Der bunte Herbst lädt ein zu Spaziergängen in der Natur. Und die bietet gerade eine ganze Palette an erntereifen Früchten. Unter anderem Äpfel, Birnen, Pflaumen, Brombeeren, Hasel- und Walnüsse kann man im September ernten. Doch wo darf ich einfach zugreifen? Und wo begehe ich eine Straftat, wenn ich einen Apfel vom falschen Baum nehme?
Mandy Rüttershoff-Hahn, Fachanwältin für Agrarrecht in Lüneburg, empfiehlt, Schritt für Schritt vorzugehen. Zunächst ist zu klären: Wo befindet sich der Baum oder der Strauch, und darf ich die Fläche überhaupt betreten? «Ein Betretungsverbot ist außerhalb bebauter Ortschaften optisch nicht immer erkennbar», sagt sie. Läuft rund um das entsprechende Areal ein Zaun, deutet vieles darauf hin, dass die Eigentümer nicht möchten, dass die Fläche betreten wird.
Auch Naturschutzgebiete darf man häufig nicht betreten. «Sie sind mit Hinweisschildern gekennzeichnet. Auf ihnen finden sich auch Verhaltensregeln», sagt Silvia Teich vom Naturschutzbund Deutschland (NABU).
Entscheidend ist, ob die Pflanze kultiviert wurde
Ist die Frage nach dem Betretungsrecht geklärt, folgt Schritt zwei: Darf ich mir nehmen, was hier wächst? Die schlechte Nachricht: Grundsätzlich darf man laut Anwältin Rüttershoff-Hahn erst einmal gar nichts nehmen, schließlich gehören einem die Fläche und die darauf wachsenden Pflanzen nicht. Die gute Nachricht: Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen.
So ist im Bundesnaturschutzgesetz geregelt, dass jeder wild lebende Pflanzen, und damit auch Früchte, «in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf» sammeln darf. Wichtig ist also die Unterscheidung, ob beispielsweise ein Obstbaum angebaut wurde oder wild wächst.
Ein einzelner Baum, der zwischen anderen Pflanzen wächst, lebt laut Rüttershoff-Hahn höchstwahrscheinlich wild. «Wenn ich aber einen Bereich habe, wo nur Obstbäume sind, dann spricht viel für eine sogenannte Streuobstwiese, die mal jemand angelegt hat», sagt sie. Bei so einer Kultur muss streng genommen schon wegen eines einzelnen Apfels um Erlaubnis gefragt werden.
Eigentümer können zum Beispiel Landwirte oder auch die Gemeinde sein. Im Zweifel kann laut Rüttershoff-Hahn bei der Gemeinde nachgefragt werden, wem die Bäume gehören, und dort sollte dann eine Erlaubnis eingeholt werden. Oder man greift auf bereits aufgebautes Wissen zurück: Die Webseite www.mundraub.org listet zum Beispiel bundesweit Flächen auf, für die Eigentümer Genehmigungen zum Sammeln erteilt haben.
Mut zur Bescheidenheit ist geboten
Nun folgt Schritt drei: Wie viel darf ich nehmen und worauf ist noch zu achten? Wie hoch der im Bundesnaturschutzgesetz beschriebene persönliche Bedarf ist, ist laut Rüttershoff-Hahn im Gesetz nicht weiter festgelegt. Sie appelliert, sich bei der Menge an eine haushaltsübliche Mahlzeit zu halten und sich zu fragen: «Würde ich es als Eigentümer gut finden, wenn andere sich in dem Umfang bedienen?»
Das gilt ihr zufolge nicht nur für wild lebende Pflanzen. Auch bei Kulturen, für die der Eigentümer eine Sammelerlaubnis ausgestellt hat, sollte ein gewisses Maß nicht überschritten werden. Schließlich ist beispielsweise ein Landwirt auf den Ertrag seiner Bäume angewiesen. Verboten ist es der Bevölkerung daher auch, gesammelte Früchte selbst zu verkaufen.
Silvia Teich rät außerdem zur Vorsicht bei der Ernte: «Unbedingt schonend ernten, keine Zweige abrupfen». Auch abschneiden sollte man laut Rüttershoff-Hahn nichts, da das keine pflegliche Entnahme wäre, wie es das Gesetz vorsieht.
Fallobstparagraf: Frucht auf meinem Grund gehört mir
Bei frei zugänglichen Flächen macht es rechtlich keinen Unterschied, ob eine Frucht noch am Baum oder Strauch hängt oder bereits auf den Boden gefallen ist. An der Nachbarsgrenze hingegen schon: «Wenn der Nachbar einen Obstbaum hat, der in den eigenen Bereich herüberragt, und da fallen Früchte auf das eigene Grundstück, dann darf man die nehmen», so Anwältin Rüttershoff-Hahn. So regelt es der Paragraf 911 im Bürgerlichen Gesetzbuch, auch Fallobstparagraf genannt.
Eine noch am Baum befindliche Frucht zu pflücken oder mittels Schütteln nachzuhelfen, ist davon nicht gedeckt.
Einen Apfel zu klauen, ist kein Kavaliersdelikt
Stellt sich abschließend die Frage: Begehe ich eine Straftat, wenn ich doch mal ohne Erlaubnis einen Apfel von einer bewirtschafteten Streuobstwiese nehme? Die Antwort der Juristin: «Ja, dann begehen Sie einen Diebstahl». Man nimmt schließlich etwas, das einem anderen gehört – laut Rüttershoff-Hahn kein strafloses Kavaliersdelikt.
Bei einem Diebstahl weniger Äpfel handelt es sich aber in der Regel um einen sogenannten Diebstahl geringwertiger Sachen, sofern das Gestohlene einen Wert von 50 Euro nicht übersteigt. «Dann wird der Diebstahl nur verfolgt, wenn der Eigentümer selbst eine Strafanzeige stellt», so Rüttershoff-Hahn. Dazu kommt es ihrer Erfahrung nach aber nur selten und in der Regel bei Wiederholungstätern. Wird man doch einmal als Ersttäter erwischt, dann fallen Geldbußen im eher zweistelligen Bereich von meist 30 bis 50 Euro an.
Wer gar nicht erst in Verdacht geraten will, mutwillig zu stehlen, sollte vor dem nächsten Herbstspaziergang also erst einmal abklären, bei welchen Bäumen und Sträuchern man sich bedienen darf.
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