Zugegeben, zunächst erscheint es etwas seltsam, zu sehen, wie in Ghana eine Beerdigung abläuft. Mit Trauer scheint es auf den ersten Blick wenig zu tun zu haben, wenn Gäste in leuchtenden Farben zu lauter Musik am Sarg tanzen. Und doch: Auch hierzulande gibt es längst alternative Beerdigungen, auf denen vor allem das Leben gefeiert wird.
«Ich habe schon erlebt, wie mit Feuerkorb, Gitarre und Urne am Strand gefeiert wurde. Oder am offenen Sarg in einer Hochzeitslocation», berichtet Nadine Weske. Die 40-jährige Sozialpädagogin aus der Nähe von Hannover ist zwar Bestatterin, nennt sich jedoch lieber «Abschiedsplanerin». Passend zu dem, was sich viele ihrer Kunden inzwischen zum Ende ihres eigenen Lebens oder dem ihrer Angehörigen wünschen: ein Abschieds- oder Lebensfest.
Lebensfilm zu Popcorn und Urne
So wie neulich, als ein ALS-Patient, der nicht mehr lange zu leben hatte, noch eine «richtig dicke Party» gefeiert habe. «Die Stimmung war toll, er wurde auf die Tanzfläche geholt, alle haben um ihn herum getanzt und geweint – gleichzeitig», schildert sie. Auch in einem Kinosaal habe sie schon einmal für eine Filmemacherin ein Abschiedsfest organisiert: «Da stand dann die Urne vorne, es wurde ihr Lebensfilm gezeigt und dazu gab es Popcorn.»
Für den Bundesverband Deutscher Bestatter (BDB) sind Veranstaltungen wie diese längst keine Überraschung mehr. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Feuerbestattung mit rund 72 Prozent inzwischen die häufigste Bestattungsart sei. «Dadurch ergeben sich neue Orte, an denen Trauerfeiern stattfinden können – auch dies ändert viele Zeremonien», sagt Sprecherin Elke Herrnberger.
Der BDB sieht dabei zwei große Entwicklungen in der Branche: Zum einen «den pragmatischen Wunsch nach pflegefreien Grabstätten für die mobile Gesellschaft von heute». Und auf der anderen Seite das eher emotional begründete Bedürfnis nach Individualisierung und Personalisierung.
Letzter Wunsch: «Zieht fröhliche Kleidung an!»
Viele Menschen legen die Wünsche für ihre persönliche Abschiedsfeier daher bereits zu Lebzeiten fest: «Bitte zieht fröhliche Kleidung an!» oder «Ich möchte, dass gelacht und getanzt wird!», heißt es in den Vorsorgevereinbarungen. Und dazu werden nicht nur Lieblingsgerichte bestimmt, sondern auch schon Playlisten angelegt oder persönlich bedeutsame Orte für die Trauerfeier oder den Bestattungsort ausgewählt.
«Es ist (fast) alles erlaubt, was gefällt», meint Herrnberger. Meist sei viel mehr machbar, als man denkt. Und nicht umsonst sähen sich viele Bestatterinnen und Bestatter heute auch als «Eventmanager des letzten großen Abschiedsfestes, der letzten großen Lebensfeier».
Die Wahl der Möglichkeiten und der individuellen Ausgestaltung sei dabei riesig: Angefangen vom Selbstgestalten der eigene Särge und Urnen über Trauergäste in Fan-Club-Trikots bis zu Motorrädern auf Friedhöfen mit Beiwagen für den Sarg- oder Urnentransport.
«Highway to hell» beim Auszug aus der Kapelle
Trauerbegleiterin Carmen Birkholz aus Essen hat schon mehrfach Motorradfahrer beerdigt. Gerade in dieser Szene gebe es viele Rituale. Auch das Lied «Highway to hell» sei dabei schon einmal beim Auszug aus der Kapelle gespielt worden.
Besonders erinnert sich die 58-Jährige auch an das «Lebensfest» für eine sterbenskranke junge Frau, der es ein Anliegen war, ihre Trauerfeier selbst mit vorzubereiten: mit einem Sargtuch, das ihr Bruder gemalt hatte, und mit Musik und Tanz von einer Freundin. Sie selbst formulierte sogar die Einladungskarten dazu: «Ich lade euch zu meinem Abschied ein», schrieb sie. In einer anderen Familie, in der viel getöpfert wurde, wurde nach den Wünschen des krebskranken Vaters seine Urne selbst hergestellt.
Meist ticken Freunde und Familie ähnlich
Für Birkholz, auch Vorsitzende des Bundesverbandes für Trauerbegleitung (BVT), ist ganz klar: Wenn sich der Verstorbene etwas gewünscht hat, ist das die Autorität. «Ganz gleich, was andere davon halten.» Doch meistens sind auch die Angehörigen und Freunde auf derselben Wellenlänge. Wie bei dem Abschiedsfest für jenen jungen Mann von der Mosel, der immer gerne gefeiert und sich im Karneval als Bacchus verkleidet habe. «Da war vollkommen klar, dass es auch bei der Trauerfeier sehr bunt zugeht», sagt Birkholz.
Und zugleich feierlich: So sei es dem Lebensgefährten des Krebskranken ganz wichtig gewesen, ihn mit der Urne im Arm selbst zu Grabe zu tragen. Danach gab es einen Sektempfang mit Musik – und dann wurde gefeiert. «Das war für alle stimmig», sagt die Theologin. «Weil es beides war: Es hatte den Moment von Trauer, aber auch Schönheit.»
Die Trauerkultur entwickle sich neu. «Viele möchten sich nicht mehr in ein schwarzes Korsett pressen lassen, sondern auch mit jenen alltäglichen und bunten Symbolen Abschied nehmen, die eh zum Leben gehörten», registriert Birkholz. Gerade in der homosexuellen Szene sei man es gewohnt, Konventionen zu brechen. Auch bei Bestattungen. Und auch verwaiste Eltern täten dies oft: «Sie bemalen Särge, lassen bunte Ballons steigen oder grillen auf dem Friedhof.»
«Das gehört sich nicht!»: Mit Skeptikern reden
Was aber, wenn es Angehörige oder Freunde gibt, die empört über diese neue Art der Trauer sind? «Im Zweifelsfall muss man durch diesen Konflikt durch», sagt Birkholz. Wichtig sind der Mediatorin jedoch auch Gespräche, in denen die Bedenken ernstgenommen werden. Denn das könne helfen. «Oft lassen sich Skeptiker gewinnen, wenn sie merken, dass es darum geht, dem Verstorbenen gerecht zu werden.»
Auch Nadine Weske stößt mit ihrer Gestaltung der Abschiedsfeiern nicht nur auf Begeisterung. «Das gehört sich nicht», heißt es dann manchmal. «Dann frage ich immer: Aber was genau denn nicht? Denn den letzten Wunsch eines Menschen umzusetzen und ihm ein schönes Fest zu bereiten, da kann ja keiner etwas dagegen haben.»
Wie sie selbst ihre eigene Trauerfeier gestalten würde, dazu hat sie allerdings noch keine feste Vorstellung. Weil sie jedoch voller Tatendrang sei, alles in der Welt einmal gesehen zu haben, würde sie sich wünschen, dass ihre Asche einmal verteilt wird.
«Das wäre schön, wenn jeder ein Stückchen von mir mit in den Urlaub nimmt», sagt sie. Für die Feier selbst bräuchte sie «kein großes Tamtam». Aber bunt sollte es auf jeden Fall sein. «Und am liebsten mit Motto.» Das allerdings ist für sie schon klar: «Komm‘ wie du bist und feiere das Leben.»
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