Nur wenige Zutaten kommen in den Teig, trotzdem scheint das Backen der kleinen Figuren eine Kunst. Die «Zuckermännle» sollen in Form bleiben, aufgehen und im Ofen die weiße Farbe nicht verlieren, erläutert Gitta Frank aus Werda im Vogtland.
Das Gebäck, das im Vogtland fast jedes Kind kennt, dient als Schmuck am Weihnachtsbaum oder einfach als beliebte Knabberei. Betrieben in der Hoch-Zeit um 1900 rund zehn Familien das Backen dieser Leckerei, gibt es heute in Werda nur noch zwei Frauen, die diese Tradition pflegen.
«Das Rezept wird nur innerhalb der Familie weitergegeben. Auch ich musste mich einarbeiten», erzählt Zuckermännle-Bäckerin Frank. Von ihrer Großmutter hat sie die traditionellen Formen zum Ausstechen des Teiges und das Rezept geerbt. Seit 1808 sei diese Familientradition im Vogtland nachweisbar und an folgende Generationen weitergegeben worden – verbreitet war sie einst auch in anderen Orten der Region.
Rezepte sind Familiengeheimnis
Die kleinen Zuckermännle schmecken leicht süßlich und haben viele Formen – Schlüssel sind darunter, Männchen und Tiere. Einige deuten auf eine uralte germanische Symbolik. Das Weihnachtsgebäck aus der Familie von Gitta Frank ist als Maulschmied-Zuckermännle bekannt und gilt als älteste erhaltene Variante.
Seit 2016 hat sich die Gemeinde die Marke «Original Werdaer Zuckermännle» gesichert, sagt Carmen Reiher. Sie ist Bürgermeisterin der Kommune mit 1500 Einwohnern. «Die Familien besitzen die Rezepte mit der genauen Zusammensetzung der Zutaten. Und diese können auch nur das Zuckermännle-Backen bewahren.» In den Teig kommt eigentlich nicht viel mehr als Mehl, Eier, Zucker oder Milch – trotzdem sei das Backen ein Familiengeheimnis, erläutert Reiher.
Mit Veranstaltungen in der Vorweihnachtszeit sollen die Kinder von Werda an die Zuckermännle-Tradition herangeführt werden. «Wir haben mit den Bäckerinnen vereinbart, dass sie der Gemeinde eine bestimmte Anzahl zur Verfügung stellen und diese werden dann auch an die Kinder verteilt», berichtet Reiher.
Bleibt es erhalten?
Während Lebkuchen und Christstollen als Weihnachtsgebäck überregional bekannt und beliebt sind, stellt sich der kleine Ort Werda die Frage, ob die Zuckermännle auch in den kommenden Generationen erhalten bleiben. «Das muss man sehen – und selbst wollen», sagt Gitta Frank über die Tätigkeit, für die neben dem Hauptberuf noch Zeit gefunden werden muss. Sie spürt aber ein wachsendes Interesse an dem traditionellen Gebäck: «In diesem Jahr haben die Anfragen stark zugenommen. Es wird eigentlich immer mehr.»
Den Teig ansetzen, die Figuren ausstechen, backen, mit den typischen Farben grün und rot anmalen und dann verpacken – eine zeitintensive Handarbeit steckt hinter der Zuckermännle-Bäckerei. Warum sich diese Tradition gerade in Werda etabliert hat, ist nicht endgültig geklärt. In alten Aufzeichnungen ist der Name Salomon Günnel zu finden. «Er eröffnete in Werda eine Bäckerei und brachte das Gebäck wohl von einer Wanderschaft mit», sagt Frank. Womöglich gebe es Verbindungen zu den schwäbischen Springerle. Wegen der einfachen Zutaten und ohne teure Gewürze waren Zuckermännle für die einfache vogtländische Bevölkerung erschwinglich. «Sie werden auch Bauernmarzipan genannt.»
40 Jahre Familientradition
Bei der zweiten Zuckermännle-Bäckerin von Werda, Marita Krmasch, kommt noch immer ein Kohleofen zum Einsatz, den einst ihr Vater extra dafür bauen ließ. Seit rund 40 Jahren gibt es die Tradition in ihrer Familie. Gebacken wird nach dem Maulschmied-Rezept. «Mein Vater erhielt es Ende der 70er Jahre von Hedwig Ungethüm, einer bekannten Zuckermännle-Bäckerin im Ort.» Die kleinen Figuren von Marita Krmasch seien vor allem regional gefragt. Ob in ihrer Familie die nächste Generation einmal das Backen übernimmt, ist auch bei ihr noch unklar.
Vor einem Jahr gehörte Bernd Holzmüller in Werda noch zu den Zuckermännle-Bäckern. Inzwischen hat er aufgehört – trotz einer funktionierenden Vermarktung über Internet und Händler. «Es geht leider aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr. Das Backen ist zu anstrengend geworden», erklärt der 77-Jährige. Eine Nachfolge scheint aktuell nicht in Sicht. Rund 12.000 Stück hatte er pro Saison produziert, jeweils ab September war er damit beschäftigt.
Holzmüller blickt auf eine lange Zuckermännle-Tradition, die bis zu Christian Gottlob Luderer reicht, der 1856 Bäckermeister in Werda war. «Die Fertigkeiten wurden nur mündlich weitergegeben. In unserer Familie durften das nur die Männer übernehmen, auch wenn diese hauptberuflich längst keine Bäcker mehr waren.» Gosel-Zuckermännle wird das Gebäck seiner Familie genannt. Gosel und Maulschmied – die zwei Familien werden schon im Zuckermännle-Lied des Heimatforschers Friedrich Barthel (1903-1989) erwähnt, das um 1930 entstand.
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