21. November 2024

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Menschen mit Seltenen Erkrankungen fordern mehr Akzeptanz

Die an dem Gen-Defekt «FOP» erkrankte Nadine Großmann ist Mitglied des Vorstands des Vereins Loudrare und Biochemikerin der Freien Universität Berlin. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jörg Carstensen/dpa)

Menschen mit Seltenen Erkrankungen wünschen sich weniger Stigmatisierung und mehr Akzeptanz in der Gesellschaft. «Andere Menschen reagieren oft mit peinlichem Schweigen oder sprechen von einer «furchtbaren» oder «schrecklichen» Krankheit, sagte Nadine Großmann vom Vorstand des Vereins Loudrare im Vorfeld des Tages der Seltenen Erkrankungen am 28. Februar.

«Wir wollen aber kein Mitleid», so die Berlinerin. Der Verein will Betroffenen eine Stimme geben und mit der Kampagne #wiedu in verschiedenen deutschen Städten deutlich machen, dass sie Menschen wie andere auch sind.

Viele Reaktionen kämen aus Unwissenheit, seien unbedacht und nicht böse gemeint. «Ja, es ist nicht leicht, mit meiner Erkrankung zu leben. Sie führt zu vielen Mobilitätseinschränkungen. Aber ich möchte nicht ständig mit negativen Begriffen assoziiert werden. Die Krankheit ist ein Teil von mir und ich kann sie nicht einfach wegzaubern», sagt die 31-Jährige mit dem seltenen Gendefekt Fibrodysplasia Ossificans Progressiva (FOP).

Bei Wundheilung bilden sich Knochen

Gerade einmal 45 Menschen seien in Deutschland mit dieser Diagnose bekannt. Bei der Wundheilung bildet sich kein Narbengewebe, sondern Knochen. Selbst kleine Verletzungen können dazu führen, dass Gelenke plötzlich unbeweglich werden und sich der Körper langsam versteift. «Die Knochen entstehen dort, wo sie nicht hingehören», so die Biochemikerin der Freien Universität Berlin, die momentan in Philadelphia an ihrer eigenen Krankheit forscht.

«Wenn uns immer wieder jemand sagt, die Krankheit sei furchtbar, müssen wir es immer wieder von neuem verarbeiten und uns damit auseinandersetzen», so Großmann. Dies könne immer wieder Wunden aufreißen. «Das ist für uns am schlimmsten», sagt sie. Dabei seien die Erkrankungen gar nicht unbedingt immer furchtbar. «Wir arrangieren uns damit. Man findet seinen Weg», so die Forscherin.

Das Seltene als normal zu betrachten

«Es würde uns viel mehr helfen, wenn die Menschen neutral reagieren und echtes Interesse zeigen. Dann kann man auch offen in ein Gespräch gehen», so Großmann. Auch mehr Inklusion in Kitas und Schulen würde aus ihrer Sicht helfen, das Seltene eher als normal zu betrachten.

In der Kampagne stellt der Verein neben Großmann fünf weitere Menschen mit Seltenen Erkrankungen vor. In Deutschland gelten demnach rund 8000 Erkrankungen als selten, für 95 Prozent gibt es laut Verein keine zugelassene Therapie. Etwa vier Millionen Patienten sind demnach in Deutschland von einer Seltenen Erkrankung betroffen. In der EU gilt eine Erkrankung als selten, wenn höchstens 5 von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind.

Diagnose Seltener Erkrankungen dauert oft Jahre

Menschen, die an einer Seltenen Erkrankung leiden, brauchen oft viele Jahre um eine Diagnose zu bekommen. «Es ist erschreckend, dass Patientinnen und Patienten mit einer Seltenen Erkrankung noch immer im Schnitt sieben Jahre eine Odyssee durch weite Teile unserer Medizin durchlaufen, bis ihre Krankheit endlich diagnostiziert wird!», teilte der bayerische Patienten- und Pflegebeauftragte, Peter Bauer, mit.

Anlässlich des Internationalen Tags der Seltenen Erkrankungenwill Bauer die Beschäftigten in den Gesundheitsberufen deshalb für das Thema sensibilisieren. Diese sollten Menschen mit Seltenen Erkrankungen auf dem Weg zur Diagnose unterstützen und sich bei Anlaufstellen Rat holen, sagte Bauer. An allen bayerischen Universitätskliniken gebe es Zentren für Seltene Erkrankungen. Datenbanken könnten über eine Symptomsuche bei der Diagnose helfen. Außerdem unterstützen Lotsen der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen Ärzte bei der Suche nach Fachleuten.