Zunächst war es ein wohl aus Nigeria eingeschleppter Fall in Großbritannien, inzwischen werden aus immer mehr Ländern Nachweise und Verdachtsfälle von Affenpocken gemeldet. Das Ausmaß überrascht und lässt Experten aufmerken werden. Was ist das für ein Erreger und wie besorgniserregend ist der Ausbruch? Fragen und Antworten dazu:
Wie ist die aktuelle Situation in westlichen Ländern?
Offenbar hat sich der Erreger bereits längere Zeit unbemerkt in mehreren westlichen Ländern ausgebreitet, am Donnerstag waren dann bereits zahlreiche Nachweise aus Europa und Nordamerika bekannt, darunter aus Großbritannien, Spanien, Portugal und Schweden. Für Deutschland war zunächst kein Fall erfasst. Allerdings ist im Zuge der gestiegenen Aufmerksamkeit mit weiteren Nachweisen zu rechnen, wohl auch in anderen Regionen der Welt.
Wurde in Deutschland schon einmal ein Fall von Affenpocken beim Menschen nachgewiesen?
Nein. «Dem RKI wurde bislang nie ein Fall von Affenpocken in Deutschland bekannt», hieß es am Donnerstagmorgen auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur vom RKI.
Was sind die Affenpocken?
Affenpocken sind eine auf ein Virus zurückgehende Erkrankung. Der Erreger wurde erstmals 1958 in einem dänischen Labor bei Affen nachgewiesen – daher der Name Affenpocken. Fachleute vermuten allerdings, dass der Erreger eigentlich in Hörnchen und Nagetieren zirkuliert, Affen gelten als sogenannte Fehlwirte. Das Affenpockenvirus ist auch auf den Menschen übertragbar.
Großen Schrecken verbreitete früher die Pockenkrankheit, verursacht von einem Virus aus der gleichen Gruppe. An der Infektion starb ein großer Teil der Betroffenen. Die Pockenkrankheit gilt nach Impfkampagnen seit 1980 als ausgerottet. Der letzte Fall in Deutschland wurde 1972 erfasst.
Wie gefährlich sind die Affenpocken?
Die kursierende Variante des Affenpocken-Virus ruft nach Angaben der britischen Behörde UKHSA meist nur milde Symptome hervor, kann aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen. Dass Erkrankungen in westlichen Ländern tödlich verlaufen, hält der Epidemiologe Paul Hunter von der Universität of East Anglia für sehr unwahrscheinlich. Es sei aber nicht unmöglich, sagte er dem Sender BBC. Die in Europa und den USA auftretende westafrikanische Variante des Virus führe in Afrika bei etwa einem Prozent der Erkrankten zum Tod. Es gebe auch eine zentralafrikanische Variante, bei der zehn Prozent der Fälle auf dem Kontinent tödlich verliefen. Alle Altersgruppen und beide Geschlechter gelten dem RKI zufolge als gleichermaßen empfänglich. Von tödlichen Verläufen in Afrika sind demnach vor allem Kinder betroffen.
Wo kursieren Affenpocken üblicherweise?
Affenpocken-Infektionen beim Menschen waren bislang vor allem aus Regionen West- und Zentralafrikas bekannt. Der erste Fall einer Affenpocken-Infektion beim Menschen sei 1970 in der Demokratischen Republik Kongo registriert worden, schreibt ein internationales Forscherteam im Fachmagazin «Plos Neglected Tropical Diseases». Danach habe sich das Virus in andere Länder Afrikas ausgebreitet, 2003 sei es erstmals außerhalb des Kontinents nachgewiesen worden.
Im westafrikanischen Nigeria wurden in diesem Jahr nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde zwischen Januar und Ende April 15 Fälle von Affenpocken erfasst. In Nigeria, Kamerun und der Demokratischen Republik Kongo kam es laut WHO in den vergangenen fünf Jahren immer wieder zu Ausbrüchen.
Über das Infektionsgeschehen in der Tierwelt ist kaum etwas bekannt. Größere Ausbrüche in Afrika bei Tieren seien schlecht dokumentiert, deshalb habe man da keine Übersicht, sagte Elke Reinking, Pressesprecherin des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI).
Ist der aktuelle Ausbruch bei Menschen außerhalb Afrikas ungewöhnlich?
«Die jetzt außerhalb Afrikas auftretenden Fälle sind schon ungewöhnlich und müssen genau untersucht und eine etwaige weitere Verbreitung genau beobachtet werden», hieß es am Donnerstag vom FLI. «In der Vergangenheit waren die Affenpocken-Ausbrüche begrenzt in der Ausbreitung», sagte der Virologe Stephan Becker von der Uni Marburg der Deutschen Presse-Agentur. Infektionsketten zwischen Menschen seien ungewöhnlich und müssten eng überwacht werden.
Die WHO rief zu einer rigorosen Verfolgung aller Kontakte von Betroffenen auf. Kliniken und Bevölkerung müssten dafür sensibilisiert werden, einen ungewöhnlichen Hautausschlag von Fachpersonal begutachten zu lassen. Erhärte sich der Verdacht auf Affenpocken, sollten Patienten isoliert werden.
Der in «Plos Neglected Tropical Diseases» vorgestellten Analyse zufolge hat sich die weltweite Zahl der nachgewiesenen, wahrscheinlichen und vermutlichen Fälle in den vergangenen fünf Jahrzehnten mehr als verzehnfacht. Als möglichen Grund nennen die Forschenden einen nachlassenden Immunschutz nach dem Stopp der Pockenimpfungen 1980. Auch Abholzung sei eine mögliche Ursache oder könne als Verstärker fungieren.
Insgesamt gewännen die Affenpocken allmählich an globaler Bedeutung, so die Forscher. Ob das Virus die Nische besetzt, die durch die Ausrottung der Pockenkrankheit freigeworden ist, sei momentan noch nicht abschätzbar, erklärte der Marburger Virologe Becker.
Wie wird das Virus übertragen?
Bei den aktuell erfassten Fällen sind in der Mehrheit Männer betroffen, die Sexualkontakte zu anderen Männern hatten. Das Virus scheine sich derzeit vor allem zwischen homo- oder bisexuellen Männern auszubreiten, sagte Becker. Intimkontakt ist aber nur eine Möglichkeit der Übertragung – es ist womöglich Zufall, dass das Virus zunächst in diesen Personenkreis getragen wurde und dann vor allem dort weiter kursierte.
Dem RKI zufolge geschieht eine Übertragung auf den Menschen allgemein häufig durch Kontakt mit infizierten Tieren oder tierischem Blut und Sekreten, über das Essen infizierten Affenfleischs sowie Tröpfcheninfektion. Der Epidemiologe Hunter sagte der BBC, das Virus infiziere Kontaktpersonen, indem es von den Pusteln Erkrankter in Wunden oder die Augen von Kontaktpersonen gelange, auch das Einatmen von Tröpfchen mit den Partikeln sei ein Weg.
Wie wird eine Infektion nachgewiesen?
Der Nachweis erfolgt wie beim Coronavirus und anderen Erregern mit einer Probe des Betroffenen über einen sogenannten PCR-Test. Ist Affenpocken-Virus enthalten, wird gezielt dessen Erbgut in einem speziellen Gerät vermehrt und kann danach leicht nachgewiesen werden.
Wie ansteckend sind Affenpocken von Mensch zu Mensch?
Eigentlich gilt das Virus als wenig ansteckend. Bei der aktuellen Infektionshäufung sind die detaillierten Infektionsketten noch weitgehend unklar. Für den ersten bekanntgewordenen Fall in Großbritannien geht die Gesundheitsbehörde UKHSA davon aus, dass er auf eine Ansteckung in Nigeria zurückgeht. Inwieweit es weitere Einträge aus afrikanischen Regionen in westliche Länder gab, ist noch zu klären. Klar scheint aber, dass der Erreger anschließend ungewöhnlich oft an weitere Menschen weitergegeben wurde.
Aktuell scheine die Übertragung bei Affenpocken dabei aber zumindest nicht durch Aerosole zu erfolgen, schätzt der Marburger Virologe Becker. «Dann wäre das Ausbreitungsmuster anders.»
Gab es schon einmal Ausbrüche von Affenpocken?
Außerhalb von Afrika wurden Affenpocken-Infektionen beim Menschen bisher überhaupt erst wenige Male nachgewiesen. Die Häufigkeit scheint allerdings zuzunehmen. Im Jahr 2021 gab es der WHO-Statistik zufolge fünf erfasste Infektionen im Vereinigten Königreich und in den USA. Dreimal waren Menschen betroffen, die sich in Nigeria aufgehalten hatten, bei einem dieser Patienten steckten sich in Großbritannien zwei Familienmitglieder ab.
Was sind die Symptome von Affenpocken?
Zu den Symptomen zählen: plötzlich einsetzendes Fieber, starke Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Halsschmerzen, Husten, häufig auch Lymphknotenschwellungen. Typisch ist zudem ein vom Gesicht auf den Körper übergreifender, pockentypischer Ausschlag. Selten treten Erblindung und entstellende Narben als Dauerschäden auf.
Mit welchen anderen Infektionskrankheiten können die Affenpocken verwechselt werden?
Nach UKHSA-Angaben kann der Ausschlag in bestimmten Phasen der Erkrankung Windpocken oder Syphilis ähneln. Das RKI sensibilisierte Ärzte in Deutschland: Affenpocken sollten auch dann bei unklaren pockenähnlichen Hautveränderungen als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden, wenn die Betroffenen nicht in bestimmte Gebiete gereist seien. Männer, die Sex mit Männern haben, sollten laut RKI bei ungewöhnlichen Hautveränderungen «unverzüglich eine medizinische Versorgung aufsuchen».
Gibt es eine schützende Impfung?
Eine zugelassene Impfung speziell gegen Affenpocken gibt es nicht. Historischen Daten zufolge schützt aber eine Pockenimpfung gut vor Affenpocken – und das wohl lebenslang. Eine Impfung mit diesem Impfstoff gilt daher als mögliche Maßnahme, um zumindest Kontaktpersonen von Affenpocken-Infizierten zu schützen. Paul Hunter von der Universität of East Anglia zufolge hilft das «ziemlich effektiv». Entsprechende Vorräte sind demnach vorhanden und können bei Kontaktpersonen eingesetzt werden.
Wie wird die Infektion behandelt?
Behandelt werden die Symptome sowie mögliche bakterielle Sekundärinfektionen, eine speziell gegen Affenpocken gerichtete Therapie gibt es nicht.
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