Die Väter von Erstgeborenen in Deutschland sind älter als noch vor einigen Jahren. Im Schnitt waren Männer 33,2 Jahre alt, wenn die Mutter ihr erstes Kind zur Welt brachte, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag mitteilte. Fünf Jahre zuvor lag das Durchschnittsalter noch bei 32,8 Jahren.
«Gesellschaftlich ist das nicht bedenklich», sagt Martin Bujard, Forschungsdirektor beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. «Die Paare machen sich viele Gedanken, versuchen Elternschaft und Lebenspläne zu vereinbaren.» Viele wollten eine gewisse Stabilität schaffen – etwa finanziell, aber zum Beispiel auch, um nicht mehr allzu oft umziehen zu müssen, um zusammen zu wohnen, eine gute Grundlage für den Nachwuchs zu schaffen.
«Außerdem steigt ja auch die Lebenserwartung stetig an. Auch wer mit Mitte 30 Vater wird, kann mit viel Lebenszeit rechnen, seine Enkel zu erleben», sagt Bujard.
Auch Inge Seiffge-Krenke, Professorin für Entwicklungspsychologie, findet die Entwicklung nicht bedenklich. «Bedenken Sie, die Ausbildung dauert heute länger, entsprechend verschiebt sich auch das Alter bei Erstelternschaft.»
Altersunterschied verstärkt beruflichen Nachteil für Frauen
Noch immer sind die Männer im Schnitt drei Jahre älter als die Frauen bei der Geburt von derem erstem Kind. Wie die Statistiker in Wiesbaden weiter erklärten, sind die Frauen im Schnitt 30,2 Jahre alt, also drei Jahre jünger als die Männer.
Warum Frauen sich oft noch etwas ältere Männer suchen und Männer jüngere Frauen, ist nicht klar. Womöglich liege das einfach an Attraktivität und Anziehung, schätzt der Experte. Aber es hat Folgen: «Zwischen 30 und 33 liegen oft noch Karrieresprünge, das ist beruflich eine wichtige Zeit.»
Die Männer sind also beruflich schon etwas besser aufgestellt als Frauen, wenn das erste Baby kommt. «Und das verstärkt später den beruflichen Nachteil der Frauen», sagt Bujard. «Die durchschnittlich drei Jahre Altersunterschied machen oft ein höheres Einkommen aus, was Auswirkungen auf die Einteilung der Elternzeit hat und die Zeit danach. Die Paare finden sich dann oft in einer viel traditionelleren Rollenverteilung wieder als eigentlich geplant.»
Nur wenige ältere Männer finden eine deutlich jüngere Frau
Aber wäre es da nicht entspannter, wenn die Männer beruflich schon noch viel weiter wären – und zum Beispiel mit Mitte oder Ende 40 Vater werden? Nein, meint Bujard. «Man muss ja auch die Frauen berücksichtigen.» Für Frauen im ähnlichen Alter sei es dann schon riskant oder unmöglich, Mutter zu werden. Und dass Männer in diesem Alter eine deutlich jüngere Frau bekommen, die Kinder möchte und bekommen kann, sei sehr selten.
«Manche Männer unterschätzen das, weil Beispiele von Promis in den Medien suggerieren, dass es einfach ist, eine deutlich jüngere Frau zu finden. Im echten Leben gibt es aber wenige Beispiele, bei denen das gelingt.»
Auch wenn sich die Männer mit Anfang, Mitte 30 ebenso wie die Frauen in der Rush Hour des Lebens befinden, sei es beruflich in aller Regel kein so großes Problem, sagt Bujard. «Man muss für Kinder immer Prioritäten setzen – und Väter tragen beruflich meist geringere Risiken als Mütter.»
«Spermaqualität lässt nach» – aber Alter nicht entscheidend
Anders als lange Zeit gedacht, gehe aber auch an den Männern und Spermien das Alter nicht spurlos vorüber, sagt Prof. Frank Sommer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit. «Die Spermaqualität lässt nach.» Es sei aber heutzutage durchaus keine Seltenheit, dass Männer mit über 50 zum ersten Mal Vater werden – wie gut das funktioniert, sei individuell ganz unterschiedlich.
Das Alter ist laut Sommer aber gar nicht der entscheidende Faktor: «Wegen schlechter Ernährung und Bewegungsmangel hat die Fruchtbarkeit des Mannes in den Industrienationen in den vergangenen Jahren signifikant nachgelassen.» So habe mancher mit Ende 20 eine deutlich schlechtere Spermienqualität als andere mit Mitte 50. «Die Lebensstilfaktoren haben einen viel größeren negativen Einfluss als das physiologische Alter.»
Experte: Auch ältere Väter füllen ihre Rolle sehr gut aus
Gesellschaftlich sei es aber keinesfalls verwerflich, wenn ein Mann auch im höheren Alter noch Vater wird. «Das sollte gesellschaftlich nicht sanktioniert werden, es gibt schon genug andere hohe Erwartungen für Menschen mit Kindern – dies sollte nicht noch dazu kommen», sagt Bujard. «Auch Väter mit 50 oder gar 60 füllten ihre Rolle meist noch sehr gut aus, das ist ganz individuell unterschiedlich.» Und wann ein Mann nun ein alter Vater ist, das wird eh individuell ganz unterschiedlich empfunden. «Auch Chaplin bekam seine Kinder noch mit 60», sagt Inge Seiffge-Krenke.
Laut der Statistik hatten von den knapp 360.000 Erstgeborenen der Mütter im Jahr 2020 12 Prozent einen Vater im Alter von 40 Jahren oder älter und 2,9 Prozent eine Mutter in diesem Alter. Bei 1,5 Prozent der Erstgeborenen war der Vater 50 Jahre oder älter.
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