Es ist meist die Karotte, vielleicht auch die Pastinake, die als erste Nahrung nach der Milch in Babys Bauch landet. Zu einem feinen Brei verkocht. Doch es gibt inzwischen auch die Ansicht, dass das gar nicht notwendig ist. Beim «Baby-led Weaning» erhalten die Babys von Anfang an ganze Stücke.
Was ist Baby-led Weaning überhaupt?
Holt man den Begriff ins Deutsche, spricht man von «baby-gesteuertem Abstillen», oft fällt auch die Bezeichnung «Beikost nach Bedarf». Die Grundidee ist, dass das Kind seiner Neugier folgt und nach dem angebotenen Essen – etwa einem weich gedünsteten Broccoli-Röschen – greift und es selbst in den Mund führt.
Wichtig dabei: Gestillt wird weiterhin, was auch bei der Gabe von Brei der Fall wäre. Und eine «Ganz oder gar nicht»-Angelegenheit ist Baby-led Weaning nicht: Fingerfood und Brei funktionieren in Kombination.
Was spricht für Baby-led Weaning?
Ein Argument der Befürworterinnen ist, dass Baby-led Weaning mit Blick auf die Geschichte der Menschheit der Normalfall sei. «Das Prinzip des industriell hergestellten Babybreis ist noch recht neu. Auch Pürierstäbe gibt es noch gar nicht so lange», sagt Aleyd von Gartzen, Beauftragte für Stillen und Ernährung des Deutschen Hebammenverbandes. «Bevor es das alles gab, sind Kinder schließlich auch ernährt worden.»
Während Brei die immergleiche Konsistenz habe, spreche Fingerfood die Sinne an und wecke damit den Experimentiergeist der Kinder. «Das Kind hat die Möglichkeit, sein Essen – wortwörtlich – zu begreifen und auszuprobieren», sagt von Gartzen. Die Entscheidungen «Was esse ich?» und «Wie viel esse ich?» trifft das Baby selbstbestimmt.
Baby-led Weaning kann so den Grundstein für ein gesundes Verhältnis zu Essen legen, da das Kind schon früh lernt, auf seine Intuition zu hören. «Voraussetzung ist natürlich, dass die Eltern ihm gesunde Dinge anbieten», so von Gartzen. Ein weiterer Vorteil: Baby-led Weaning lässt sich mitunter einfacher in den Familienalltag einbauen. Denn aus dem Abendessen, das Familien ohnehin zubereiten, lässt sich leicht ein Fingerfood-Tablett für das Baby zusammenstellen.
Was können Nachteile von Baby-led Weaning sein?
«Es spricht nichts gegen Fingerfood – wenn es denn zur richtigen Zeit kommt», sagt Prof. Mathilde Kersting, Leiterin des Forschungsdepartements Kinderernährung des Universitätsklinikums Bochum. Kinder durchlaufen bei der Nahrungsaufnahme eine kontinuierliche Entwicklung, bei der jede Stufe wichtig sei. «Es beginnt damit, dass sie saugen und schlucken können, später können sie Brei essen, erst danach stückige Nahrung.»
Baby-led Weaning überspringe die Breiphase, was Kersting kritisch bewertet. «Nicht alle Kinder sind zur Beikosteinführung im fünften bis siebten Lebensmonat neuromotorisch im Stande, nach Fingerfood zu greifen und es zu essen.» Setzen Eltern direkt auf das Prinzip «Von der Hand in den Mund», kann es eine Phase geben, in der das Kind nicht ausreichend ernährt sei.
Dann können, so Kersting, die Energiezufuhr und einzelne Nährstoffe ins Defizit rutschen, darunter Eisen. Das Spurenelement ist unter anderem in Fleisch oder Vollkornprodukten zu finden. «Damit Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln vom Körper gut aufgenommen werden kann, braucht es jedoch Vitamin C», erklärt Kersting.
Dass Eltern die richtigen Lebensmittelkombinationen anbieten und sich das Kind dann auch eigenständig dafür entscheidet, stellt die Ernährungswissenschaftlerin in Frage.
Es gibt aber auch Gegenpositionen: Hebamme von Gartzen rät, sich nicht zu stark um die Eisenversorgung des Kindes zu sorgen. In der Regel seien Kinder – Frühchen und Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 2500 Gramm ausgenommen – für das erste halbe Lebensjahr gut mit Eisen versorgt. Das gilt vor allem, wenn die Nabelschnur erst zwei bis drei Minuten nach der Geburt durchtrennt wurde.
Und was ist mit dem Verschlucken?
Studien zeigen, dass es mit Blick auf das Verschlucken keine großen Unterschiede zwischen Baby-led Weaning- und Breikindern gibt. Vorausgesetzt, Eltern beherzigen einige Regeln: Trauben, Kirschen und Heidelbeeren etwa sollten wegen der Erstickungsgefahr nie am Stück angeboten werden. Außerdem ist wichtig, dass das Kind die Beikost-Reife schon erreicht hat. Das lässt sich unter anderem daran erkennen, dass das Kind seinen Kopf halten und mit etwas Unterstützung aufrecht sitzen kann.
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