Hillary und Trump sind an diesem Januarmorgen wenig erbaut über Besuch, die beiden Virgina-Uhus suchen maximalen Abstand zu Fremden in ihrer Voliere.
Mit fast 40 Jahren sind die Vögel mit ihrem braun-schwarzen Gefieder die ältesten Bewohner des Wildvogel- und Artenschutzzentrums des Tierschutzvereins Lüneburg. Besonders gut gelaunt ist auch die stolze Schnee-Eule Arktika nicht, auch wenn Jaden Ernst ihr ins Federkleid greifen darf. Sie kam in einem erbärmlichen Zustand in die Notfallstation für gestrandete Wildtiere ins Außengehege nach Rullstorf.
Wildtiere kann man sich nicht einfach ins Wohnzimmer holen
Inspiriert durch die Schnee-Eule Hedwig von Harry Potter hatten die alten Besitzer das ungewöhnliche Tier ohne Vorkenntnisse illegal via Internet angeschafft und es ganz falsch ernährt. «Die Leute haben ihr Putenbrust aus dem Supermarkt gegeben, aber sie braucht auch Knochen und Fell», erzählt der 22 Jahre alte Ernst, der die Station ganz allein ehrenamtlich betreibt. Arktika zog sich eine schwere Magen-Darm-Entzündung und einen multiresistenten Keim zu, sie verlor zudem ihr Fell.
«Es handelt sich immerhin um Wildtiere, die kann man nicht einfach ins Wohnzimmer holen», sagt Jenifer Calvi von der Deutschen Wildtierstiftung in Hamburg. Vielfach kümmerten sich Mitarbeiter von Kliniken und Tierarztpraxen in ihrer Freizeit um die Problemfälle, «weil es eine Herzensangelegenheit für sie ist», erzählt Calvi. Tierheime sind oft überfüllt und auf Hunde und Katzen spezialisiert.
270 Tiere kamen im vergangenen Jahr aus Messi-Haushalten zu Ernst, manch ein Hahn wurde in der Bahnhofstoilette nach einem Hamburger Fischmarktbesuch zurückgelassen. Bei Surprise und Happy – den beiden Pfauen auf dem zwei Hektar großen Gelände – sind die Eigentumsverhältnisse ungeklärt. «Die Polizei rief mich an, einer stand auf offener Straße, einer auf einem Hochhausdach», erzählt Ernst lächelnd. Bereits mit zwölf Jahren brachten Mitschüler Kaninchen und Meisen zu ihm, Jahr für Jahr wurden es mehr.
Aufpäppeln und wieder Auswildern
«Das Ziel ist immer, sie wieder auszuwildern», betont Ernst, der im vergangenen Jahr 1300 Tieren eine Genesungschance gab. Tierheime seien für solche Vögel nicht ausgelegt. Die meisten Bewohner sind klein und bunt: orangene Kanarienvögel, gelbe und türkise Wellensittiche und Diamanttäubchen aus Australien – sie alle haben sogar beheizte Unterstände. Im eigenen Garten von Ernsts Eltern stehen zudem einige Rehe, eines brach sich den Kiefer.
In einem großen Container untersucht der tiermedizinische Fachangestellte, der im Hauptberuf in einer Lüneburger Klinik arbeitet, die Neuankömmlinge auf die Geflügelpest. Es werden Proben genommen, ein PCR-Test ist notwendig. Der fachkundliche Rat von Ernst wird vielfach gesucht, ihn erreichen Anrufe aus dem gesamten Bundesgebiet. Und er hält Fortbildungen für Tierärzte – obwohl er selbst immer noch auf einen Studienplatz für Tiermedizin wartet. «Mein Notendurchschnitt von 1,8 war noch nicht gut genug», erzählt der Vogelfreund mit dem frechen Pferdeschwanz auf dem Kopf.
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