Die EU durfte den weit verbreiteten Weißmacher Titandioxid in Pulverform nicht als krebserregend einstufen. Das entschied das EU-Gericht in Luxemburg und erklärte eine entsprechende Verordnung der EU-Kommission für nichtig. Gegen das Urteil kann noch Einspruch beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingelegt werden. (Rechtssachen T-279/20, T-288/20 und T-283/20)
Titandioxid steckt beispielsweise in Wandfarbe, Zahnpasta und Sonnencreme. Oft hat der Stoff gar keine funktionale Bedeutung, sondern sorgt nur dafür, dass Pasten oder Pillen weißer aussehen. Das Farbpigment steht seit einigen Jahren in Verdacht, krebserregend zu sein.
Seit Anfang des Jahres verboten
In Lebensmitteln ist Titandioxid seit Anfang des Jahres verboten, weil negative Effekte auf das menschliche Erbgut und mögliche Krebsrisiken nicht ausgeschlossen werden konnten. Daran ändert auch das neue Urteil nichts. Dabei ging es um die Pulverform des Stoffes – die EU-Kommission hatte 2019 entschieden, dass das Farbmittel krebserregend ist, wenn es als Pulver eingeatmet wird.
Genau ging es um Pudergemische mit einem Gehalt von mindestens einem Prozent Titandioxid in Partikelform oder eingebunden in Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser von höchstens zehn Mikrometern. Titandioxid wurde damit nicht verboten, musste aber mit einem Warnhinweis versehen werden. Dagegen hatten verschiedene Hersteller und Händler geklagt.
Das EU-Gericht gab ihnen nun Recht. Die EU-Kommission und die zuständige Europäische Chemikalienagentur hätten einen offensichtlichen Fehler bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit der Studie begangen, auf der die Einstufung beruhte, kritisierten die Richter.
Nicht alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt
Eine solche Einstufung müsse auf zuverlässigen und anerkannten Untersuchungen beruhen. Das war hier laut Gericht nicht der Fall: Bei der zugrundeliegenden Studie sei der Grad der Lungenüberlastung mit Titandioxidpartikeln nicht richtig ermittelt worden, da nicht alle relevanten Gesichtspunkte in die Berechnung eingeflossen seien. Beispielsweise seien spezielle Eigenschaften der Partikel nicht ausreichend berücksichtigt worden. Daher habe die Chemikalienagentur falsche Schlüsse gezogen, die die EU-Kommission übernommen habe.
Außerdem dürfe ein Stoff nur als krebserregend eingestuft werden, wenn er tatsächlich die «intrinsische Eigenschaft» habe, Krebs zu erzeugen. Titandioxid müsste also für sich genommen krebserregend sein. Hier dagegen besteht die Gefahr für Krebs laut Gericht nur in Verbindung mit bestimmten lungengängigen Titandioxidpartikeln, wenn sie in einem bestimmten Aggregatzustand, einer bestimmten Form, einer bestimmten Größe und einer bestimmten Menge vorhanden seien. Das reicht demnach für die Einstufung als krebserregend nicht aus.
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