25. November 2024

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Wechseljahre: Schluss mit reinem Defizitdenken

Katrin Schaudig, Frauenärztin, zeigt ihr Buch «Kompass Wechseljahre». (Urheber/Quelle/Verbreiter: Daniel Bockwoldt/dpa)

Die Wechseljahre als Herbst des Lebens, als Abschied von der Fruchtbarkeit, als eine Phase mit Beschwerden und Einschränkungen: Der ausschließlich negative Blick auf die Menopause müsse dringend geändert werden, fordern Expertinnen und Experten verstärkt. Neu ist auch, dass prominente Frauen offen über ihre persönlichen Erfahrungen berichten, zuletzt etwa Hollywoodstar Salma Hayek und die frühere First Lady Michelle Obama.

«Zeit für Veränderung: Wir brauchen eine neue Einstellung zur Menopause» lautete in diesem Sommer der Titel eines Leitartikels in «The Lancet». Die Menopause werde zu Unrecht stigmatisiert, heißt es darin. Man brauche dringend «einen ganzheitlichen und individuellen» Blick auf diese Lebensphase. «Die Wechseljahre sind in zu vielen Gesellschaften lange negativ belegt gewesen – oder totgeschwiegen worden.»

Zeit, sein Leben neu zu erfinden

Ja, viele Frauen hätten Probleme in dieser Phase, manche litten unter Hitzewallungen und Nachtschweiß, Niedergeschlagenheit und kognitiven Einschränkungen, dem Nachlassen sexueller Lust oder Schlafstörungen. Aber viele Frauen hätten diese Probleme eben auch nicht – nur erlaube es der Diskurs kaum, die positiven Seiten wahrzunehmen.

Vorteile können zum Beispiel sein, dass die lästige Regelblutung ausbleibt und dass man nicht mehr verhüten muss. Die Menopause könne auch einen Neubeginn markieren: «Die Menopause kann eine Zeit sein, sein Leben neu zu erfinden.»

Die Menopause ausschließlich «als behandlungsbedürftiges Hormondefizit» zu sehen, sei falsch, sind Medizinerinnen um Martha Hickey von der University of Melbourne und dem Royal Women’s Hospital Victoria (Australien) überzeugt. Das schüre negative Erwartungen und sei damit potenziell schädlich – denn Frauen mit negativen Erwartungen entwickelten häufiger Symptome, erläutern sie im Fachmagazin «British Medical Journal» («BMJ»).

Die Geschichte braucht einen neuen Spin

Hickey und ihre Kolleginnen fordern «ein realistischeres und ausgewogeneres Narrativ» für das weibliche Altern. Sie schlagen vor, Frauen besser aufzuklären und das Positive zu betonen: «Das Altern von Frauen als normal anzusehen, Stärke, Schönheit und Errungenschaften älterer Frauen zu feiern, kann das Narrativ ändern und positive Rollenmodelle anbieten.»

«Die zweite Lebenshälfte ist nicht der «Herbst des Lebens», sagt auch die Wiesbadener Frauenärztin Sheila de Liz, die mit «Woman on Fire» (Rowohlt) einen Bestseller über die Wechseljahre geschrieben hat, zu ihrem Buch. «Es ist mehr der Hochsommer.» Auch de Liz findet, dass das Bild dieser Lebensphase sich ändern muss: «Es ist an der Zeit, dass wir über die Wechseljahre und ihre Vorteile sprechen.»

Katrin Schaudig, Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft, findet den Ansatz gut, ist aber skeptisch, wie das praktisch aussehen soll. Etwa 30 bis 50 Prozent aller Frauen hätten in den Wechseljahren Beschwerden, die ihre Lebensqualität beeinträchtigen, sagt die Mit-Autorin des Buches «Kompass Wechseljahre» (Trias Verlag). «Es gibt Frauen, die haben richtig ätzend schlimme Probleme. Da hilft es auch nichts, wenn man die Menopause neu bewertet. Das kann man sich nicht schönreden.»

Problematisch: Das Bild von der alten Frau

Die Hamburger Gynäkologin sagt aber auch: «Dass die Wechseljahre auch Vorteile haben, ist unbestritten.» Dass das Thema so «unpopulär» ist, nur «verschämt» diskutiert wird, liegt ihrer Ansicht nach am Bild, das unsere Gesellschaft von alten Frauen hat: «Alt gleich arm, schrumpelig, krank und doof.» Könnten wir das Alter positiver sehen, wäre auch die Menopause als «point of no retun» Richtung Alter weniger negativ behaftet.

Die Forderung nach radikaler Umdeutung findet Schaudig «etwas gestelzt». Wichtiger sind ihr drei andere Punkte: Das Thema müsse «entideologisiert» werden, Frauen müssten besser aufgeklärt werden und Gynäkologen besser ausgebildet. Hormonbedingte Probleme in den Wechseljahren kämen in der überwiegend klinischen Ausbildung kaum vor. «Aber die Fachgesellschaften sind da dran», sagt Schaudig, die auch für die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe spricht.

Streitpunkt Hormonersatztherapie

Viele Diskussionen gibt es nach wie vor um einen Behandlungsweg in den Wechseljahren: die Hormonersatztherapie. Von den einen als Lösung vieler Probleme angepriesen, von anderen wegen der potenziellen Nebenwirkungen entschieden abgelehnt.

Laut Techniker Krankenkasse (TK) bekamen 2021 nur noch gut sechs Prozent der bei der TK versicherten erwerbstätigen Frauen zwischen 45 und 65 Jahren ein Hormonpräparat verordnet. Die Zahl der Verordnungen sinkt seit Jahren, wie der TK-Gesundheitsreport zeigt. Zur Jahrtausendwende hatten noch 37 Prozent Hormone gegen Wechseljahresbeschwerden eingenommen.

Das inzwischen häufig negative Bild dieser Behandlung wurde Anfang der 2000er Jahre geprägt. Damals erschien die «Women`s Health Initiative Study», die die Risiken der Therapieform herausstellte. «Es hat Jahre gedauert und eine Fülle von Daten gebraucht, bis man zu dem Schluss kam, dass der Nutzen einer HRT (Hormone Replacement Therapy) größer sei als deren Risiken», heißt es dazu im «Lancet»-Editorial.

Wichtig: Jede Frau braucht individuelle Therapie

Katrin Schaudig findet beide Extrempositionen falsch. «Jede Frau ist anders, jede Frau braucht eine andere Therapie», sagt die Gynäkologin. Das wichtigste To-do bei der Menopause ist aus ihrer Sicht, die Behandlung zu individualisieren, die Beratung zu verbessern, die Therapie maßzuschneidern auf die Bedürfnisse der jeweiligen Frau.

Ein Schritt in diese Richtung könnten Östrogen-Tabletten sein, die vaginal eingeführt werden. Sie sind in Großbritannien inzwischen ohne Rezept erhältlich. Zoe Schaedel und Janice Ryder vom Department of Women and Children’s Health am King’s College in London bewerteten die Freigabe in «Lancet» positiv. Sie helfen gegen das urogenitale Menopausensyndrom, zu dem unter anderem Scheidentrockenheit gehört, ebenso wie Schwierigkeiten beim Urinhalten oder der Verlust sexueller Lust.

Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) gibt zu bedenken, dass es Einschränkungen gibt: Das vaginale Östrogen werde nicht vom ganzen Körper verarbeitet, erklärt die DEG in einem Blog-Beitrag zum Thema. Eine vaginale Therapie helfe im Gegensatz zur systemischen Therapie nicht gegen andere Menopausen-Symptome wie Hitzewallungen, Nachtschweiß, gedrückte Stimmung oder Schlafprobleme.

Eine Studie aus Norwegen hatte kürzlich auch herausgefunden, dass Frauen nach der Menopause häufiger schnarchen und öfter an Schlafapnoe leiden, wie die Forschenden der Universität Bergen im Fachjournal «PLOS ONE» berichten. Der Begriff Menopause kommt übrigens vom griechischen Wort «menos» für Monat und «pause» für enden, also das Ausbleiben der Monatsblutung.

Von Sandra Trauner, dpa