21. November 2024

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Amazon 2.0? – Wie die Lidl-Mutter zum IT-Unternehmen wird

Reinhold Geilsdörfer (l), Geschäftsführer der Dieter Schwarz Stiftung, und Harry Mergel, Oberbürgermeister der Stadt Heilbronn, nehmen an einer Pressekonferenz zur Vorstellung des Gewinnerentwurfs für einen KI-Park teil. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marijan Murat/dpa)

Wer an Lidl und Kaufland denkt, denkt in der Regel nicht an geheime Cybersicherheitsräume, israelische Agenten oder amerikanische Tech-Giganten. Doch das Mutterunternehmen der beiden Supermarktketten, die Schwarz-Gruppe, stellt sich auch als IT-Dienstleister auf. Ähnlich wie der Handelsriese Amazon investiert das Imperium von Lidl-Gründer Dieter Schwarz in das profitable Cloud-Geschäft und gehört laut Branchenexperten bereits zu den größten deutschen Anbietern. Zu den drei weltweiten Schwergewichten Amazon, Google und Microsoft ist es aber ein weiter Weg.

Ein Bildungscampus, eine Programmierschule, etliche Institute: Unterstützt durch Schwarz’ Stiftung schießen in Heilbronn nahe dem Firmensitz in Neckarsulm immer mehr Bildungseinrichtungen aus dem Boden. Bald soll ein Forschungspark für künstliche Intelligenz (KI) dazukommen. Seit Dienstag ist klar: Auf einem Areal von 23 Hektar soll eine Art kreisrunder KI-Stadtteil für 5000 Beschäftigte entstehen. Fertiggestellt soll er in spätestens zehn Jahren.

Die Stiftung und das Land investieren zunächst 100 Millionen Euro. Das Geld fließt unter anderem in ein Infozentrum in der Mitte des ufoartigen Areals. Insgesamt sind auf dem Gelände laut Entwurf über 30 Gebäude geplant. Stiftungsgeschäftsführer Reinhold Geilsdörfer spricht von einer großen Investition, die von der Schwarz-Gruppe abgesichert sei, nennt aber keine konkrete Summe.

«Wir wollen hier ein Ökosystem bauen und die besten Köpfe im Bereich Cyber nach Heilbronn holen», sagt Rolf Schumann, Digitalchef der Schwarz-Gruppe. IT-Experten könnten sich heute die Jobs aussuchen – da müsse die Umgebung stimmen. Rund 7000 Menschen arbeiten bereits bei der Schwarz IT und Schwarz Digital.

Wie im Science-Fiction-Film

Wenn Schumann in das Herzstück seiner Sicherheitsarchitektur führt, sieht es ein bisschen aus wie in einem Science-Fiction-Film. Steril wirkende Räume, Zugang nur über einen Scanner, der die Venenmuster der Hand erfasst – und auf einmal taucht hinter einer zuvor milchigen Glasscheibe ein riesiger Bildschirm voller Zahlen und Graphen auf. Davor sitzen ein paar Menschen an PCs und arbeiten die offenen Punkte ab. Oder eher: die Schwachstellen, die Hacker als mögliches Einfallstor in die Systeme der Schwarz-Gruppe nutzen könnten.

«Die Systeme sind so komplex geworden, dass sie nicht mehr beherrschbar sind», sagt Schumann. «Die einzige Chance ist, das eigene System in Echtzeit zu simulieren und Schwachstellen hart zu priorisieren.» Zuständig dafür ist eine Software des israelischen Sicherheitsspezialisten XM Cyber, den Schwarz Ende 2021 kaufte. Einer der Gründer ist laut Firmenhomepage der frühere Chef des Geheimdienstes Mossad, Tamir Pardo.

Mit der Technologie wollte Schumann vor allem sein Unternehmen vor Angriffen schützen. Doch in Zeiten, in denen etliche Mittelständler Opfer von Kriminellen werden, die Daten verschlüsseln und Lösegeld fordern, sieht der frühere Manager des kaum eine Autostunde entfernten Softwareriesen SAP auch ein Geschäftsmodell. Seit Mitte 2022 bietet Schwarz daher die Dienste von XM Cyber auch anderen Firmen an. «Wir bekommen stetig neue Anfragen», erzählt Schumann. Wie viele Kunden bisher aufgesprungen sind, verrät er nicht. Er sei aber mit dem Wachstum sehr zufrieden. Zuletzt kamen unter anderen Verkehrsminister Volker Wissing und der ukrainische Ex-Boxer Wladimir Klitschko zu einer Cybersicherheitskonferenz nach Heilbronn.

Auch im Cloud-Geschäft unterwegs

Dabei ist das Thema nur eines der neuen Standbeine, die sich die Schwarz-Gruppe aufbaut. Denn auch als Cloud-Anbieter mit eigenen Rechenzentren in Deutschland macht sich Schwarz einen Namen. Stackit heißt die Cloud-Plattform, die das Unternehmen ursprünglich für sich selbst aufbaute – die Online-Systeme von Lidl und Kaufland etwa laufen darüber. Seit einem Jahr stehen die Speicher aber auch Unternehmen und Verwaltungen offen. Wie viele Kunden aufgesprungen sind, verrät Schwarz nicht.

Das Vorgehen erinnere ein bisschen an Amazon, die zuerst für sich selbst eine Lösung suchten und deren Cloud-Dienst AWS nun zu den meistgenutzten Diensten weltweit gehöre, sagt Cloud-Experte Lukas Klingholz vom IT-Branchenverband Bitkom. Es werde ein System, das zunächst nur für sich entwickelt worden sei, nach außen angeboten. «Cloud ist nicht nur ein relevanter Markt mit einer hohen Marge, sondern auch ein Markt, der zunächst einmal hohe Investitionen erfordert. Da steigt man nicht mal eben als Start-up mit drei Leuten ein. Die Kosten für den Markteinstieg sind hoch.»

Es gibt noch Grenzen

Neben Anbietern wie der Deutschen Telekom und Ionos gehöre Stackit bereits zu den größten deutschen Firmen in dem Bereich. Darüber hinaus gebe es etliche kleinere Anbieter. Vor allem für Verwaltungen, für regulierte Industrien, aber auch für kleine und mittlere Unternehmen erhofften sich die Anbieter Potenziale. An die Grenzen komme das Konzept aber, wenn es darum gehe, Daten auch global im Ausland abrufbar zu machen – da hätten die weltweit tätigen Anbieter durch globale Verfügbarkeiten von Rechenzentren Vorteile.

Der Chef der Schwarz-IT, Christian Müller, übt sich daher noch in Zurückhaltung. «Unser Ziel ist nicht, das nächste Amazon oder Google zu werden. Wenn es passiert, dann passiert es. Aber wir streben das nicht an.» Es seien schon viele Mittelstandskunden auf Stackit unterwegs. Konkrete Zahlen nennt der Konzern auch hier nicht.

Auch beim Supermarktkonzern Rewe ist das Thema Digitalisierung auf der Agenda. Im Herbst verschmolzen dort zwei Einheiten zur «Rewe digital» mit rund 2200 Mitarbeitern. Ziel sei es, die Handels-IT innerhalb der Rewe-Gruppe weiterzuführen, hieß es. Ob IT-Dienstleisungen auch außerhalb der Gruppe angeboten werden, teilt das Unternehmen nicht mit. Aldi Süd gibt sich bei dem Thema bedeckt: Man wolle sich aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht äußern.

Von David Hutzler, dpa