Influencer sind Leute, die mit ihren Bildern und Geschichten im Internet zur Marke werden. Die Geschichte von Sophia Thiel (26) geht so: Vor Jahren verliert sie 30 Kilo, sie verwandelt sie sich vom pummeligen Teenager zur Bodybuilderin mit Sixpack.
Sie wird Fitness-Model und hat immer mehr Fans. Ihr Name verkauft sich, es gibt Ratgeber-Bücher, Sportklamotten, Kosmetik und eine Zeitschrift. Ihre Videos werden bei Youtube millionenfach geklickt, bei der Fitness-Messe FIBO in Köln wird sie umringt wie Jürgen Drews auf Mallorca. Fernsehzuschauer kennen die blonde Bayerin als Coach aus «The Biggest Loser» oder aus «Galileo».
200 Sport-BHs im Schrank, vier Stunden am Tag trainieren und das Essen bis aufs Gramm genau abwiegen: Sie lebt in der Welt der Fitness-Ultras. Es ist viel Schinderei. Dazu kommen: eine Trennung, ein rebellierender Körper, Shitstorms im Netz, eine Terminflut, eine abgelehnte Fotoproduktion, Zwist mit der Familie und die Schließung ihres geliebten Münchner Fitnessstudios Sophia Thiel wird es vor zwei Jahren alles zuviel. «Ich habe einfach nicht mehr gewusst, wohin mit mir», sagt sie heute. Sie fühlte sich verloren und fragte sich: «Wer will ich eigentlich sein?» Sie zieht die Reißleine und verschwindet von der Bildfläche.
Buch «Come back stronger» schildert Sinneswandel
Jetzt meldet sie sich mit einem Buch und neuen Botschaften zurück. In «Come back stronger» (ZS Verlag) erzählt sie von Erfolgen, Selbstzweifeln, der Suche nach Bestätigung, der Trennung von ihrem Freund und psychischen Problemen. Und auch von peinlichen Momenten, etwa, als ihr bei einem Foto-Shooting die Push-up-Einlage aus dem BH fällt. Es ist sehr viel Druck im Spiel, wenn man aus dem eigenen Leben Internet-Content macht und jedes Kilo am Körper öffentlich begutachtet wird. Das wird im Buch deutlich.
Heute sagt Thiel: Das Kalorienzählen, das Lebensmittel-Abwiegen oder die Diät-Tipps, das würde sie heute eher nicht mehr so machen, gerade wegen der jungen Fans. «Denn es gibt im Leben ein bisschen mehr, als den perfekten Körper zu haben.» Sophia Thiel steht dazu, dass sie eine Therapie gemacht hat. Sie kämpfte mit Essattacken.
Thiel sagt, sie kenne viele junge Frauen und Mädchen, vor allem in der Fitness-Szene, die an einer Essstörung litten oder noch mittendrin steckten oder gerade reinrutschten. Sie möchte aufklären, damit die nicht das Gleiche durchmachen wie sie. Den Kraftsport will sie weiter als Hobby machen, aber keine Wettkämpfe mehr. «Ich finde es super, wenn mein Buch zur Selbstreflexion anregt, dass Leute ihr eigenes Verhalten, ihren Social-Media-Konsum und ihren Umgang mit sich selbst ein bisschen hinterfragen.»
Das normale Leben wieder für sich entdeckt
In ihrer Auszeit hatte sie vorübergehend die Apps für die sozialen Medien vom Handy gelöscht. «Es fiel mir leichter als gedacht.» Sie entdeckte das normale Leben wieder für sich und verliebte sich neu. Sie interessiert sich jetzt für mentale Themen. In ihren neuen Videos stellt sie ihren Freund Raphael ihren Fans vor oder geht zum Friseur. Die Haare sind jetzt etwas kürzer und dunkler, die Kurven etwas runder als zu Bodybuilder-Zeiten.
Was Schönheitsideale angeht: Sie fände eine Entwicklung sehr schön, dass man auch die Schönheit in menschlichen Körpern sieht, die nicht perfekt sind. Weniger Filter. Sie erkennt, wenn bei Fotos gemogelt wird: «Wenn man sich ein bisschen mit der menschlichen Anatomie beschäftigt, dann sieht man das sehr offensichtlich: Okay, du hast keine Organe mehr, die Arme sind so abgeknickt.»
Wenn sie einmal eigene Kinder hat, sollen die am besten in der Natur, nicht in einer Großstadt aufwachsen. Sophia Thiel malt sich das so aus: Die Kinder würde sie in den Wald rausschicken, dass sie richtig im Dreck spielen können. Handys und Social Media sollen sie erst spät kennenlernen.
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