Die Rechnung scheint einfach: Wer ein paar Kilos verlieren möchte, sollte weniger Kalorien zu sich nehmen, als er oder sie verbraucht. Aber: Wie genau tastet man sich an das Kalorienzählen heran?
Erst mal zu den Grundlagen: Der tägliche Energieverbrauch eines Menschen kann sehr unterschiedlich ausfallen. «Je nachdem, in welchem Alter man sich befindet, welche berufliche Tätigkeit man ausübt, wie viel Sport man treibt und wie aktiv der Lebensstil ist», erklärt Astrid Donalies. Sie ist Ökotrophologin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).
Der Energiebedarf besteht aus zwei Teilen
Der Energiebedarf des Körpers besteht aus zwei Komponenten. Da ist zunächst der Grundumsatz, also die Energiemenge, die der Körper im Ruhezustand braucht. Dazu kommt der Leistungsumsatz. Das ist der Energiebedarf, der etwa durch harte körperliche Arbeit oder Sport zum Grundumsatz dazukommt.
Ein Beispiel: Eine 40-jährige Frau, die 1,70 Meter groß ist und 65 Kilogramm wiegt, hat einen ungefähren Grundumsatz von 1385 Kilokalorien pro Tag. Wenn sie acht Stunden im Büro arbeitet, 20 Minuten spazieren geht und 30 Minuten lang joggt, erhöht sich ihr Energieverbrauch auf etwa 2300 Kilokalorien.
Gewohnheiten erkennen
Für Menschen, die abnehmen möchten, ist das Kalorienzählen laut Astrid Donalies empfehlenswert, «weil sie sich dadurch oft überhaupt erst bewusst werden, wie viel Energie ihnen die über den Tag verteilten Mahlzeiten überhaupt liefern.»
Dabei sollte man nicht nur notieren, wie viel man wovon isst, sondern auch, in welcher Situation. «Denn oft spielen die Gewohnheitssnacks eine große Rolle, die sich auch noch mal summieren können», sagt Donalies.
Das Glas Weißwein beispielsweise, das man sich am Abend gönnt, hat durch seinen Alkohol- und Zuckergehalt rund 140 bis 190 Kilokalorien. Das ist in so viel wie eine kleine Laugenbrezel.
Was leere Kalorien sind
Für das Kalorienzählen spricht auch, dass man sogenannte «leere Kalorien» in Lebensmitteln besser erkennt. Sie verstecken sich oft in Produkten, die ordentlich Kalorien, aber wenig andere Nährstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe bieten.
«Das sind Süßgetränke, Weißmehlprodukte und Süßigkeiten wie Schokolade, Kuchen oder Gummizeug», sagt Donalies. «Eventuell snackt man zwischen den Mahlzeiten mehr leere Kalorien, als einem bewusst ist.»
Hilfsmittel wie Apps machen es einfacher
Wer sich vor Augen führt, was er oder sie isst, ernährt sich oft bewusster. Und hat es leichter, weniger Kalorien zu sich zu nehmen. Das sagt Matthias Blüher, Vorstandsmitglied der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG).
Unter einer Voraussetzung: «Wichtig ist, dass man beim Kalorientracken ehrlich zu sich selbst ist und sich nichts vormacht», sagt Blüher. Das Stück Schokotorte gehört also ebenso in die Aufzählung wie der Rohkost-Teller. Einfacher fällt die Selbstkontrolle, wenn man selber kocht.
Laut Blüher gibt es eine Menge Hilfsmittel wie Tracking-Apps oder Rezeptseiten, die den Kaloriengehalt ausweisen. Und natürlich: «Die Nährstoffangaben auf den Rückseiten der Lebensmittelverpackungen oder den Nutri-Score – die machen es einem einfacher, im Kaloriendschungel nicht den Überblick zu verlieren», sagt Blüher.
Wie die ersten Schritte aussehen können
«Anfängerinnen und Anfängern würde ich zum Beispiel raten, das Raps-, Lein- oder Olivenöl mal mit dem Tee- oder Esslöffel abzumessen», sagt Astrid Donalies.
«Eine Orientierungshilfe kann auch sein, sich im Klaren darüber zu sein, wie viel Energie in Kohlenhydraten, Proteinen und Fett steckt», sagt Matthias Blüher. Eiweiß und Kohlenhydrate liefern vier Kilokalorien pro Gramm, Fett kommt sogar auf neun, Alkohol auf sieben. Auch Ballaststoffe liefern Energie, aber nur zwei Kilokalorien pro Gramm.
Auch die Energiedichte hilft
Neben der Kalorienanzahl von Lebensmitteln kann auch die Energiedichte ein hilfreicher Orientierungswert sein. Sie gibt an, wie viele Kilokalorien in einem Gramm eines bestimmten Lebensmittels oder Produktes stecken.
Berechnet wird sie, indem der Kaloriengehalt einer bestimmten Menge eines Lebensmittels durch sein Gewicht geteilt wird. 100 Gramm Apfel enthalten beispielsweise 50 kcal. Teilt man 50 durch 100, ergibt das eine Energiedichte von 0,5. Zum Vergleich: Bei einem Croissant ist die Energiedichte rund zehnmal so hoch.
Nicht aufs Gramm genau
Bei all der Zählerei soll aber eines nicht zu kurz kommen: der Genuss. «Das ganze Tracken und Dokumentieren kann natürlich auch zu einem gewissen Stress führen», sagt Astrid Donalies von der DGE. Auch zu sozialem Stress mit Familie, Freunden oder Arbeitskolleginnen. «Abnehmen sollte sozialverträglich sein», sagt die Ökotrophologin.
Aufs Gramm und auf die Kalorie genau zu zählen, entspricht oft nicht der Lebensrealität. Einfacher kann es sein, sich Orientierungsgrößen festzulegen, zum Beispiel 1700 Kalorien pro Tag, und dann spontan zu kombinieren. «Da jeder Tag im Einzelnen anders aussieht, ist das oft erfolgversprechender», sagt Donalies.
Und wenn sich auf der Waage nichts tut?
Außerdem sollte man sich der Tücken nach einer Gewichtsreduktion bewusst sein. Selbst wenn man sich an ein Kaloriendefizit hält, bringt das nicht immer den erhofften Effekt. «Man muss sich vorstellen, dass unser Gehirn das Gewicht des Körpers sehr fein einstellt und sehr gut konstant halten kann – egal, ob ich sehr viel oder sehr wenig esse», sagt Matthias Blüher.
Die Mechanismen, die dazu führen, dass man nach einer Gewichtsabnahme schnell wieder zunimmt, seien häufig außerhalb unserer Kontrolle, so Blüher. Da kann es etwa passieren, dass Hormone auf das Fettgewebe und die Verdauung wirken.
Das Appetit- und Sättigungsgefühl wird damit stark von Faktoren gesteuert, die wir nicht aktiv beeinflussen können. Das macht es mitunter schwer, Verhaltensänderungen zu etablieren. Das sollte man sich bewusst machen und im Zweifel vielleicht einen Ernährungsberater oder eine Ernährungsberaterin mit Zertifizierung mit ins Boot holen.
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