Die Herausnahme eines höchstwahrscheinlich misshandelten Kindes aus seiner Familie kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn es keine hundertprozentigen Beweise gibt. Das stellt das Bundesverfassungsgericht mit einer nun veröffentlichten Entscheidung klar.
Eine Trennung von den Eltern sei nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt. Diese seien aber erfüllt, wenn «sich eine erhebliche Gefährdung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt», teilten die Karlsruher Richterinnen und Richter mit. Dabei gelte der Grundsatz: Je schlimmer der zu befürchtende Schaden für das Kind, desto geringer die Anforderungen an den Grad der Wahrscheinlichkeit. (Az. 1 BvR 1807/20)
Im konkreten Fall ging es um einen Säugling, der wenige Wochen nach der Geburt bei einem nicht genau aufklärbaren Vorfall einen Oberschenkelbruch erlitten hatte. Die Eltern behaupteten, es habe beim Wickeln auf einmal «geknackst». Mehrere medizinische Gutachter kamen dagegen zu dem Schluss, dass der Vater das Bein mit massiver Gewalt verdreht haben müsse. Als bei dem Kind kurz darauf auch noch Veränderungen am Schädel festgestellt wurden, die die Ärzte auf ein Schütteltrauma zurückführten, griff das Jugendamt ein. Später wurde den Eltern das Sorgerecht in weiten Teilen entzogen.
Dagegen hatten sie Verfassungsbeschwerde eingelegt – erfolglos. Das Frankfurter Oberlandesgericht, das zuletzt mit dem Fall zu tun hatte, habe «einen Grad von Gewissheit ausreichen lassen, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen». Mehr sei nicht geboten, entschieden die Verfassungsrichter. Denn eine in jeder Hinsicht unumstößliche Sicherheit wäre praktisch unerfüllbar.
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