21. November 2024

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Brustkrebs-Mittel wird knapp: Patientinnen verunsichert

Bei dem Medikament Tamoxifen, das zehntausende Frauen nach einer Brustkrebsbehandlung jahrelang nehmen müssen, gibt es massive Lieferengpässe. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Hannibal Hanschke/dpa)

Brustkrebs-Patientinnen sind schwer verunsichert: Beim Medikament Tamoxifen, das Zehntausende jahrelang begleitet, gibt es massive Lieferengpässe. «Unser Postfach ist voll mit besorgten Anfragen», berichtet Andrea Hahne vom BRCA-Netzwerk, das Frauen mit Brustkrebs berät.

«Sie haben Sorge, dass der Krebs zurückkommt, wenn die Therapie nicht fortgesetzt wird.» Gynäkologen und Onkologen fordern vehement, dass bald Nachschub kommt, sagen aber auch: Es gibt keinen Grund, in Panik zu verfallen.

Tamoxifen ist ein sogenannter selektiver Östrogenrezeptor-Modulator. Das sind Arzneimittel, die ihre Wirkung über die Rezeptoren für das Hormon Östrogen vermitteln. Der Wirkstoff dockt an die Tumorzelle an und blockiert den Einfluss der Östrogene auf das Wachstum der Tumorzelle. So sorgt es dafür, dass Tumorzellen nicht weiterwachsen.

Tamoxifen wird in der Nachsorge eingesetzt – Ziel ist es, langfristig die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls zu senken. «Es ist unverzichtbarer Bestandteil der Therapie von Patient*innen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom», heißt es in einer Stellungnahme, mit der fünf Fachgesellschaften gemeinsam auf die Situation reagiert haben.

Die Betroffenen nehmen in der Regel 20 Milligramm täglich – und zwar fünf bis zehn Jahre lang. In den Jahren 2019 bis 2021 wurden laut GKV-Arzneimittelindex 27 bis 28 Millionen Tagesdosen verschrieben. Darauf basieren Schätzungen, dass 120.000 bis 130.000 Patientinnen – aber auch einige männliche Patienten – von dem Tamoxifen-Engpass betroffen sein könnten.

Vielfältige Ursachen für Engpass

«Die Ursachen dieses Versorgungsmangels sind vielgestaltig», heißt es beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Es gebe keine einzelne Ursache, sondern «Wechselwirkungen verschiedener Effekte». Die Fachgesellschaften sehen eine mögliche Erklärung unter anderem auch in einem «Anstieg der Verschreibungen seit dem ersten Quartal 2020 im zeitlichen Zusammenhang mit den Lockdown-Maßnahmen aufgrund der Covid-19-Pandemie». Denkbar ist, dass Frauen zu Beginn der Corona-Pandemie Vorräte angelegt haben.

Das BfArM beobachtet die Entwicklung bereits seit Januar. Nun hat das Bundesinstitut mittgeteilt, der Lieferengpass könnte Ende Mai beendet sein. Der Import von mehr als fünf Millionen 20-Milligramm-Tabletten wurde inzwischen zugelassen. «Diese sind bereits im Markt angekommen beziehungsweise werden bis zum 15.03.2022 in den Verkehr gebracht werden.» Spätestens im Mai sollen weitere 20 Millionen 20-Milligramm-Tabletten folgen.

«Mit den aktuell zur Verfügung stehenden Arzneimitteln kann die Versorgung aller Patientinnen und Patienten sichergestellt werden», teilte das BfArM weiter mit – sofern die Ärzte dem Vorschlag des Beirats für Liefer- und Versorgungsengpässe folgen und statt der üblichen 100-Tabletten-Packung kleinere Packungsgrößen verordnen.

Alternativen mit höherer Nebenwirkungsrate

Die Frage bleibt, was Betroffene tun sollen, wenn sich der Nachschub doch verzögert. «Eine alternative gleichwertige Arzneimitteltherapie steht nicht zur Verfügung», heißt es in der offiziellen Bekanntmachung des Bundesgesundheitsministeriums im Bundesanzeiger am 18. Februar. «Aber es gibt Alternativen», sagt der Chefarzt der Gynäkologie des Helios-Klinikums Berlin-Buch, Michael Untch: Niemand müsse Angst haben.

Als Alternative stehen insbesondere sogenannte Aromatasehemmer und hormonhemmende Spritzen zur Verfügung. Das sind Mittel, die die Östrogenproduktion blockieren. Das Problem: «Der Ersatz von Tamoxifen durch andere Formen der endokrinen Therapie ist mit einer höheren Nebenwirkungsrate belastet», warnen die Fachgesellschaften. Genannt werden vor allem Knochenprobleme von Gelenkschmerzen bis Osteoporose.

Die Nebenwirkungen könne man in den Griff bekommen, sagt Untch. «Die wichtigste Botschaft ist: Es muss eine Alternativtherapie gefunden werden.» Die Therapie zu unterbrechen, könne die Rückfallquote erhöhen.

Ob es Sinn macht, zur Überbrückung des Engpasses auch kurzfristig das Präparat zu wechseln, hänge vom Einzelfall ab, sagt Bernhard Wörmann von der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie der Berliner Charité. Auch eine kurzfristige Unterbrechung von einigen Tagen sei medizinisch möglich. Er betont aber: «Die Unterbrechung der Therapie ist keine Lösung dieser Versorgungskrise.»

Von Sandra Trauner, dpa