22. November 2024

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Aerosol-Experte: Corona-Gefahren nicht auf dem Sportplatz

Christof Asbach, ehrenamtlicher Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF). (Urheber/Quelle/Verbreiter: Rolf Vennenbernd/dpa)

Christof Asbach, Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung, unterstreicht, dass das Risiko von Corona-Infektionen im Freien sehr gering ist.

«Es ist ein gewisser Erfolg für uns, wenn die Menschen keine Angst mehr haben, nach draußen zu gehen, und ihnen klargemacht wurde, wo die Gefahren lauern: im Innenraum», sagte er im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Die Gesellschaft für Aerosolforschung hat in einem offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel bekräftigt, dass im Freien das Risiko von Corona-Infektionen gering ist und in Innenräumen stattfinde. Ihre Gesellschaft hat darauf schon im Dezember hingewiesen und kritisiert: «Praktisches Handeln» der Politik sei ausgeblieben. Was ist damit konkret gemeint?

Christof Asbach: Wir haben zwei Ziele verfolgt. Das eine ist, dass diese Erkenntnis in Maßnahmen umgesetzt wird. Das zweite ist eine Aufklärung der Bevölkerung, wo die Gefahren lauern. Wir haben festgestellt, dass immer mehr Sorge entsteht, dass man sich draußen infizieren kann. Dies wurde unterstützt durch viele Maßnahmen, die auch regional getroffen wurden, wie Maskenpflicht im Freien oder Verweilverbote, die diese Sorge noch geschürt haben. Durch den offenen Brief haben wir eine größere öffentliche Wahrnehmung festgestellt, als wir sie zuvor erzielt hatten. Es ist ein gewisser Erfolg für uns, wenn die Menschen keine Angst mehr haben, nach draußen zu gehen, und ihnen klargemacht wurde, wo die Gefahren lauern: im Innenraum.

Wenn man schon politische Konsequenzen aus dem Positionspapier gezogen hätte, hätte der Vereinssport doch in größerem Maße längst wieder geöffnet werden können, oder?

Asbach: Wir haben damit einen Grundstein zum Verständnis gelegt, dass draußen sehr wenig passieren kann. Das bezieht den Sport natürlich mit ein. Wenn wir nicht über Zweikampfsportarten wie Ringen oder Judo reden, sondern über Mannschaftssportarten oder Tennis, das auch nicht erlaubt war und bei dem man sich ohnehin nicht nahekommt. Da sehen wir ein extrem geringes Infektionsrisiko. Das hätte man aus unserer Sicht auch deutlich früher so kommunizieren können. Wir sehen die Gefahren in Umkleidekabinen, Toiletten oder bei der Anfahrt im Auto oder Bus. Sie lauern nicht auf dem Sportplatz.

Der Sport hat zeitig für jede Sportart spezielle Hygienekonzepte entwickelt. Hätte damit nicht weiter Sport im Freien – ohne Unterbrechung durch Lockdowns – betrieben werden können?

Asbach: Das ist eine Frage, die wir uns auch gestellt haben und die ein Anlass war, diesen offenen Brief zu schreiben. Wir müssen da interdisziplinär herangehen. Deshalb ist es wichtig, die Virologen, die Epidemiologen und Beatmungsmediziner zu hören. Aber wenn es um die Übertragung geht, ist der Aerosolpfad der wichtigste Übertragungsweg. Um zu verstehen, wie sich virenartige Partikel verhalten, da sind wir eben gefragt. Da hatten wir den Eindruck, nicht ausreichend gehört worden zu sein.

Sie schreiben im offenen Brief: In großen Hallen ist die Infektionsgefahr geringer. Folgt daraus: Turnen in größeren Sport- und Trainingshallen ist eigentlich möglich?

Asbach: Es ist eine Frage, wie viele Personen sich in welchem Raumvolumen bewegen. Eine Turnhalle ist typischerweise sehr groß. Wenn sich eine limitierte Anzahl von Personen dort aufhält, sehe ich ein relativ geringes Risiko, weil die Virenkonzentration sich stark verteilt und sich verdünnt. Nichtsdestotrotz ist das Infektionsrisiko größer als draußen. Im Freien gibt es keine Gründe, die dagegen sprechen würden, Sport wieder zu erlauben. In Turnhallen muss man kritischer hinsehen, aber man kann sie mit guten Hygienekonzepten mit einem überschaubaren Risiko wieder öffnen.

Joggen mit Maske haben sie als eine symbolische Maßnahme bezeichnet. Warum?

Asbach: Um sich zu infizieren, muss man eine Mindestanzahl von Viren einatmen. Wie viele ich einatme, hängt von der Konzentration und der Zeit ab, während der ich eine Konzentration aufnehme. Beim Joggen und Spazieren gehen ist die Kontaktzeit mit anderen Personen äußerst gering. Zudem wird die Konzentration von ausgeatmeten Viren sehr schnell verdünnt, gerade bei einem Jogger, der in Bewegung ist. Die Kontaktzeiten sind kurz und die Konzentrationen niedrig. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, eine Anzahl von Viren einzuatmen, um mich zu infizieren, extrem gering. Die Maskenpflicht ist da kontraproduktiv, weil sie suggeriert, dass da Gefahren lauern, und die Menschen eher in die Innenräume getrieben werden.

Aerosolpartikel verbreiten sich mit Luftströmen auch über weitere Distanzen und können sehr lange in der Luft bleiben. Beispielsweise, wenn zwei Jogger nebeneinander laufen und keuchen: Kann da nix passieren?

Asbach: Natürlich können die Partikel auch lange in der Luft verweilen; dies gilt für draußen wie in Innenräumen. Der Unterschied ist: Im Innenraum ohne Luftaustausch steigt die Virenkonzentration kontinuierlich an. Im Außenbereich ist das nicht der Fall. Wenn man sich vorstellt, wie viele Viren man ausatmet und wie viel Luft um einen ist, dann ist die Konzentration so gering, dass ich – wenn überhaupt – mal einen Virus einatme. Ein Virus macht noch keine Infektion. Dazu braucht man einige hundert bis einige tausend. Hinzu kommt noch, dass man im Außenbereich natürliche UV-Strahlen hat, die dazu führt, dass die Viren sehr schnell inaktiviert werden. Ein gewisses Restrisiko bleibt aber in Fällen, wo sich zwei Personen direkt gegenüberstehen und miteinander sprechen. Dann kann es dazu kommen, dass eine Person die Aerosolwolke oder ausgeatmete Tröpfchen des Gegenübers direkt einatmet. Hier sollte ausreichend Abstand gehalten und gegebenenfalls eine Maske getragen werden.

Noch einmal nachgefragt: Wenn zwei Jogger nebeneinander laufen, dann ist dabei die Infektionsgefahr fast nicht vorhanden?

Asbach: Allein durch die Bewegung habe ich eine starke Verdünnung. Die Wolke strömt nicht direkt in den Atemtrakt des anderen Joggers.

Wenn Radfahrer dicht an Spaziergängern und Joggern vorbeifahren: Kann es dabei zur Virus-Übertragungen kommen?

Asbach: Das ist das gleiche wie beim Joggen, wenn nicht stärker, weil Radfahrer noch schneller als Läufer sind. Die Kontaktzeit ist noch kürzer. Und was man spürt, ist ja nicht der Atem, sondern der Fahrtwind oder der Luftzug, den der Radfahrer erzeugt. Ich finde es ja gut, wenn die Menschen alarmiert sind, wo überall Gefahren lauern können. Aber für das Infektionsrisiko ist das absolut kein Problem.

Kann man sich in einem Ruder-Achter infizieren?

Asbach: Man sitzt mit dem Rücken zueinander und bekommt den Atem nicht direkt ins Gesicht, sondern er muss um den Kopf herum strömen und dann eingeatmet werden. Außerdem ist auch das Ruderboot in Bewegung und erzeugt dadurch eine starke Verwirbelung und damit eine Verringerung der Virenkonzentration. Deshalb würde ich das Risiko deutlich geringer einschätzen als bei allen Aktivitäten in Räumen.

Dagegen sind Tennis und Golf ideale Ballsportarten ohne Gefahr oder ist das Anfassen der Bälle eine Gefahr?

Asbach: Aus aerosolwissenschaftlicher Sicht sehe ich da keine Gefahr bei einem normalen Spiel. Da kann nicht viel passieren. Wir wissen heute, dass die Schmierinfektion, bei der man anfangs angenommen hat, dass sie die dominante wäre, eine untergeordnete Rolle spielt.

ZUR PERSON: Christof Asbach ist ehrenamtlicher Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF). Er ist im IUTA, dem Forschungsinstitut für Energie- und Umwelttechnik, im Vorstand für Luftreinhaltung und Filtration zuständig.

Interview: Andreas Schirmer, dpa