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Eigenständigkeit macht Kinder stark – so geht’s

Eigenständigkeit macht Kinder stark – so geht’s

Viele junge Menschen empfinden mangelnde Autonomie in der Schule und zu Hause als Grund für ihre schlechte Vorbereitung auf die Arbeitswelt. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Roland Weihrauch/dpa/dpa-tmn)

Es ist etwas, das man auch in Deutschland öfter hört: Viele junge Menschen fühlen sich schlecht auf das Arbeits- und Erwachsenenleben vorbereitet. Ältere finden, den Jüngeren mangele es an Eigeninitiative und Widerstandskraft. Das habe einen Grund: Es fehlt häufig an Gelegenheiten, die eigene Autonomie zu entwickeln – sei es in der Schule oder zu Hause, schreiben die Fachautorinnen Jenny Anderson und Rebecca Winthrop in der «New York Times».

Autonomie als Schlüsselkompetenz

Autonomie zu fördern bedeute aber nicht, Kindern und Jugendlichen völlige Freiheit zu lassen. Es gehe vielmehr darum, sie dabei zu unterstützen, eigene Ziele zu setzen, Strategien zu entwickeln und mit Rückschlägen umzugehen, so Anderson und Winthrop. Sie verweisen auf aktuelle Studien, die zeigen, dass Kinder durch mehr Selbstbestimmung nicht nur motivierter sind, sondern auch wichtige Fähigkeiten entwickeln, die sie im späteren Leben brauchen.

Eine Untersuchung von über 66.000 Schülern und Schülerinnen, die die Entwicklungspsychologin Winthrop zusammen mit der Brookings Institution und der Non-Profit-Organisation Transcend durchgeführt hat, ergab, dass nur 33 Prozent der Zehntklässler regelmäßig die Möglichkeit erhalten, eigene Ideen zu entwickeln. Mit den Schuljahren wächst der Frust: Während 74 Prozent der Drittklässler Schule als spannend empfinden, sinkt dieser Wert bis zur 10. Klasse auf gerade einmal 26 Prozent.

Was die Forschung lehrt

Johnmarshall Reeve, Pädagogikforscher an der Australian Catholic University, hat in über 35 Studien gezeigt, wie positiv sich mehr Handlungsspielraum auf Lernende auswirkt, so die Autorinnen. Wenn Kinder und Jugendliche eigene Entscheidungen treffen dürfen, sind sie engagierter, erfolgreicher und glücklicher. Lehrkräfte könnten das schon mit kleinen Anpassungen erreichen:

Statt einen starren Ablauf vorzugeben, könnten sie zu Beginn einer Unterrichtsstunde fragen: «Was interessiert euch besonders am heutigen Thema?» Anstelle von Anweisungen wie «Lest diesen Artikel bis Freitag» helfe eine Erklärung: «Dieser Artikel zeigt, wie Photosynthese bei der Entwicklung von Klimaschutztechnologien nützlich sein kann.»

Die Ergebnisse: bessere Noten, weniger Konflikte mit Gleichaltrigen und ein nachhaltigeres Interesse am Lernen.

Eltern als Begleiter

Auch Eltern können zu Hause die Autonomie ihrer Kinder fördern, so die Autorinnen. Der Bildungsforscher John Hattie etwa habe in seiner «Visible Learning»-Studie gezeigt, dass Kinder erfolgreicher lernen, wenn Eltern Empathie zeigen und Wahlmöglichkeiten anbieten. Auch wenn Kinder vielleicht Schwierigkeiten mit der Konzentration haben. Statt auf Durchsetzung zu pochen («Mach jetzt das!») und das dann genau zu kontrollieren, könnten Eltern gemäß Reeve sagen: 

«Ich höre, dass du sagst, du hasst es, Hausaufgaben zu machen. Das ging mir als Kind auch so» – durch diese Perspektivenübernahme zeigen sie Einfühlungsvermögen. Und weiter: «Aber Hausaufgaben können einen großen Unterschied machen, wenn es darum geht, eine neue Fähigkeit zu erlernen» – damit liefern sie eine erklärende Begründung. Schließlich: «Wir könnten 15 Minuten arbeiten und dann eine Pause machen, oder würdest du lieber jetzt eine Pause machen und in einer Stunde wieder anfangen?» – so bieten sie Auswahl und planen, was gemacht werden soll.

Man solle die Kinder tun lassen, was sie bereits könnten, und sie anleiten und ermutigen, Dinge zu tun, die sie fast könnten. Außerdem solle man sie Dinge lehren, die sie noch nicht könnten, zitieren Winthrop und Anderson etwa die Entwicklungspsychologin Aliza Pressmann. «Auf diese Weise können Eltern ihren Kindern helfen, Handlungskompetenz aufzubauen.»