Nach einer Studie hat in jeder fünften Familie ein Kind eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS). In neun Prozent der Fälle gebe es eine ärztliche Diagnose der chronischen Erkrankung, in elf Prozent eine entsprechende Vermutung, heißt es in der Untersuchung des Heidelberger Sinus-Instituts.
In der Kindheit äußert sich die Krankheit in innerer Unruhe, Bewegungsdrang, Konzentrationsstörungen und schwierigem Sozialverhalten. Die im Volksmund auch Zappelphilipp-Syndrom genannte Krankheit bleibe ein Leben lang bestehen und bereite während des Übergangs vom Jugendlichen zum Erwachsenen große Anpassungsprobleme, sagte Eckhard Barth, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit Teilleistungs-/ Wahrnehmungsstörungen (BAG-TL/WS). Aber auch Senioren leiden noch darunter.
Sinus verwendete für die Studie im Auftrag der BAG-TL/WS Daten aus einer Online-Umfrage, an der im Sommer 2021 1000 Mütter und Väter teilnahmen. Die Ergebnisse sind laut Sinus repräsentativ für deutschsprachige Eltern ab 30 Jahren mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren.
Nach Barths Ansicht gehen Ärzte verantwortungsvoll und nicht übereilt mit der Diagnose um. Lehrer neigten hingegen dazu, betroffene Kinder auf Sonder- oder Waldorfschulen zu verweisen, wo der Unterricht stressfreier ablaufe. Barth findet, dass das Phänomen auch in der Lehrerausbildung in den Blick genommen werden müsse.
Zu wenig über Hilfsangebote informiert
Obwohl ADHS zu den am häufigsten festgestellten psychiatrischen Kinderkrankheiten gehört, ist die Information darüber wenig verbreitet. Bei der Befragung stufen sich nur 10 Prozent bei diesem Thema selbst als «sehr informiert» ein, weitere 51 Prozent halten sich für «eher informiert». «Der Informationsstand zu ADHS ist somit aus Elternsicht ausbaufähig», betonte Barth.
Für ADHS-Betroffene und ihre Familien existieren viele verschiedene Hilfsangebote, aber laut Studie kennen nur wenige Eltern diese. Von 17 in der Befragung vorgelegten Angeboten sind nur vier mindestens der Hälfte bekannt: Medikamentengabe (66 Prozent), Kinder- und Jugendpsychiatrie (65), Verhaltenstherapie (57) und Familienhilfe (57).
Erkrankte Kinder werden ausgegrenzt
An der Integration der Betroffenen in Schule und Gesellschaft hapert es noch. 80 Prozent der Eltern finden, dass ADHS-Erkrankte ausgegrenzt werden, weitere 74 Prozent, dass es Kinder mit ADHS schwerer haben, Freunde zu finden. Immerhin 15 Prozent der Eltern ist es lieber, wenn ihre Kinder nicht mit Kindern spielen, die ADHS haben. Eltern zeigen aber auch Mitgefühl gegenüber Betroffenen. Nahezu alle Befragten finden, dass Kinder mit ADHS ihr Potenzial nicht ausschöpfen können.
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