Ein säuerlich-herber Duft liegt in der Luft, als Wiebke und Andreas Melcher ihre Haustür in Hamburg öffnen. Die beiden sind Hobbybierbrauer und wollen gerade ihre neueste Kreation abfüllen.
«Jeder weiß, was in Bier drin ist und dass es gebraut wird. Aber wie das genau funktioniert, wusste ich nicht», sagt der 38-jährige Andreas Melcher, während er durch den Flur, in dem einige Bierkisten gestapelt stehen, geht. Also schenkte ihm seine Frau zum Geburtstag einen Braukurs. «Einen, in dem man lernt, mit haushaltsüblichen Materialien zu brauen», sagt die 35-jährige Wiebke Melcher. Das war 2014. Seitdem haben die beiden schon 72 Mal zusammen gebraut – und sie wurde 2017 sogar Dritte bei der ersten Deutschen Meisterschaft der Hobbybrauer.
Auf die Malzsorte kommt es an
«Der Brauprozess ist einfach, aber es gibt viele Freiheiten», sagt er. Das mache das Ganze spannend. Los gehe es bei der Auswahl des Malzes. Er holt eine Plastikkiste, in der ein gutes Dutzend Glasfläschchen mit Korkenverschluss stehen. Nacheinander stellt er sie auf den Wohnzimmertisch und erklärt, was sie enthalten: verschiedene Malzsorten, manche leicht, andere fast schwarz geröstet, Reis und über Feuer geröstetes Malz für ein Rauchbier.
«Für ein Schwarzbier oder Stout nimmt man richtig dunkelgeröstete Sorten», sagt der Hobbybrauer. Seine Frau ergänzt: «Die Malzsorte gibt den Geschmack und den Biertyp vor. Aber eigentlich ist das Wasser die entscheidende Zutat.»
Weiches Wasser besser für den Geschmack
Je nachdem, wie hart oder weich das Wasser ist, mit dem gebraut wird, schmeckt das Bier anders. Je weicher das Wasser, desto besser der Geschmack. Weil die Wohnung der Melchers in einem Wassermischgebiet liegt, sie also abwechselnd Wasser aus zwei verschiedenen Wasserwerken bekommen, haben sie mal «schlechtes, hartes Wasser», mal «gutes, weiches». Vor dem Brauen messen sie, welcher Wassertyp gerade aus dem Hahn fließt.
So wie die beiden Hamburger haben zuletzt viele Deutsche das Bierbrauen als Hobby für sich entdeckt, wie Holger Eichele vom Deutschen Brauer-Bund weiß. «Es gibt allein in Deutschland mehrere Zehntausend Hobbybrauerinnen und Hobbybrauer. Sie bilden ein großes Netzwerk, in dem Wissen und Rezepte ausgetauscht werden, aber auch Rohstoffe», so der Hauptgeschäftsführer.
Wettbewerbe für die Heimbrauer-Szene
Viele Brauereien unterstützen die Hobbybrau-Szene aktiv und profitierten so von dem Wissenstransfer. Der Wettbewerb in Stralsund wird beispielsweise von der Störtebeker Braumanufaktur ausgerichtet. «Wir erleben in Deutschland eine Renaissance des Brauhandwerks. Wettbewerbe wie dieser sind deshalb so wertvoll, weil sie die Braukunst und die Qualität in den Mittelpunkt stellen», sagt Eichele dazu. So steige die Wertschätzung für Bier bei den Verbrauchern.
Die sehr aktive und dynamische Heimbrauer-Szene Deutschlands wurde Eichele zufolge 2020 auch von der Unesco gewürdigt, als sie das Brauen in Deutschland zum Immateriellen Kulturerbe erklärte. Nicht selten setzten Hobbybrauer auch neue Trends.
Wenn sich das Ehepaar zum Brauen verabredet – etwa zehn Mal pro Jahr – fangen sie frühmorgens an. Denn das Prozedere dauert rund sieben Stunden. «Zuerst schroten wir das Malz und mischen es mit Wasser», sagt Wiebke Melcher. Weil das eine ziemliche Pampe ist, muss sie «geläutert», also gesiebt, werden. «Anfangs haben wir ein Nudelsieb genommen, aber das war eine Sauerei.» Mittlerweile benutzen sie ein richtiges Läuterblech aus Edelstahl.
Brauvorgang erfordert viele Arbeitsschritte
Die Flüssigkeit, die übrig bleibt, heißt Würze. Diese kochen die Melchers im nächsten Schritt mit Hopfen auf und auf die «Stammwürze» ein. Dann muss Brauhefe dazugegeben werden und das Bier eine Woche lang in einem Gärtopf arbeiten, so dass die Hefe den Zucker in Alkohol und Kohlendioxid umwandelt. «Anfangs haben wir den Wecktopf meiner Mutter benutzt und nur zwölf Liter gekocht», sagt Wiebke Melcher. Ihr Mann ergänzt: «Die Arbeit ist die gleiche, ob man nun 5 oder 500 Liter macht.» Also schafften sich die beiden zumindest einen ordentlichen 50-Liter-Brautopf an.
Insgesamt haben sie zwischen 1000 und 2000 Euro in ihr Hobby investiert. «Aber dafür, dass wir zu zweit sind und das seit sieben Jahren machen, finde ich das nicht viel», meint Andreas Melcher. Pro Brauvorgang geben sie zwischen 20 und 30 Euro für die Zutaten aus. Gerade ist ihr Wacholderbier fertig. Das Ehepaar hievt den großen Eimer auf den Küchentisch. In einer Ecke stehen Flaschen bereit, die Andreas morgens gewaschen und desinfiziert hat. «Wir müssen sehr sauber arbeiten, sonst infiziert sich das Bier und wird schlecht», sagt Wiebke Melcher, während sie mit einer Abfüllpistole geschickt Flasche um Flasche befüllt. Ihr Mann presst Kronkorken darauf.
Der Bildtechniker und die Psychologin sind ein eingespieltes Team. Als solches und mit zwei Bieren treten sie auch am Samstag bei der diesjährigen Deutschen Meisterschaft der Hobbybrauer in Stralsund an. Mit 180 Bierbrauern aus ganz Deutschland fiebern sie auf den Titel. Aber vor allem geht es ihnen um Spaß und Genuss.
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