Eine Million georderte Packungen für Deutschland und
hohe Wirksamkeit gegen schwere Covid-19-Verläufe: Nach mehreren
Impfstoffen und Medikamenten hat vorige Woche die Auslieferung eines
Präparats in Deutschland begonnen, das man auf den ersten Blick für
einen Ausweg aus der Pandemie halten könnte.
Die Tabletten, um die es geht, heißen Paxlovid und stammen vom
US-Pharmakonzern Pfizer. Sie zielen darauf ab, die Virusvermehrung
im Körper zu hemmen. Seit Ende Januar ist das Mittel in der EU
bedingt zugelassen, seit wenigen Tagen können Ärzte in Deutschland es
verordnen. Es kann auch zu Hause eingenommen werden.
Die ersten Daten klingen vielversprechend: Die Behandlung mit den
zwei Wirkstoffen (Nirmatrelvir/Ritonavir) habe verglichen mit einem
Scheinmedikament zu einem um 89 Prozent geringeren Risiko für einen
schweren Covid-19-Verlauf geführt, heißt es in der Studie zu Paxlovid
im Fachblatt «The New England Journal of Medicine».
Paxlovid ist kein Pandemieüberwinder
Fachleute betonen auf dpa-Anfrage jedoch, dass man sich nicht
anstelle der Impfung auf ein vermeintliches Wundermittel zum Schutz
vor Intensivstation oder Tod verlassen sollte. «Paxlovid ist nicht
der Pandemieüberwinder, sondern die Impfung», teilte etwa die
Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) mit.
Mit Paxlovid habe man «einen Notnagel»: Der Einsatz erfordere
äußerste Vorsicht und gute Patientenaufklärung und -überwachung. Das
Medikament komme für eine kleine Gruppe von Menschen in Betracht:
«für die Ungeimpften über 65-Jährigen, die noch nicht genesen sind».
Für die Studie waren zwei Gruppen verglichen worden: Während rund
1100 Sars-CoV-2-Infizierte fünf Tage lang alle 12 Stunden Paxlovid
bekamen, erhielt die zweite Gruppe ein Scheinmedikament. In der
Placebo-Gruppe traten rund ein Dutzend Todesfälle auf, wohingegen
keiner der mit dem Medikament behandelten Probanden starb. Es konnten
an der Studie nur Erwachsene in der Frühphase der Infektion und mit
Risikofaktoren wie etwa Übergewicht oder Bluthochdruck teilnehmen. Zu
Nebenwirkungen wie Geschmacksstörungen, Durchfall und Erbrechen
schreiben die Autoren, diese seien nicht ernst gewesen.
Durchgeführt wurde die Studie noch vor Entdeckung von Omikron. Eine
Wirksamkeit gegen diese und auch gegen andere Sars-CoV-2-Varianten
wird jedoch angenommen. «Das gilt auch für Omikron-Subtyp BA.2, der
sich gegenwärtig ausbreitet», sagte der Experte der Deutschen
Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), Stefan
Kluge. Er koordiniert die Leitlinie mit Empfehlungen zur stationären
Therapie von Covid-19-Patientinnen und -Patienten.
Nur für Patienten ohne Impfschutz
Generell hält Kluge fest: «Paxlovid ist kein Allheilmittel.» Er
rechne dennoch mit einer relevanten Zahl von Patienten, die damit
binnen fünf Tagen nach Symptombeginn behandelt werden könnten:
Geeignet sei das Medikament gemäß der vorliegenden Studie nur für
Patienten ohne Impfschutz mit mindestens einem Risikofaktor, wozu
etwa auch ein Alter ab 50 Jahre zähle. «Es ist anhand bisheriger
Daten kein Medikament für beispielsweise schlanke, sportliche
20-Jährige oder 60-Jährige mit Booster, die ein positives
Testergebnis erhalten», sagte Kluge. Zum Einsatz bei Geimpften
generell gebe es bisher keine verlässlichen Daten.
In Hinblick auf den frühzeitig nötigen Behandlungsbeginn verweist der
Professor vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf auf die
Problematik, dass viele Patienten nicht sofort zum Arzt gehen und
zusätzlich noch Zeit bis zum Vorliegen des Testergebnisses vergeht.
Wegen der gebotenen Eile ist laut Bundesvereinigung Deutscher
Apothekerverbände vorgesehen, dass Ärzte ausnahmsweise Rezepte direkt
an Apotheken schicken, die das Medikament dann beim Großhandel
bestellen und es «möglichst kontaktarm» per Boten an Patienten
ausliefern. «Apotheken dürfen Paxlovid nicht bevorraten», hieß es.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Ein weiterer Haken sind mögliche Wechselwirkungen mit einer Reihe
anderer Medikamente, etwa gegen Bluthochdruck, Krebs, Depressionen
oder zur Behandlung anderer Infektionen. Dies dürfte die
Verschreibung gerade für besonders gefährdete Patienten erschweren.
Experten wie Kluge dringen darauf, die Gefahr von Wechselwirkungen
zwingend zu überprüfen. In der Packungsbeilage sind Patienten
aufgerufen, ihrem Arzt und Apotheker eine Liste ihrer Arzneimittel zu
zeigen.
Breiter Einsatz wird zunächst nicht erwartet
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich
Weigeldt begrüßte zwar die Fortschritte bei der Entwicklung von
Covid-19-Medikamenten. «Einen breiten Einsatz von Paxlovid in den
Hausarztpraxen erwarten wir nach aktuellem Kenntnisstand jedoch
nicht.» Auch die DEGAM teilte mit, Nachfrage und Verschreibung seien
aktuell in der hausärztlichen Versorgung «eine Randerscheinung».
Fachleute verweisen jedoch auch darauf, dass zum Glück dank der
Impfungen und der in der Regel milderen Omikron-Variante generell
deutlich weniger schwere Verläufe zu beobachten seien.
Paxlovid ist nicht das erste Mittel, das ambulante Patienten in der
Frühphase der Sars-CoV-2-Infektion vor schweren Verläufen schützen
soll. Bereits länger gegeben werden zum Beispiel sogenannte
monoklonale Antikörper – in der Regel als Infusion. Neben Paxlovid
werden in der jüngst aktualisierten Therapie-Leitlinie auch die
Wirkstoffe Remdesivir und Molnupiravir genannt. Auch sie kommen
jedoch nicht für alle Patientengruppen in Frage. Und hier gilt
ebenfalls die frühe Gabe als entscheidend für den Behandlungserfolg.
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