Es ist ein freier Nachmittag, man hat der pflegebedürftigen Mutter versprochen, bei ihr im Heim vorbeizuschauen. Doch Vorfreude fühlt sich irgendwie anders an. Vielleicht ist da Angst, dass wieder Sätze fallen wie «Wann kann ich wieder nach Hause?». Womöglich melden sich aber auch Schuldgefühle. Oder es ist schwer zu ertragen, dass ein Mensch, der einem so am Herzen liegt, immer weiter abbaut.
Expertin: Trauer ist normale Reaktion
Dass Besuche im Pflegeheim schwierige Emotionen und Situationen hervorrufen können, ist nicht ungewöhnlich – vor allem in der ersten Zeit, wenn sich die pflegebedürftige Person noch einleben muss. «Das Zuhause, die gewohnte Umgebung ist weg. Trauer ist eine völlig normale Reaktion», fasst es Gabriele Strauhal, Ethikberaterin in der Altenhilfe, in der Zeitschrift «Senioren Ratgeber» zusammen (Ausgabe 10/2024).
Ein schlechtes Gewissen müssen Angehörige ihr zufolge aber nicht haben: Schließlich ist die Entscheidung, einen pflegebedürftigen Angehörigen ins Heim zu geben, in aller Regel gefallen, weil das notwendig war.
Was etwas mehr Leichtigkeit in die Pflegeheim-Besuche bringen kann:
Tipp 1: Mit den Pflegekräften Lösungen entwickeln
Auch wenn es Angehörigen erst einmal schwerfällt: Die eigenen Gefühle anzusprechen, etwa gegenüber dem Pflegepersonal, ist ein Anfang. Im besten Falle haben sie Ideen, was die Besuche angenehmer machen kann – zum Beispiel, wenn man sie mit einer Aktivität im Heim verknüpft. «Dann ist man eben beim Gedächtnistraining dabei, bei der Gymnastik oder dem Konzert», schlägt Pflegedienstleiterin Heidi Braun im «Senioren Ratgeber» vor.
Wenn man das Gefühl hat, im Pflegeheim selbst ist kein Raum, um das Thema anzusprechen, kann auch eine Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige der richtige Ort dafür sein.
Tipp 2: Druck herausnehmen
Wichtig ist auch, dass sich Angehörige klarmachen: Nicht jeder Besuch muss perfekt verlaufen – und es ist zum Beispiel in Ordnung, wenn für einen Spaziergang draußen womöglich die Kraft fehlt. «Vielleicht reicht es auch, die Hand zu halten, einfach da zu sein», so Gabriele Strauhal.
Sie rät Angehörigen, sich selbst nicht zu viel Druck zu machen: «Man muss nicht jeden Tag ins Heim kommen.» Es gibt andere Lösungen, damit der Vater oder die Großmutter nicht allein ist: Familienmitglieder können sich abwechseln – und vielerorts gibt es ehrenamtliche Besuchsdienste.
Tipp 3: Verbindung über Gespräche herstellen
Nur über Oberflächlichkeiten wie das Wetter oder das Essen sprechen – in der Hoffnung, unangenehme Situationen so zu vermeiden? Das ist nicht die Lösung, so Gabriele Strauhal. Denn offen über Gefühle zu sprechen und auch einmal eine Träne fließen zu lassen, kann wohltuend sein. Was zusätzlich guttut: in Gesprächen immer mal wieder den Fokus auf Schönes zu lenken, etwa auf gemeinsame Erinnerungen.
Mehr Nachrichten
Laserpointer: Große Gefahr für Kinderaugen
Krisenrisiko Feiertage: So sorgen psychisch Kranke für sich
Krisenrisiko Feiertage: So sorgen psychisch Kranke für sich