Morgens zwei Tabletten, abends drei: Wer eine ganze Handvoll unterschiedliche Medikamente am Tag nimmt, fragt sich womöglich: Vertragen sich all diese Präparate überhaupt?
Vor allem ältere Menschen sind von der sogenannten Polymedikation betroffen. Ein Viertel der Patientinnen und Patienten über 70 Jahre nimmt fünf oder mehr Medikamente. Das zeigt eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA).
Es gibt aber ein Angebot, das den Inhalt der Pillendose auf den Prüfstand stellt – eine Medikationsanalyse in der Apotheke. Die gute Nachricht: Seit Mitte Juni tragen die Krankenversicherungen die Kosten dafür. Und zwar einmal pro Jahr für alle, die dauerhaft mindestens fünf ärztlich verordnete Medikamente einnehmen.
Fragen und Antworten im Überblick:
Warum ist eine Medikationsanalyse sinnvoll?
«Bei der Medikation sind häufig mehrere Ärztinnen und Ärzte beteiligt», beobachtet Alexander Schmitz aus Dannenberg, der insgesamt fünf Apotheken betreibt. Die Hausärztin verschreibt ein Medikament, der Kardiologe zwei weitere. Und zwar ohne, dass jemand die Medikation in ihrer Gesamtheit im Blick hat.
Zwar gibt es durchaus auch die aufmerksame Stammapothekerin, die stutzig wird bei der Kombination von Medikamenten, die sie über die Zeit herausgibt. «Allerdings gehen viele Patienten zu unterschiedlichen Apotheken und haben gar nicht eine Anlaufstelle, um ihre Rezepte einzulösen», sagt Schmitz.
Hier kommt die Medikationsanalyse ins Spiel. Dabei gibt ein Apotheker oder eine Apothekerin eine fachliche Einschätzung, ob die Medikamente in ihrer Gesamtheit optimal eingestellt sind. So lassen sich im besten Fall unerwünschte, womöglich sogar gefährliche, Wechselwirkungen vermeiden oder Nebenwirkungen abmildern.
Je mehr Medikamente zusammenkommen, desto wichtiger ist so ein Überblick. Denn bei einigen Menschen sind es eben nicht fünf Präparate, die auf dem Plan stehen. Sondern auch mal zehn oder fünfzehn. «Dass das gefährlich werden kann, ist wohl für jeden ersichtlich», so Apotheker Schmitz.
Was ist der erste Schritt?
Fix zur Apotheke um die Ecke und die Pillendose auf den Tresen legen? Ganz so einfach ist es nicht. «Im ersten Schritt muss man sich vergewissern, dass die eigene Apotheke überhaupt eine Medikationsanalyse anbietet», sagt Schmitz. Im Zweifel hilft da nur: Bei der Apotheke um die Ecke nachfragen oder auf der Webseite nachschauen.
Wie weit das Angebot verbreitet ist, dazu liegen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände keine Zahlen vor. Aber: «Die Zahl der Apotheken, die eine Medikationsanalyse anbieten, dürfte mittelfristig weiter ansteigen», so die Prognose von ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening.
Ein bisschen dürfte das aber noch dauern. Die Apothekerinnen und Apotheker müssen für dieses Angebot eine entsprechende Schulung hinter sich haben. Denn eine Medikationsanalyse geht weit über die Beratung hinaus, die man vom Einlösen eines Rezeptes kennt, so Overwiening.
Eine Apotheke ist gefunden. Wie läuft die Analyse nun ab?
Das Vorgehen ist einem Arztbesuch gar nicht so unähnlich. «Man macht erst einmal einen Termin aus», sagt Apotheker Schmitz. Dazu gehört auch, mit der Apotheke einen Vertrag aufzusetzen. Damit die Krankenversicherung weiß, dass man die Medikationsanalyse dort in Anspruch nimmt.
Zum Termin selbst bringt man eine Tüte mit, die durchaus prall gefüllt sein kann. Laut Apotheker Schmitz füllt man sie nicht nur mit allen ärztlich verordneten Medikamenten. Auch Nahrungsergänzungsmittel, Selbstmedikation, Arztbriefe, Entlassbriefe aus dem Krankenhaus, Medikationspläne oder Laborwerte sollte man mitbringen.
Einzig Medikamente, die im Kühlschrank gelagert werden müssen, sollten zu Hause bleiben. Hier notieren Patientinnen und Patienten am besten den genauen Namen und die Wirkstärke, so der Rat der ABDA.
In der Apotheke wird der Inhalt der Tüte dann dokumentiert. Schmitz, der selbst Medikationsanalysen anbietet, stellt den Patientinnen und Patienten in diesem Zusammenhang verschiedene Fragen: «Gibt es Beschwerden oder Schmerzen? Schlafstörungen? Wie sehen die Ernährungsgewohnheiten aus? Rauchen Sie und in welchem Maße trinken Sie Alkohol?» All diese Informationen helfen, ein vollständiges Bild zu bekommen.
Wie gehen die Apotheken vor?
«Im zweiten Schritt prüft der Apotheker oder die Apothekerin die Medikation auf möglicherweise auftretende Arzneimittel-bezogene Probleme», erklärt Overwiening. Das sind unter anderem Wechsel- oder Nebenwirkungen oder auch Doppelverordnungen von verschiedenen Ärzten. So entstehen Empfehlungen, wie der Medikationsplan angepasst werden kann.
Übrigens: Wer nun denkt, dass in der Apotheke einfach eine Software die gesamt Arbeit erledigt, liegt falsch. «Pharmazie ist komplex – da braucht es immer den denkenden und handelnden Apotheker», sagt Schmitz. Und je nach Vorgehen auch Datenbanken, Nachschlagwerke und andere Hilfsmittel.
Was passiert nach der Analyse?
Um die Ergebnisse der Analyse zu besprechen, gibt es in aller Regel einen zweiten Termin. «Wenn der Patient einwilligt, wird auch der Arzt informiert», so Overwiening. «Der Patient erhält einen aktualisierten und vollständigen Medikationsplan.»
Der kann verschiedene Änderungen enthalten. «Eine häufige Folge ist, dass bestimmte Medikamente abgesetzt werden», sagt Schmitz. «Oft sind das Relikte, die in den Medikationsplänen von Patienten bleiben, nachdem sie im Krankenhaus waren.»
Hintergrund: Oft bleibt keine Zeit für eine ausführliche Übergabe zwischen Krankenhaus und Hausarztpraxis. Patientinnen und Patienten nehmen Medikamente dann einfach weiter, obwohl sie vielleicht gar nicht mehr notwendig sind.
Manchmal folgen aber auch kleinere Anpassungen aus der Analyse. Zum Beispiel, dass man eine Tablette künftig zu einer anderen Uhrzeit schluckt. «Cholesterinsenker etwa können für Schmerzen in den Beinen sorgen, wenn sie zum falschen Zeitpunkt eingenommen werden», sagt Schmitz. Eine kleine Anpassung kann da schon viel Verbesserung bringen.
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