21. November 2024

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Warum Lupinen nicht überall erwünscht sind

Aus den Samen der Blauen Süßlupine werden heute Nahrungsmittel hergestellt. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa-tmn)

Bis zu acht Stunden täglich, immer wieder auf Knien, gebeutelt von Zecken und Bremsen, dem Wetter ungeschützt ausgesetzt: Philipp Frickel (29) und sein Vater Gerd Frickel (61) sind nach ihrem Arbeitstag auf den bunten Bergwiesen der Hochrhön platt.

Seit Mai haben es die beiden Landschaftspfleger mit ihrem etwa zehnköpfigen Team im Unesco-Biosphärenreservat auf die eingeschleppte Stauden-Lupine (Lupinus polyphyllus) abgesehen.

In der Rhön, einem Mittelgebirge zwischen Bayern, Hessen und Thüringen, kämpfen Naturschützer seit Jahren gegen die sich immens ausbreitende Pflanze. Lupine ist aber nicht gleich Lupine. Denn während die eine Art stört, wird die andere auf dem Feld angebaut – und dient nicht nur als Tierfutter, sondern auch als Basis veganer Speisen oder gar Kaffee. Es lohnt ein Blick auf eine Pflanzengattung, die je nach Spezies Wut und Begeisterung auslöst.

Mit einem Ampferstecher heißt es auf der Bergwiese: reinstechen, lupfen, kippen – und im Idealfall ist die Stauden-Lupine samt Pfahlwurzel aus der Erde. «Es muss sehr präzise, sehr sauber gearbeitet werden», erklärt Philipp Frickel. Denn bleiben Wurzelteile zurück, war die Arbeit umsonst. «Die bilden einfach neue Pflanzen, und nächstes Jahr habe ich hier plötzlich zwei Lupinen.» Bis zu 50.000 Pflanzen wollen sie bis Oktober ausgraben.

Lupinen können giftige Alkaloide enthalten

Ehrenamtliche sind mit der Sense unterwegs und entfernen zwischen Arnika, Teufelskralle und Orchideen einzeln stehende Lupinen, die giftige Alkaloide enthalten – und damit für die meisten Tiere und den Menschen als Nahrung nicht taugen.

Eine zu einem Riesenmäher umgebaute Pistenraupe greift auf den nassesten, nährstoffarmen, aber artenreichen Wiesen da an, wo Handarbeit nichts mehr nützt. Und die hauptamtlichen Ausgräber rund um die Frickels rücken mit dem Unkrautstecher an, wenn nur noch wenige Exemplare übrig sind. «Wir nennen sie „Soko Lupine“. Die geben der Lupine sozusagen den Todesstoß», erzählt Torsten Kirchner, Biologe und Gebietsbetreuer des Hochplateaus namens Lange Rhön.

Von dem rund 3000 Hektar großen Hochplateau sind bis zu 700 Hektar durch die Stauden-Lupine bedroht. Da die Pflanze Luftstickstoff binden könne, würden die Bergwiesen mit Nährstoffen angereichert und für viele Jahre verändert, erklärt Kirchner. Stickstoffliebende Pflanzen wie die Brennnessel, der Stechende Hohlzahn oder das Kletten-Labkraut folgten und verdrängten Arnika, Trollblume und Co. – das Landschaftsbild verändert sich. Nimmt die Stauden-Lupine überhand, könnten Brutgebiete für seltene Vogelarten verloren gehen.

Anbau von Süßlupinen

Doch es gibt auch begehrte Lupinen. «Im Gegensatz zu den Wildformen sind Süßlupinen bitterstoffarm, das heißt der Alkaloidgehalt im Korn liegt unter 0,05 Prozent», schreibt die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Bis in die 1990er Jahre sei der Lupinen-Anbau auf Deutschlands Feldern durchaus verbreitet gewesen, sagt Markus Heinz, Leiter der Abteilung Pflanzenbau und Versuchswesen der Landwirtschaftlichen Lehranstalten des Bezirks Mittelfranken in Triesdorf. Doch dann habe eine Pilzkrankheit die Pflanzen heimgesucht und zu Totalausfällen für die Landwirte geführt. Der Anbau sei nahezu zum Erliegen gekommen.

In Triesdorf haben Experten 2001 begonnen, eigene Sorten der Weißen Lupine (Lupinus albus) zu züchten, die nicht anfällig für Pflanzenkrankheiten sind. Mit Erfolg, wie Heinz betont: 2019 sei es gelungen, zwei Sorten zuzulassen. «Das Interesse ist sehr groß», sagt der Experte. «Viele Landwirte beschäftigen sich intensiv damit.»

Bislang ist die Lupine als Nahrungsmittel ein Nischenprodukt. Deutschlandweit wurden nach LfL-Angaben auf rund 28.900 Hektar Lupinen angebaut. Mais wuchs auf etwa 2,65 Millionen Hektar.

Nicht nur als Tierfutter geeignet

Heimische Lupinen werden vor allem als eiweißreiches Tierfutter verwendet und könnten damit ein Ersatz für Soja-Importe werden. Fütterungsversuche mit Milchkühen seien in Triesdorf sehr gut verlaufen, sagt Experte Heinz. Derzeit werde der Lupinen-Einsatz in der Schweine- und Rindermast erprobt.

Doch Lupinen-Produkte sind auch für die menschliche Ernährung geeignet: Lupinen-Eis als vegane Alternative zum Sahne-Eis oder Lupinenmehl als Alternative zu gemahlenem Getreide. Sabine Bittel vom Fachbereich für Ernährung und Hauswirtschaft der Triesdorfer Lehranstalten hat noch weitere Vorschläge: Den Lupinenkern könne man marinieren und als Salat verspeisen. Lupinenschrot, zehn Minuten gequellt, eigne sich als Hackfleischergänzung oder -ersatz.

Zudem hat man in Triesdorf damit begonnen, Lupinen zu rösten, zu mahlen und als Kaffee aufzubrühen. «Das funktioniert super», sagt Bittel. Der Fettgehalt sei ähnlich wie der von Kaffeebohnen, bei der Röstung entstehe ein nussiges Aroma.

Von Kathrin Zeilmann und Angelika Resenhoeft, dpa