Mit Junggesellenabschieden ist es so, wie mit Spielen oder Beiträgen auf einer Hochzeit. «Es kann eine Riesen-Chance sein, etwas wirklich Tolles und eine bleibende Erinnerung zu schaffen», sagt der Hamburger Autor Thomas Sünder («Wer Ja sagt, darf auch Tante Inge ausladen»).
Manchmal kann es jedoch auch in die Hose gehen. Weil offenbar viele meinen, dass man bei Braut oder Bräutigam in spe irgendeine Verlegenheit oder gar Peinlichkeit erzeugen sollte. «Aber es macht überhaupt keinen Sinn, die beste Freundin oder den besten Freund vorzuführen», sagt Hochzeitsplanerin Judith Ihl-Lange. Sie weiß allerdings: Junggesellenabschiede sind in – «mehr denn je».
Ganz im Gegensatz übrigens zu einer so genannten Polterhochzeit. Also jener Mischform zwischen Hochzeit und Polterabend, die als weniger förmlich als ein «klassisches» Fest gilt und eher bodenständig gefeiert wird. «In zwölf Jahren habe ich noch keine einzige Polterhochzeit miterlebt», sagt Thomas Sünder, der als DJ bei mehr als 500 Hochzeiten dabei war.
Junggesellenabschiede: Schmerzhaft oder Spaß?
Das ist bei Junggesellenabschieden – kurz «JGA» genannt – natürlich anders. Und jeder hat sie schon irgendwo gesehen: Ob beschwipste junge Frauen, die im Pferdewagen in den Pfälzer Weinbergen unterwegs sind, oder auch bierselige Männertrupps, die mit Bollerwagen über die Reeperbahn ziehen. Wobei der künftige Ehemann neben einer Damenperücke nicht selten ein T-Shirt mit Sprüchen wie «Ein Sexgott verlässt den Olymp» oder «Letzte Tour in Freiheit» trägt.
Derweil eine Braut oft an einem Bauchladen zu erkennen ist, aus dem sie allerlei Krimskrams verkaufen soll. Nicht jeder, der das sieht oder selbst erlebt, hat jedoch auch immer Spaß daran. «Das Schlimmste war, dass ich mal eine Frau gesehen habe, die penisförmige Lollies verkaufen musste», sagt Thomas Sünder.
Auch Judith Ihl-Lange findet, dass es Grenzen gibt: Die allerdings sind ganz individuell. «Die Eine empfindet schon den Bauchladen als schmerzhaft, für die Andere fängt der Spaß da erst an.» Letztendlich ist es da wie mit vielen Dingen: Erlaubt ist, was gefällt und Spaß macht. Vor allem aber der Braut. «Die Frage ist: Was kann ich ihr zumuten? Wenn ich ihr etwas aufbürde, wobei sie sich nicht wohlfühlt, dann kann es schnell kippen», sagt die Hochzeitsplanerin.
Warum nicht mal Wellness-Trip statt Peep-Show?
Auch der Besuch einer Peep-Show muss kein Pflichtprogramm für Junggesellen sein. «Man muss nicht auf Krampf in einen Strip-Club gehen, nur weil man denkt, man muss es jetzt noch mal richtig krachen lassen, bevor die Ehe kommt», sagt Sünder. Das sei vielleicht früher so gewesen, als man noch mit Anfang 20 geheiratet habe. «Aber so funktioniert die Welt nicht mehr. Heute sind sich viele Paare eh schon lange vor der Hochzeit treu.»
Statt das Sexuelle bei solchen JGA-Bräuchen überzubetonen, sei es doch viel schöner, die Freundschaft der JGA-Teilnehmer ins Zentrum zu stellen. «Meine persönliche Idealvorstellung ist, es irgendwie hinzubekommen, mit einer Gruppe irgendwo zwei Tage zu verbringen und wirklich Zeit füreinander zu haben», sagt Sünder.
Das könne ein Städte-Trip mit vollem Programm genauso wie eine einsame Berghütte mit Wandertouren sein. «Alles ist denkbar – es hängt ganz von der Clique ab», sagt Judith Ihl-Lange. Auch ein Kurztrip nach Mallorca, eine Shoppingtour oder ein Wellnesswochenende könne die Alternative zur ausgelassenen Fete mit Stripper-Besuch sein.
Doch ganz gleich, wie man feiert: Die jeweiligen Mütter oder Väter der Brautleute sind beim JGA selten dabei. «Im Prinzip sind sie außen vor, weil auch die Interessen unterschiedlich sind», sagt die Hochzeitsplanerin. Denn der Junggesellenabschied ist vor allem – geschlechtsspezifisch aufgeteilt – für eine Gruppe gedacht: die ältesten beziehungsweise engsten Freunde und Freundinnen von Braut und Bräutigam.
Polterabend für all jene ohne Hochzeitseinladung
Wie aber feiert man mit jenen Menschen, die einem nicht ganz so nahestehen? Die keine Einladung zur Hochzeit haben? Aber mit denen man sich trotzdem irgendwie verbunden fühlt? «Für so etwas bietet sich ganz klar ein Polterabend an!», sagt Judith Ihl-Lange.
Oft laden dazu jene Paare ein, die sich ehrenamtlich engagieren oder Mitglied in einem Verein oder der Feuerwehr sind. Die Feier findet dann in einem ganz lockeren Rahmen statt: meistens zuhause mit Zelt, Bierbänken und zünftigem Büffet. Förmliche Einladungen muss es dazu nicht geben. «Das ist total ungezwungen, da kann jeder Nachbar vorbeikommen – auch als Nichteingeladener.»
«Das ist eine tolle Chance, um die Leute dabei zu haben, die bei der offiziellen Feier nicht dabei sind», sagt Thomas Sünder. Man müsse nur ein bisschen aufpassen, wenn sich Gäste unterhalten und erfahren, wer beim richtigen Hochzeitsfest eingeladen ist und wer nicht. «Da muss man dann ein Händchen haben, dass keiner beleidigt ist», sagt Sünder. «Aber im Grunde genommen verstehen es die meisten. Schließlich zeigt man als Brautpaar, dass es einem wichtig ist, auch Kollegen, Nachbarn oder Vereinsmitglieder dabei zu haben.»
Zerdeppertes Porzellan in Großstädten eher selten
Es gibt jedoch Polterabende, da wird gar nicht richtig «gepoltert». Sprich: Nicht in jeder Region werfen die Gäste draußen bei ihrer Ankunft Porzellanteller und Keramiktassen auf den Boden, weil das die bösen Geister vertreiben und Glück bringen soll. Anders als auf dem Land, ist dieser Brauch in Städten eher selten. «In Hamburg habe ich noch nie Scherben zu solch einem Anlass gesehen», sagt Thomas Sünder.
In einer Sache sollten sich die Brautpaare landauf landab jedoch einig sein: beim Zeitpunkt. Vom traditionellen Termin, dem Vorabend vor der Hochzeit, raten die Experten jedenfalls ab. Drei Tage sollten mindestens zwischen den Feierlichkeiten liegen, besser vielleicht sogar eine Woche.
«Wer am Abend vor der Hochzeit zum Polterabend einlädt und da bis ans Limit geht, für den wird das Hardcore», prophezeit Judith Ihl-Lange. Und auch Thomas Sünder empfiehlt: «Auf keinen Fall am Abend vorher feiern.» Denn eine Hochzeit sei «dermaßen kräftezehrend: Da sollte man in solch einen Tag keinesfalls mit einem Kater und übermüdet starten».
Literatur:
Thomas Sünder: Wer Ja sagt, darf auch Tante Inge ausladen: Tipps vom Profi für die perfekte Hochzeitsfeier, 2019, Verlag blanvalet, 272 Seiten, 10,00 Euro, ISBN-13: 3442381312.
Thomas Sünder: Wer hat eigentlich die Ringe? Tipps vom Profi für alle Trauzeugen, 2016, Verlag blanvalet, 320 Seiten, 9,99 Euro, ISBN-13: 978-3-7341-0402-2.
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