Einen solchen Rückgang haben die Retter wohl nicht erwartet: In Deutschland sind im vergangenen Jahr mindestens 299 Menschen bei Badeunfällen ertrunken – und damit so wenige wie seit über 20 Jahren nicht mehr.
Die Zahl sank um 20,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, sie sank zudem im dritten Jahr in Folge, wie die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) mitteilte. Das sei eine «positive Überraschung», weil viele Menschen in der Corona-Krise in Flüssen und an unbewachten Badestellen gebadet hätten, sagte DLRG-Präsidentin Ute Vogt. Gleichzeitig könnten aber noch immer nur 40 Prozent der Zehnjährigen sicher schwimmen.
Niedrigster Stand seit 2000
Dennoch stellte Vogt fest: «Damit haben wir für das Jahr 2021 den niedrigsten Stand seit 2000 verzeichnet, als wir anfingen, die Zahlen systematisch zu erheben.» Nicht in der Statistik enthalten seien die rund 180 Opfer der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr – auch wenn viele davon vermutlich ertrunken seien.
Mit einem Anteil von 85 Prozent gab es die meisten tödlichen Badeunfälle in Binnengewässern, in Seen und Teichen starben 131 (2020: 175) Menschen, in Flüssen verloren 95 (130) Menschen ihr Leben. «Das größte Risiko, zu ertrinken, besteht weiterhin in Seen und Flüssen», betonte Vogt.
In Schwimmbädern stieg die Zahl der tödlichen Badeunfälle von 6 auf 7, im Meer von 21 auf 26, dennoch sei das Baden dort vergleichsweise sicher. Zu tödlichen Badeunfällen kommt es den Angaben zufolge vor allem abseits bewachter Strände – oder außerhalb der Dienstzeiten der Retter. In den Bädern sorgten meist hauptberufliche Mitarbeiter für Sicherheit, an den Küsten seien es von Anfang Mai bis Ende September Tausende von Freiwilligen.
Am meisten Menschen in Bayern ertrunken
Im Vergleich der Bundesländer ertranken die meisten Menschen 2021 in Bayern – insgesamt waren es 60. Das bedeute im Vergleich zum Vorjahr aber einen Rückgang um ein knappes Viertel. In Niedersachsen sank die Zahl der Ertrunkenen um 48 Prozent auf 26, in Nordrhein-Westfalen um 48,9 Prozent auf 24.
Mehr tödliche Badeunfälle als 2020 gab es etwa in Mecklenburg-Vorpommern mit einem Anstieg von 21 auf 30 Opfer. «Das Problem Ertrinken ist ein männliches Problem», sagte Präsidiums-Vize Achim Wiese. Häufig liege das an Leichtsinn und Selbstüberschätzung, kombiniert mit Alkohol. Im vergangenen Jahr starben 241 Männer und 58 Frauen bei Badeunfällen.
Eigene Fähigkeiten werden überschätzt
57 Prozent der Ertrunkenen waren älter als 50 – sie überschätzten die eigenen Fähigkeiten oder ihre Gesundheit sei angeschlagen, sagte er. Betroffen sind auch Kinder und junge Menschen: 17 Kinder im Alter bis zehn Jahre ertranken 2021 – sechs weniger als im Vorjahr. Unter den 11- bis 20-Jährigen stieg der Zahl der Todesfälle von 26 auf 30. Unglücke mit so jungen Menschen seien besonders tragisch, sagte Vogt.
«In diesem Zusammenhang betrachten wir mit großer Sorge, dass heute immer weniger Kinder sicher schwimmen können.» Dazu habe die Pandemie mit zeitweise geschlossenen Bädern «stark beigetragen». Früheren DLRG-Angaben zufolge gab es im Corona-Jahr 2020 rund 50 Prozent weniger Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Anfängerkursen.
DLRG will weiter «Extra-Kurse» anbieten
Vogt betonte: «Schwimmen ist eine Kulturtechnik wie das Lesen, Schreiben und Rechnen. Jedes Kind muss das bis zum Ende der Grundschule sicher beherrschen können.» Dafür seien bundesweit mehr Schwimmbäder und ausgebildetes Personal an Schulen nötig: «Dauerhaft zu deutlich mehr sicheren Schwimmern unter den Kindern kommen wir erst, wenn der Schwimmunterricht in den Schulen wieder flächendeckend stattfindet.» Wiese beklagte ein «schleichendes Bädersterben» – viele Grundschulen hätten keinen Zugang mehr zu Schwimmbädern. Ab Mai will die DLRG erneut «so viele Extra-Kurse wie möglich» anbieten.
Entscheidend für die Zahl der Badeunfälle sei aber auch die Wetterlage, erklärte Vogt. Knapp zwei von drei Opfern ertranken demnach von Juni bis September, gleichzeitig brachte der vergleichsweise kühle und nasse Sommer 2021 insgesamt 189 Opfer – 69 weniger als im Vorjahreszeitraum. Nur im Juni gab es eine Hitzewelle – und da starben mindestens 76 Menschen im Wasser, 30 mehr als im Juni 2020. Das zeige, wie die Bilanz bei weiteren Hitzeperioden hätte ausfallen können, mahnte Vogt.
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