäuschen zu essen». Und der französische Forschungsreisende Henri Mouhot (1826-1961) erinnerte sich nach Trips durch das alte Siam, Kambodscha und Laos, der erste Happen schmecke wie «das Fleisch eines Tieres im Verwesungszustand».
Aber wie so viele andere verfiel auch Mouhot dem geschmacklichen Charme der seltsamen Stachelfrucht. «Nach vier oder fünf Versuchen fand ich das Aroma exquisit», bekannte er. New-York-Times-Autor Thomas Fuller ereilte 2013 das gleiche Schicksal: «Ja, die Frucht ist schwer zu handhaben und ähnelt einer mittelalterlichen Waffe», schrieb er in dem renommierten Blatt. «Aber wenn man das blassgelbe, cremige Fruchtfleisch erreicht, erlebt man Nuancen von Haselnuss, Aprikose, karamellisierter Banane und Eierpudding.»
Auch sind Durians extrem gesund.
Sie steigern erwiesenermaßen nicht nur die Produktion des «Glückshormons» Serotonin, sondern haben zudem einen hohen Nährstoff- und Vitamingehalt, darunter vor allem Vitamin B1, B2 und C.
«Durians enthalten auch Antioxidantien zur Abwehr freier Radikale und sind reich an Kalium, was gut für das Herz ist. Und Durians haben kein Cholesterin», erläutert Rizal Alaydrus, der Moderator eines bekannten Gesundheitsprogramms im indonesischen Fernsehen. Gleichzeitig sind Durians aber Dickmacher. Stolze 1350 Kalorien stecken in einem Kilo. «Darum esse ich die Frucht auch nicht jeden Tag, sonst würde ich fett», sagt Watt Thongdee.
Dutzende Sorten stehen zur Auswahl, einige bitterer, andere süßer, manche günstiger, andere teurer, manche mit extrem dicker Schale, andere zarthäutiger. «Chanee», «Kanyao» oder «Krathum» heißen sie. Am bekanntesten und beliebtesten ist aber «Monthong», deren Geschmack viele als vanillig, mild und sehr süß beschreiben.
Aber Vanille und süßes Aroma hin oder her – der intensive Geruch der Stinkfrucht hat auch schon zu allerlei kuriosen Zwischenfällen und Einsätzen geführt. 2012 stank eine Durian in einem indonesischen Flugzeug so bestialisch, dass die Passagiere revoltierten, bis sie wieder ins Freie gelassen wurden. Die Maschine musste gelüftet werden und konnte erst mit einstündiger Verspätung starten.
Im australischen Brisbane bemerkten vor ein paar Jahren Gepäckträger im Frachtraum einer startbereiten Maschine einen stechenden Gestank. Es wurde Terroralarm ausgelöst. Nachdem das Flugzeug geräumt und alle Koffer wieder ausgeladen waren, wurde die Quelle ausgemacht – ein Paket mit Durian-Früchten.
In einem Hotel in Zürich gab es einmal Gasalarm wegen des mysteriösen Gestanks einer Durian. Die Feuerwehr rückte damals mit einem Löschzug, Polizei und Sanitätern an. «Ich dachte, jetzt fliegt alles in die Luft», meinte ein Sicherheitsbeamter. Auch in Deutschland sorgte die Frucht schon für einen Großeinsatz: In Schweinfurt wurde im vergangenen Jahr ein Gebäude der Deutschen Post vorübergehend geräumt. Mitarbeiter klagten über gesundheitliche Beschwerden, einige mussten im Krankenhaus behandelt werden. Auslöser war eine übelriechende Postsendung – mit jeder Menge Durians.
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