Mutters Lieblingsmantel, Vaters Uhrensammlung und der handbemalte Küchenschrank, der einst Opa gehörte: Ihre Elternhäuser sind für viele Menschen voller Erinnerungen. Sterben die Eltern, müssen sie die allerdings oft ausräumen und den Haushalt auflösen. Eine Herausforderung auf vielen Ebenen.
«Eine Wohnungsauflösung ist Schwerstarbeit – emotional und körperlich», sagt Marion Lücke-Schmidt, Trauerbegleiterin beim Bundesverband für Trauerbegleitung. Akten sichern, Möbel ausräumen, die Immobilie vielleicht sogar verkaufen: Oft haben Betroffene beim Thema Wohnungsauflösung einen unüberschaubar großen Berg To-dos vor sich. Wie geht man also am besten vor? Was darf bleiben und was muss weg? Und wie gelingt der Umgang mit den eigenen Emotionen?
Persönliche Dinge durchgehen
Ursula Ott ist Journalistin und Autorin des Buchs «Das Haus meiner Eltern hat viele Räume: Vom Loslassen, Ausräumen und Bewahren». Sie weiß, dass die meisten Häuser nur allzu vollgestopft mit Dingen sind. Deshalb kann es sinnvoll sein, zum Start sich auf einen Punkt zu fokussieren, die Aufgabe anzufangen und abzuhaken. «So stellt sich früh ein Erfolgserlebnis ein und man kommt eher in einen Flow.»
Ohnehin gilt: Wer das Elternhaus verkaufen möchte, sollte sich zügig daran machen, alle nötigen Unterlagen zur Immobilie zusammenzutragen. Denn: so ein Immobilienverkauf kostet Zeit. Etwa ein halbes Jahr sollte man für Notartermine, Grundbuchauszüge und Co. einplanen. «Bis dahin sind Sie natürlich für die Kosten des Hauses zuständig», sagt Lücke-Schmidt. Auch nicht mehr benötigte Versicherungen sollten schnellstmöglich gekündigt werden.
Soll die Mietwohnung oder vielleicht auch nur das Zimmer im Pflegeheim geräumt werden, geht dies in der Regel deutlich schneller. «Schritt eins ist es, die Dinge zu sichten und persönliche Gegenstände wie Tagebücher, Briefe oder Fotos zu sichern», sagt Marion Lücke-Schmidt. Sie rät aber allgemein, sich die Aufgaben kleiner zu machen, indem man versucht, die Herausforderung «in einzelne Häppchen» zu zerlegen.
Kein Museum schaffen
Doch ob nun im Großen oder Kleinen – überall lauert die Frage: Wegwerfen oder behalten? Die Antworten darauf sind ganz individuell. Finden kann man sie zum Beispiel, indem man die Dinge berührt und schaut, was sie in einem auslösen. «Fühlt sich ein Gegenstand für mich eher kalt an, kann ich ihn wegtun. Löst er ein warmes, gutes Gefühl in mir aus, möchte ich ihn wahrscheinlich behalten», sagt Ursula Ott.
Anders sieht es natürlich bei wichtigen Dokumenten und Urkunden aus. Die sollte man nicht entsorgen. Insgesamt empfiehlt Ott jedoch, eher großzügig auszusortieren. «Ich glaube der größte Fehler ist, sich das halbe Elternhaus als Museum der eigenen Kindheit zu erhalten», sagt sie. Große Gegenstände, die für die kommenden Generationen eher zur Belastung werden würden, rät sie deshalb in Absprache mit der Familie wegzugeben.
Ihnen fällt das Weggeben schwer? Womöglich hilft der Gang zu karitativen Einrichtungen. «Mit den gebrauchten Kleidern oder Möbeln können sich andere Menschen etwas Neues aufbauen. Das kann beim Loslassen helfen», sagt Ursula Ott. Und manchmal kann man sich auch vor dem Ausräumen drücken. Denn eine Immobilie muss nicht zwangsläufig besenrein verkauft werden, sagt Marion Lücke-Schmidt. «Man kann sie auch mit Inhalt verkaufen. Das ist nicht unüblich und hat sogar Vorteile.» In jedem Fall sollte man dafür aber Experten von der Hausbank oder guten Immobilienmaklern zurate ziehen.
Gemeinsam geht’s leichter – oder?
Und Sie müssen nicht alles alleine erledigen. Am besten gelingt eine Haushaltsauflösung im Team. Sind beispielsweise Geschwister involviert, lohnt es sich, die einzelnen Aufgaben untereinander aufzuteilen. Funktioniert die Kommunikation gut, kann es eine große Erleichterung sein, gemeinsam in Erinnerungen zu schwelgen.
Aber Achtung: Haushaltsauflösungen führen nicht selten zu Familienstreitigkeiten. «Da kommen oft alte, unbearbeitete Kindheitskonflikte hoch», sagt Ursula Ott. Außerdem steht schnell die Frage im Raum: Wer bekommt was? «In Familien, in denen über solche Dinge schon vorab gesprochen wurde, geht es meist reibungsloser», sagt Lücke-Schmidt. «Man sollte in den Austausch gehen und auch ansprechen, warum man welchen Gegenstand gerne bewahren möchte.»
Und: Nicht immer sind die eigenen Emotionen so übersichtlich wie ein ausgeräumtes Haus. «Wie gut das Verhältnis auch gewesen sein mag, bei einer Haushaltsauflösung kommt immer auch der Zeitpunkt, an dem Sie sauer auf den Verstorbenen sind, weil er Ihnen so viel Zeug hinterlassen hat», sagt die Trauerbegleiterin. Andererseits habe das Ausräumen oft auf etwas Erleichterndes, «weil ich wieder etwas für den Verstorbenen tun kann.»
Sich diese und andere Emotionen bewusst zu machen und sie zuzulassen, rät Ursula Ott. Selbst wenn man manche Aspekte aus dem Leben der Eltern, etwa die Rollenverteilung in der Familie oder ihr politisches Handeln, nicht gutheißen kann, sollte man versuchen, den Zeitgeist zu verstehen und sich ihr Handeln «zu erklären, aber nicht zu entschuldigen». Dabei könne es sich lohnen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Je nach Themenlage könnten etwa Historiker alte Dokumente einordnen. Auch eine Psychotherapie könne gegebenenfalls unterstützen, sagt Ott.
Mehr Nachrichten
Kinderhochstühle im Test: Nur drei Modelle sind «gut»
Medikamente in der Schwangerschaft: Darf ich – oder nicht?
Scheidung: Schwiegereltern können Schenkung zurückfordern