Die Geburt eines Kindes ist für viele Mütter ein Wendepunkt im Leben. Doch was, wenn statt Freude über das Baby plötzlich Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und Schuldgefühle überwiegen? Dann könnte es sich um eine postpartale Depression handeln, umgangssprachlich auch Wochenbettdepression genannt.
«Bleibt diese psychische Erkrankung unbehandelt, besteht das Risiko, dass die Depression chronisch wird und Betroffenen über einen langen Zeitraum zu schaffen macht. Daher ist es sehr wichtig, früh zu handeln», so Klaus-Dirk Kampz, Geschäftsführer der My Way Psychiatrischen Klinik in Eckenhagen. «Wochenbettdepressionen sind gut behandelbar, daher sollten Mütter keine Scheu haben, sich helfen zu lassen.»
Babyblues oder Wochenbettdepression?
Laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe sind depressive Erkrankungen rund um Schwangerschaft und Geburt keine Seltenheit. «Depressionen treten über die gesamte Lebensspanne auf, auch in Lebensphasen, die wir mit Freude und Glück verbinden», heißt es dort. Doch die Erkrankung bleibt häufig unerkannt und unbehandelt, weil sie oft mit einem «normalen» Stimmungstief nach der Geburt verwechselt wird, dem sogenannten «Babyblues»
Den erleben die meisten Frauen nach der Geburt ihres Kindes, erklärt die Stiftung. Zwischen dem dritten und fünften Tag nach der Geburt treten Stimmungsschwankungen, häufiges Weinen, Müdigkeit und innere Unruhe auf. Diese Symptome klingen jedoch meist nach wenigen Tagen von selbst wieder ab und benötigen keine Behandlung.
Anders sieht es bei der postpartalen Depression aus, die in den ersten Monaten nach der Geburt auftritt und länger andauert. Diese unterscheidet sich, etwa hinsichtlich tiefer Traurigkeit, nicht grundsätzlich von anderen Depressionen, hat aber einige besondere Merkmale, so die Stiftung Deutsche Depressionshilfe:
- ausgeprägte emotionale Labilität
- Unfähigkeit, positive Gefühle für das eigene Kind zu entwickeln bis hin zur Gefühllosigkeit
- übermäßige Angst und Sorge um das Wohlergehen des Kindes
- ausgeprägte Gedanken und Zweifel an den eigenen Fähigkeiten als Mutter sowie Versagensängste: «Ich bin eine schlechte Mutter», «Ich kann mein Kind nicht versorgen»,
- Zwangsgedanken (etwa das Kind zu schädigen)
- Stillprobleme
Die Entstehung einer postpartalen Depression ist komplex. Neben hormonellen Veränderungen können auch psychische und soziale Faktoren eine Rolle spielen, heißt es weiter. Etwa ein traumatisches Geburtserlebnis, Veränderungen des Selbstbildes oder starke Zweifel an der Mutterrolle, außerdem ein fehlendes Unterstützungsnetzwerk, Beziehungsprobleme oder gesellschaftlicher Druck.
«Gerade hohe Erwartungen an die Mutterrolle und der gesellschaftliche Druck, immer perfekt funktionieren zu müssen, sind häufige Belastungsfaktoren», so Kampz. «Viele Mütter machen sich enorme Sorgen, keine gute Mutter zu sein.»
Behandlung: Was hilft betroffenen Müttern?
«Betroffene benötigen vor allem Mut, Unterstützung und Verständnis, um mit der schwierigen Situation zurechtzukommen», so der Klinikleiter. Als erste Anlaufstellen nennt Kampz Hausärzte, Hebammen, Gynäkologen oder therapeutische Sprechstunden.
Je nach Schweregrad empfehlen die Experten zur Behandlung zum einen eine Psychotherapie – besonders bewährt haben sich die kognitive Verhaltenstherapie und die interpersonelle Therapie. Dabei geht es Kampz zufolge unter anderem darum, «das Selbstwertgefühl der Mütter zu stärken und ihre Beziehung zum Kind zu verbessern». Wichtig, so die Stiftung Deutsche Depressionshilfe, sei im Zuge dessen auch der Einbezug des Partners und weiterer Angehöriger wichtig, um mögliche familiäre und partnerschaftliche Konflikte zu bearbeiten und Chancen der Entlastung zu besprechen.
Zum anderen kann in schweren Fällen auch eine medikamentöse Behandlung sinnvoll sein. Die Einnahme von Antidepressiva ist auch während der Stillzeit möglich, sollte aber sorgfältig mit dem Arzt besprochen werden, so die Stiftung.
Unter Umständen könne, etwa bei schwerer Depression oder Postpartaler Psychose, zum Wohl von Mutter wie Kind ein (gemeinsamer) Klinikaufenthalt notwendig sein. Dafür gibt es an einigen psychiatrischen Krankenhäusern auch spezielle Mutter-Kind-Abteilungen, in denen die Mutter zusammen mit dem Kind aufgenommen werden kann.
Scham und mangelndes Verständnis schaden allen
Obwohl die Wochenbettdepression behandelbar ist, suchen viele Betroffene keine Hilfe – oft aus Scham, so die Deutsche Depressionshilfe. Es sei daher von größter Bedeutung für den Verlauf der Krankheit, dass sowohl die Mutter als auch ihre Familie verstehen:
«Die Wochenbettdepression ist kein persönliches Versagen und kein Zeichen dafür, dass eine Frau eine schlechte Mutter ist oder ihr Kind nicht genügend liebt.» Es handle sich um eine Krankheit, die behandelt werden könne. «Im Interesse der Mutter und des Kindes sollte daher unbedingt professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.»
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