«Kreuzberger Nächte sind lang…»: Berlins Szene ist berühmt für Rausch und Exzess, doch Corona hat das ausgebremst. Nun eröffnete in der Hauptstadt sogar der (Eigenbezeichnung) «erste alkoholfreie Späti Deutschlands».
Das umgangssprachliche «Späti» ist ein besonders berlinisches Wort für Kiosk, Bude, Spätkauf. Im «Null Prozent Späti» in Kreuzberg, der nicht zuletzt wegen Corona nur bis 20 Uhr auf hat, und im Online-Shop gibt es Bier, Rum, Aperitifs, Gin, Wodka, Tequila oder auch Merlot und Chardonnay ohne Umdrehungen.
Der Alkfrei-Trend, den auch der Biermarkt seit Jahren zeigt, breitet sich aus. Die Marke Martini pusht derzeit etwa alkoholfreie Aperitivo-Sorten. Im Berliner Stadtteil Friedrichshain eröffnete 2020 eine Alkoholfrei-Bar namens «Zeroliq».
«Wir haben mehr als 200 alkoholfreie Getränkealternativen und helfen dir dabei, die Frage zu beantworten «Was trinke ich, wenn ich nicht trinke?»», sagen die Späti-Macherinnen, die aus Süddeutschland stammen. Katja Kauf (29) und Isabella Steiner (32) führen ihre Idee auch auf das selten hinterfragte Trinkverhalten zurück, sprich den Mimosa am Morgen, den Aperol in der Sonne oder das Feierabendbier.
Es herrsche ein Gesellschaftsklima, in dem es schwierig sei, ein Glas abzulehnen, «ohne dass man dabei entweder überredet, nicht ernstgenommen, verurteilt oder als Spaßbremse abgestempelt wird», sagen sie. Dabei gebe es gute Gründe, auf Promille im Glas zu verzichten. Ihnen gehe es in erster Linie um neue leckere Botanicals und ein «Ja zum Alkoholfrei und nicht um ein Nein zum Alkohol», betont Steiner, die aus der Nähe von Lörrach stammt. Die Klischeezielgruppe Schwangere mache nur einen kleinen Teil der Kunden aus. Online-Bestellungen kämen seit einem halben Jahr aus vielen Teilen Deutschlands, etwa Hamburg, München, Freiburg oder Stuttgart.
Zum Trend «Mindful Drinking», also dem aufs Trinken übertragenen Credo Achtsamkeit, planen Steiner und Kauf auch ein Buch. Isabella Steiner sagte kürzlich der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung»: «Wir glauben, dass 2021 das Jahr der nichtalkoholischen Getränke wird. Hier in Berlin werden Trends oft vorgekocht, in unserem Fall vorgetrunken, und Diversität ist ohnehin ein großes Thema – warum nicht auch in unseren Trinkgewohnheiten?»
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