Nach der Veröffentlichung seiner Corona-Studie im namhaften Fachblatt «Science» sieht sich der Virologe Christian Drosten in seinen Einschätzungen zur Ansteckungsfähigkeit auch von Kindern bestätigt.
«Mein anfänglicher Eindruck einer ungefähr gleich großen Infektiosität aller Altersgruppen hat sich bestätigt, nicht nur hier, sondern auch in anderen Studien», sagte der Experte für Coronaviren laut einer Charité-Mitteilung. Am Abend (25. Mai) bekräftigte er im «Coronavirus-Update» bei NDR-Info: Anhand erster Daten habe man als klinischer Virologe gesehen, dass alle ungefähr gleich viel Virus hätten. Dieser Eindruck habe sich gehalten.
Voraussagen über Infektiosität
Für die nun publizierte Studie bestimmten Wissenschaftler um Drosten für mehr als 25.000 Covid-19-Fälle die sogenannten Viruslasten, also die Menge des Viruserbguts in der PCR-Probe. «Die Erbgutkopien repräsentieren näherungsweise die Virusmenge im Rachen der Patienten und lassen daher Voraussagen über deren potenzielle Infektiosität zu», erklärte die Charité. Von mehr als 4000 Fällen lagen mehrere Proben vor, was Rückschlüsse auf den Verlauf der Infektion erlaubte. In die Studie einbezogen wurden Infizierte ohne Krankheitsanzeichen ebenso wie Patienten mit unterschiedlich schweren Symptomen bis hin zu Krankenhausfällen.
Bei Erwachsenen zwischen 20 und 65 Jahren zeigten sich laut der Charité-Mitteilung «keine nennenswerten Unterschiede» bei der Viruslast. In den Proben der jüngsten Kinder zwischen 0 und 5 Jahren seien die niedrigsten Viruslasten gefunden worden. Und bei älteren Kindern und Jugendlichen hätten sich die Werte mit steigendem Alter denen der Erwachsenen angeglichen, heißt es weiter.
Die Werte von Kindern sieht Drosten durch eine andere Art der Probenentnahme im Vergleich zu Erwachsenen beeinflusst: Es würden deutlich kleinere Tupfer eingesetzt, die weniger als halb so viel Probenmaterial einbrächten. Statt der schmerzhaften tiefen Nasenrachen-Abstriche würden zudem oft einfache Rachenabstriche gemacht, in denen sich nochmals weniger Virus finde. Deshalb seien bei Kindern von vorn herein geringere Messwerte zu erwarten.
Wohl größte Untersuchung zu dem Thema
Erste, noch nicht von unabhängigen Fachleuten geprüfte Auswertungen zu Viruslasten hatte Drosten bereits vor mehr als einem Jahr vorgelegt. Die Schlussfolgerung, dass Kinder so ansteckend sein könnten wie Erwachsene, war in der Debatte um die Öffnung von Schulen und Kindergärten viel beachtet worden. Die aktuelle Publikation ist deutlich umfangreicher. Es sei jetzt die wohl größte Untersuchung überhaupt zu diesem Thema, sagte Drosten. Sie werde auch fortgesetzt.
Die Studie untermauert auch die Annahme, dass ein relativ kleiner Teil der Infizierten für besonders viele Ansteckungen sorgt. Wie Drosten schilderte, gibt es in allen Altersgruppen, auch bei Kindern, Infizierte mit außergewöhnlich hohen Viruslasten. In der Studie betraf dies etwa neun Prozent der untersuchten Fälle. In «erheblichem Umfang» befinden sich darunter laut dem Virologen Menschen, die im gesamten Krankheitsverlauf maximal milde Symptome bekommen. Auch Menschen ohne Krankheitsanzeichen seien darunter.
Maximale Virus-Ausscheidung liegt vor dem Symptombeginn
In Anbetracht der Ansteckungsgefahr durch gesund wirkende Infizierte betonen die Wissenschaftler in ihrem Fazit zur Studie die Bedeutung von Maßnahmen wie Social Distancing und Maskentragen. «Das Maximum der Virus-Ausscheidung liegt ein bis drei Tage vor dem Symptombeginn», sagte Drosten über ein weiteres Ergebnis der Arbeit. Darum sei das Virus so schwer zu kontrollieren. Und noch etwas sei auffällig gewesen: «Die Leute, die später schwer krank werden, die haben schon am Anfang durchgehend sehr viel Virus.»
Weiter zeigt die Studie, dass Menschen, die mit der in Großbritannien entdeckten Variante B.1.1.7 infiziert sind, offenbar ansteckender sind als Infizierte mit anderen Varianten. Ihre Viruslasten seien im Vergleich um den Faktor 10 erhöht, sagte Drosten. Das sei erheblich.
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