Nach einem schwarzen Jahr mit Corona-Sorgen und Flutkatastrophe will wenigstens das Jahresende in rosafarbenen Tönen ausklingen. Der schon länger beobachtete Trend zum Rosé bei Wein und Sekt verstärkt sich nach der Zulassung von Rosé beim Prosecco.
«Der größte Schaumweintrend des Jahres 2021 weltweit ist aus meiner Sicht der Prosecco Rosé», sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung der Sektkellerei Henkell Freixenet, Andreas Brokemper. «Mit einem Jahresabsatz von 80 Millionen Flaschen hat Rosé-Prosecco auf Anhieb ein Drittel des gesamten Champagner-Absatzes erreicht – das ist schon gigantisch.»
Rotwein-Rebsorte bringt Farbe ins Spiel
Beim Mionetto Rosé aus der Henkell-Freixenet-Gruppe wird der Geschmack zu 85 Prozent von der weißen Prosecco-Rebsorte Glera geprägt, die restlichen 15 Prozent stellt der Spätburgunder. Damit kommt nicht nur die Farbe ins Spiel, sondern auch die besondere Aromatik der Rotwein-Rebsorte, die im Unterschied zu weiter südlich wurzelnden Rebsorten auch immer von einer fruchtigen Säure geprägt wird. «Der Prosecco Rosé erfüllt in seiner «Drinkability» das Beste aus zwei Welten», sagt Brokemper in der Sektmanufaktur der historischen Kellereianlage in Wiesbaden-Biebrich.
«Wir sehen bereits seit einigen Jahren eine zunehmende Begeisterung vieler Menschen für Rosé-Sekte», heißt es bei den Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien in Freyburg, dem Zentrum des Weinanbaugebiets Saale-Unstrut. Diese Angebote, darunter ebenfalls ein Prosecco in Rosé, «finden besonders zu den Festtagen viele neue Fans».
An der Mosel schätzt Johannes Singer vom Sektgut St. Laurentius, dass sich die Aufträge von Winzern der Region für die Herstellung von Rosé-Sekt zuletzt verdreifacht haben: «Inzwischen wollen alle auch einen Rosé-Sekt anbieten.» Auch bei den eigenen Rosé-Sekten steige die Nachfrage stetig. Dazu gehört ein 2019er Spätburgunder Crémant «Cuvée Nadine», der in diesem Jahr einen Sonderpreis des Deutschen Weininstituts für den besten Rosé-Sekt erhalten hat.
Rosé welweit mehr gefragt
Die weltweit verstärkte Nachfrage nach Rosé registriert auch das rheinhessische Sekthaus Raumland, das jetzt als erster Sekthersteller dem Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) angehört. «Das Spannende beim Rosé-Sekt ist, dass er eine gewisse Tannin-Struktur hat, eine Balance von Eleganz und ein bisschen mehr Körper», sagt Katharina Raumland. «In der Champagne sind die Rosés mit die hochwertigsten Champagner.»
Rosé-Sekt wird meist aus Spätburgunder hergestellt. Die rote Traubenhaut darf beim Pressen aber nur kurz in Kontakt mit dem hellen Most bleiben. So entsteht ein hellrosafarbener Grundwein. Der preisgekrönte Rosé-Sekt von der Mosel wurde als Blanc de Noir ausgebaut, also als Weißwein, und bekam seine Farbe dann bei der Dosage, also der geschmacklichen Abstimmung nach der Flaschengärung, von einem trockenen Rotwein. Bei der Zweitvergärung eines bereits roséfarbenen Weins könne sonst leicht eine ungewünschte Kupfertönung entstehen, erklärt Sektmacher Singer.
Auch bei Raumland kommt bei der Dosage im Anschluss an die Flaschengärung ein wenig Rotwein dazu, höchstens 0,3 Prozent, wie Katharina Raumland sagt. Wenn ganz auf die Nachsüßung einer Dosage verzichtet wird, kann der Rosé mit einem weiteren Trend verbunden werden, dem zum besonders trockenen Sekt der Geschmacksrichtung «brut nature».
Schaumwein-Trinker achten mehr auf Qualität
«Ein richtig guter Wein braucht nach der Flaschengärung gar keine Dosage», sagt Henkell-Chef Brokemper. «Sekt aus Flaschengärung hat immer etwas Geheimnisvolles», sagt Brokemper. Hingegen trete Prosecco unkomplizierter auf, mit dem Anspruch, sofort geliebt zu werden. «Der Trend zum Prosecco entspricht der Vorliebe für frische Weine. Seine Herstellungsmethode bringt die Primäraromen besonders gut heraus, die Assoziationen an Apfel, Zitrusfrüchte, Pfirsich oder auch Honig.»
Die Einschränkungen im mittlerweile zweiten Pandemie-Jahr haben dazu geführt, dass mehr auf Qualität und etwas weniger auf den Preis geachtet wird. «Es findet mehr in den eigenen vier Wänden statt», sagt Brokemper. «Davon profitieren vor allem Premium-Produkte, es wird hochwertiger getrunken.»
Hochwertiger – und im längerfristigen Trend etwas weniger: Während der Pro-Kopf-Konsum 2011 noch bei 49 kleinen Gläsern (0,1 Liter) lag, waren es 2020 39 Gläser – bezogen auf die Bevölkerung in Deutschland im Alter ab 16 Jahren. Insgesamt wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamts 2020 in Deutschland 274 Millionen Liter Schaumwein abgesetzt.
Anlass verliert an Bedeutung
Bislang verkauften die Sekthersteller etwa ein Fünftel ihrer gesamten Jahresproduktion im Dezember. Doch das ändert sich langsam. Brokemper spricht von einer «Desaisonalisierung» und einer «Entformalisierung» des Schaumweins: «Zu einem Glas Sekt braucht man nicht so sehr wie früher einen förmlichen Anlass oder ein Datum im Kalender.» Der Dezember mit Weihnachten und Silvester verliere seine Rolle als überragender Absatzmonat. «Jeder findet inzwischen einen eigenen Anlass.»
«Mit Rosé-Sekt verbinde ich eine ganz besondere Leichtigkeit des Seins», sagt Sandra Isabelle Ackermann, Autorin des Buchs «Champagne for the Ladies!». Die Farbtöne seien faszinierend. «So kann auch das neue Jahr beginnen, leicht, prickelnd, zwischen elegantem Lachs-Ton und wachem Pink.»
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