Wenn Volker Raumland vom Sektmachen spricht, klingt das wie eine Vorlesung in Philosophie. «Ich will mehr in die Tiefe gehen», sagt der oft als «deutscher Sektpapst» titulierte Winzer in Flörsheim-Dalsheim, einer kleinen Weinbaugemeinde im südlichen Rheinhessen.
In die Tiefe gehen auch seine beiden Töchter Marie-Luise und Katharina. Im kalten, dunklen Keller ihres Elternhauses prüfen sie, wie sich die besten Erzeugnisse des Sekthauses entwickeln. Raumland hat einen Trend mitgestaltet, der auch von den Marktführern gepflegt wird.
Traditionell hergestellte Schaumweine aus Flaschengärung
Der Trend zu gehobenen Qualitäten habe sich trotz eines «herausfordernden Marktumfeldes» mit den Folgen der Pandemie, Rohstoffknappheit und Inflation fortgesetzt, sagt Henkell-Freixenet-Chef Andreas Brokemper. Dazu gehören Schaumweine aus Flaschengärung, traditionell hergestellt wie in der Champagne. Bei diesen gebe es einen steigenden Umsatz, heißt es auch bei Rotkäppchen-Mumm.
Allerdings ist Sekt aus Flaschengärung im Vergleich zu dem deutlich günstigeren Sekt mit einer Gärung in großen Tanks immer noch eine Nische. Der Verband Deutscher Sektkellereien schätzt den Anteil am Gesamtabsatz auf weniger als fünf Prozent. In den ersten zehn Monaten 2022 übertraf der Inlandsabsatz aller Schaumweine mit 188 Millionen Flaschen (0,75 l) den Vorjahreszeitraum um 5,1 Prozent.
Traditionell hergestellter Sekt braucht viel Zeit – und das richtige Gespür, wann die Trauben für den sogenannten Grundwein gelesen werden. «Wir wollen nicht unreife Trauben ernten, aber auch keine vollreifen», erklärt Raumland. Vollreife, süße Trauben haben oft zu viel Zucker. Und der wird bei der Gärung in Alkohol umgewandelt. Ziel ist es, möglichst leichte Sekte zu erzeugen, die auch bei einem Glas mehr verträglich bleiben.
«Wir sind immer noch vom Cool Climate begünstigt», sagt Marie-Luise Raumland, die zusammen mit ihrer Schwester Katharina den Betrieb führt. «Aber der Klimawandel geht weiter in Richtung Norden.»
Zweite Gärung entscheidend für das Geschmackserlebnis
Die Kohlensäure im Sekt entsteht bei der zweiten Gärung. Diese ist auch entscheidend für das Geschmackserlebnis. «Schaumwein hat bis zu 1200 verschiedene Aromakomponenten», erklärt der Önologe (Weinwissenschaftler) Matthias Schmitt von der Hochschule Geisenheim im Rheingau. Sie werden geprägt von den Besonderheiten der Rebsorten, bilden sich aber auch beim Zerfall der Hefe, die Zucker in Alkohol umwandelt. «Zudem laufen beim Altern des Sekts in einem tiefen kühlen Keller weinchemische Prozesse ab, die das Aroma zusätzlich verändern», sagt Schmitt.
Wenn zum Jahreswechsel in vielen Häusern die Sektkorken knallen, ruht der 2022er Grundwein der Raumlands noch im Fass. Im neuen Jahr wird er in Flaschen abgefüllt, für die mindestens drei Jahre lang dauernde zweite Gärung. «Oft lassen wir der Hefe aber auch zehn Jahre oder länger Zeit für ihre Arbeit», erklärt der Winzer.
Besonders im Blick hat Volker Raumland einen Sekt, dessen Trauben schon 2010 gelesen wurden. «Ich habe immer das Gefühl gehabt, er ist noch nicht so weit. Er entwickelt sich gerade, wir lassen ihn weiter liegen.»
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